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Gleichstellungsarbeit... heute noch zeitgemäß?

Die Frage, warum es heute noch Gleichstellungsbestrebungen in öffentlichen Verwaltungen, wirtschaftlichen Unternehmungen und anderen Bereichen der Gesellschaft gibt, könnte durchaus berechtigt sein. Bereits 1948 wurde in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau hingewiesen. 1949 trat Elisabeth Selbert (Politikerin und Juristin, 1896 - 1986) vehement dafür ein, dass im Grundgesetz in Artikel 3 Absatz 2 Satz 1 der Satz "Männer und Frauen sind gleichberechtigt." aufgenommen wurde. Seitdem wurden für das Gesamtziel - die Herstellung der Gleichberechtigung - bereits viele Meilensteine gelegt:

1900
Zulassung von Frauen an Universitäten
In Berlin hatten erstmals Mädchen nach einem dreijährigen Gymnasialkurs ein Abitur abgelegt.

1911
Erster Internationaler Frauentag
Die Vereinten Nationen wählten den 8. März als Datum aus. Clara Zetkin schlug ein Jahr zuvor dessen Einführung bei der Internationalen Frauenkonferenz in Kopenhagen vor.

1918
Frauenwahlrecht
In der Weimarer Verfassung wurde das aktive und passive Wahlrecht für alle Bürgerinnen ab 21 Jahren verankert.

1949
Gleichberechtigung wird im Grundgesetz verankert
§ 3 Abs.2 GG: Männer und Frauen sind gleichberechtigt.

1957
Gehorsamsparagraph wird gestrichen
Wegfall von § 1354 BGB, der dem Mann in einer Ehe das Recht zur Entscheidung aller gemeinsamen Angelegenheiten zusprach.

1958
Gleichberechtigungsgesetz tritt in Kraft
Der Ehemann hatte nun nicht mehr das "Letztentscheidungsrecht" in allen Eheangelegenheiten. Frauen dürfen ohne Erlaubnis ihres Ehemannes arbeiten und ein eigenes Konto eröffnen.

1961
Erste Bundesministerin
Elisabeth Schwarzhaupt (CDU) wird als erste Frau zur Bundesministerin ernannt. Sie ist für das Ressort Gesundheitswesen zuständig.

1976
Fünfzehntes Strafrechtsänderungsgesetz
- Indikationsregel -
Der Schwangerschaftsabbruch ist grundsätzlich mit Strafe bedroht. Er ist ausnahmsweise nicht strafbar, wenn die Schwangere einwilligt und einer der folgenden Gründe vorliegt: Medizinische Indikation, eugenische Indikation, kriminologische Indikation, sonstige schwere Notlage.

1976
Reform des Ehe- und Familienrechts
Das Scheidungsrecht wird maßgeblich neu geprägt. An die Stelle der Schuldfrage trat das Zerrüttungsprinzip und entsprach damit eher dem partnerschaftlichen Eheverständnis.

1986
Erste Frauenministerin
Rita Süssmuth wird erste Bundesministerin für Frauen.

1994
Ergänzung des Gleichberechtigungsgrundsatzes im Grundgesetz
Das Gleichberechtigungsgebot in Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz wird ergänzt: "Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin."

1997
Inkrafttreten des neugefassten § 177 Strafgesetzbuches
Vergewaltigung in der Ehe ist strafbar.

2005
Erste Bundeskanzlerin
Angela Merkel (CDU) wird erste Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland.

2007
Elternzeit und Elterngeld
Im Januar 2007 tritt das Elterngeld an die Stelle des bisherigen Erziehungsgeldes. Es ersetzt 67 % des nach der Geburt des Kindes wegfallenden Erwerbseinkommens bis maximal 1.800 € und beträgt für nicht erwerbstätige Elternteile mindestens 300 €.

2016
Mehr Frauen in Führung
Einführung einer fixen Geschlechterquote von 30 % in Privatwirtschaft und Bund (Öffentlicher Dienst).

2017
#MeeToo-Bewegung
Zahlreiche Frauen beschuldigen den Filmproduzenten Harvey Weinstein der sexuellen Belästigung und rücken das Thema in den öffentlichen Fokus.

2019
Erste Präsidentin der Europäischen Kommission
Ursula von der Leyen wird erste Präsidentin der Europäischen Kommission.

