Chronik Werra Meißner Kreis

Stefan Reuß: Das wird uns nun seit Jahren bescheinigt und wir müssen immer wieder sagen, dass die Indikatoren bestimmter Bereiche die Zukunft überhaupt nicht erfassen. So belegt z. B. eine Studie aus dem Frühjahr dieses Jahres, dass wir als Region sehr gut durch die Wirtschafts- und Finanzkrise gekommen sind, weil wir einen guten Branchenmix haben. Unsere Wachstumszahlen in diesem Jahr zeigen auch, dass die Wirtschaft wächst, die Arbeitslosigkeit stark gesunken ist, die Bevölkerungsabwanderungsrate halbiert wurde. Die Vielzahl der im Kreis eingeleiteten Maßnahmen greifen und beginnen sich positiv auszuwirken. Die Studie hat dies noch nicht berücksichtigt. Also: Ich teile diese Ansicht nicht.“ 340 In Frage gestellt wurde die „Zukunftsfähigkeit“, sprich Existenz des Werra-Meißner-Kreises, indes weniger durch die Prognosen diverser weit entfernter Institute, sondern vielmehr durch Bestrebungen in Politik, Wirtschaft und kommunalen Spitzenverbänden, die insbesondere um die Jahrtausendwende in der Schaffung großflächiger „Regionalkreise“ das Allheilmittel zur Lösung aller Probleme im kommunalen Bereich sahen. Begonnen hatte diese Diskussion in Südhessen Ende der 90er Jahre und schwappte dann gen Norden, so dass Landrat Dieter Brosey sich zum 25. Geburtstag des Werra-Meißner-Kreises genötigt sah, solchen Plänen eine nachdrückliche Absage zu erteilen. „Eine neue Gebietsreform“, so der Landrat damals, „kann jedoch in unserem Kreis und in anderen ländlichen Kreisen Nordhessens niemand wollen.“ 341 Damit war diese Diskussion allerdings noch lange nicht beendet, denn zwei Jahre später startete der Hessische Städte- und Gemeindebund eine erneute Initiative zur Bildung von hessenweit fünf Regionalkreisen. Dabei sollte es in Nordhessen nur noch einen Kreis geben, gebildet aus den Kreisen WerraMeißner, Kassel, Schwalm-Eder und Waldeck-Frankenberg mit Sitz in Kassel. Auch diese Initiative stieß auf den vehementen Widerstand der nordhessischen Landkreise und Dieter Brosey fasste seine und die Gemütslage seiner Amtskollegen wie folgt zusammen: „Der Landkreistag wird das Eckpunktepapier des Städte- und Gemeindebundes genauso ablehnen, wie ich dies tue. Dieses Papier ist unausgegoren und im Grunde ein Papier, das nur aus den Interessen des Ballungsraumes Rhein-Main erklärbar ist. Aus nordhessischer Sicht ist dieses Papier rundum anzulehnen, weil es gegen die Interessen der nordhessischen Flächengemeinden und Landkreise gerichtet ist.“ 342 Einen dritten Vorstoß in Richtung Regionalkreis Nordhessen gab es ebenfalls im März 2001, dieses Mal vorgetragen von der IHK Kassel, dem Spitzenverband der nordhessischen Wirtschaft. Ausgehend von einem Zusammenschluss der Stadt Kassel und des Landkreises zur „Gebietskörperschaft Region Kassel“ sollte, so zumindest angedacht im Planspiel der IHK, bis zum Jahr 2012 ein „Regionalverband Nordhessen“ unter Einschluss der Landkreise Waldeck-Frankenberg, Schwalm-Eder, Werra-Meißner und Hersfeld-Rotenburg entstehen. Zu den Aufgaben der neuen Gebietskörperschaft sollten alle kreisübergreifenden Aufgaben wie Tourismus, Abfallbeseitigung und Regionalplanung ebenso gehören wie die Vorbereitung des „Regionalkreises Nordhessen“, der bis 2016 gebildet sein sollte. Auch diese Pläne verschwanden wieder in der Schublade und wurden erst am Jahresanfang 2007 wieder reaktiviert – allerdings abermals ohne Erfolg. Bislang blieb die seit der Gebietsreform 1974 mit viel Engagement aufgebaute neue Gebietsstruktur glücklicherweise unangetastet, denn nicht immer liegt in der schieren Größe die Garantie des Erfolges. Zu denken geben sollte allen Verfechtern der „Regionalkreis – Idee“ die Renaissance, die die historischen KFZ-Schilder der vor der Gebietsreform bestehenden„Altkreise“ überall in Deutschland gerade erleben. Im Werra-Meißner-Kreis und in seiner unmittelbaren Nachbarschaft sind dies in Niedersachsen HMÜ (für den ehemaligen Kreis Münden), in Thüringen das HIG (für Heiligenstadt) und in Nordhessen in bunter Reihe ROF (Rotenburg/F.), HOG (Hofgeismar), WOH (Wolfhagen) und natürlich vor allem das WIZ für Witzenhausen. Nach 39 Jahren Pause wurde am 18. September 2013 erstmals wieder ein WIZ-Kennzeichen durch den Werra-Meißner-Kreis ausgegeben. Das erste neue WIZ-Kennzeichen hat Klaus Funke (r.) aus Hundelshausen von der Mitarbeiterin der Zulassungsstelle in Witzenhausen, Vera Peter (l.) erhalten. Klaus Funke hatte schon eine Stunde vor Beginn der Ausgabe geduldig gewartet, um das neue Kennzeichen als erster in den Händen halten zu können. Belohnt wurde seine Geduld mit einem Bildband über den Hohen Meißner, den ihm der Leiter der Straßenverkehrsbehörde des Kreises, Harald Engel (m.), überreichte. Seit September 2013 besteht die Möglichkeit, anstatt des bisher allein möglichen ESW auch das vor 1974 im Kreis Witzenhausen gebräuchliche WIZ als Kenzeichen zu wählen, wovon weit über eintausend Bürger des Werra-Meißner-Kreises bislang Gebrauch gemacht haben. Damit stellen sie nicht die Existenz des WerraMeißner-Kreises in Frage, sondern dokumentieren sowohl ihre historische Identität als auch den Wunsch nach überschau- und damit beherrschbaren Strukturen. Und dass unser Kreis diese Strukturen in reichem Maße besitzt, ist in den vergangenen Jahrzehnten allerorten und in vielen Initiativen deutlich geworden. Ob es sich nun z. B. um den kreisweiten Freiwilligentag handelt, der seit 2008 unter dem Motto „Ein Kreis – ein Tag, gemeinsam für uns“ einmal im Jahr in 94 DER KREIS IM GEEINTEN DEUTSCHLAND  CHANCE UND HERAUSFORDERUNG 08

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