Im September 2017 wurde Angela Merkel (CDU) zum vierten Mal zur Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland gewählt. 2019 steht mit Ursula von der Leyen erstmals eine Präsidentin der Europäischen Kommission vor. Sind wir damit unserem Gesamtziel - der Herstellung der Gleichberechtigung - ein Stück näher gekommen?

Wie sieht es heute in den unten beispielhaft genannten Handlungsfeldern der Gleichberechtigung aus?

Politik

Bundesregierung, 20. Deutscher Bundestag
1. Legislaturperiode Olaf Scholz

36 % Frauen (Quelle: Statista 2024)
Der Frauenanteil im 20. Deutschen Bundestag lag im April 2024 bei insgesamt rund 36 %. Der geringste Frauenanteil mit rund 11,7 % ließ sich dabei innerhalb der AfD-Fraktion verzeichnen, gefolgt von der Union mit einem Anteil von 25,4 %. In der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellten die weiblichen Abgeordneten mit 59,3 % die Mehrheit unter den Fraktionsmitgliedern.

Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Bundesländer
(Stand: 10.Juli 2024)
Ministerpräsidentinnen - 2
Ministerpräsidenten - 14

Entwicklung Frauenanteil im Bundestag
zu Beginn der jeweiligen Wahlperiode

18. Bundestag 2013 - 2017
- 36,5 %

20. Bundestag 2021 - 2025
- 30,7 %

19. Bundestag 2017 - 2021
- 34,8 %

Kreistag des LK Helmstedt
43 Kreistagsabgeordnete, davon 15 Frauen und 28 Männer
Wahlperiode 2021 - 2026

Wirtschaft / öffentliche Verwaltung
  • 2021 betrug der Anteil von Start-Up-Gründerinnen bundesweit 17,7 %
  • 2022 lag der Frauenanteil in Aufsichtsräten börsenorientierter Unternehmen bei 35,6 % und in den Vorständen dieser Unternehmen bei 15,8 %
  • 2020 lag der Anteil von Frauen im öffentlichen Dienst des Bundes in Führungspositionen bei 36,9 %
  • 2023 befinden sich in der Kreisverwaltung Helmstedt in der ersten und zweiten Führungsebene (Vorstand, Referats- und Geschäftsbereichsleitungen) 32 % Frauen
Arbeitswelt - Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!

2024 erinnert der Equal Pay Day an die Lohnlücke. Noch immer erhalten Frauen bei gleicher Arbeit und Qualifikation 6 % weniger Lohn als Männer. Werden strukturelle Faktoren (Teilzeit, Kindererziehungszeiten, weniger gut bezahlte Arbeit etc.) berücksichtigt beträgt die Lohnlücke sogar 18 %!

Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familien- / Privatleben

Strukturelle Faktoren, die einer Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familien-/Privatleben entgegenstehen: Erziehungszeiten, fehlende Betreuungsangebote, Wiedereinstieg nach Elternzeit, Familienpflegezeiten, gleiche Qualifikationen - ungleiche Chancen durch notwendige Abwesenheitszeiten bei der Karriereplanung.

Vorurteile: Lange Zeit waren der Arbeitsmarkt sowie die Führungsebenen von Männern geprägt, die auf eine ununterbrochene Erwerbsbiografie verweisen konnten. Ein erfolgreicher Führungsstil wurde/wird daher mit typischen "männlichen" Eigenschaften verbunden.

Soziale Faktoren

Jedes Jahr erinnert der "Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen" am 25. November daran, dass ca. jede dritte Frau in Deutschland von körperlicher und/oder sexualisierter Gewalt betroffen ist. Zwar sind auch Männer von Gewalt durch Frauen betroffen, jedoch sind in rund 75 % aller Fälle Männer die Täter. Der Anteil an Vorfällen bei Gewalt gegen Migrantinnen und Migranten im häuslichen Bereich ist dabei erheblich gestiegen.

Sonstige Faktoren

Zuwanderung und Fachkräftemangel erfordern neue Handlungsfelder, wobei Sprache, Qualifizierung und Integration die wichtigsten sind.

Fazit

Gleichstellungsarbeit entwickelt sich entsprechend der gesellschaftlichen Veränderungen. Gesetzliche Rahmenbedingungen bilden mittlerweile eine verbindliche Grundlage für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Doch im Alltag ist die Gleichberechtigung der Geschlechter in vielen Bereichen noch nicht angekommen.

Hier gilt es, gezielt mit geeigneten Maßnahmen weiter auf das Gesamtziel - Herstellung der Gleichberechtigung - hinzuarbeiten.