Chronik Werra Meißner Kreis

Auch den Weggang der Bundeswehr aus dem Kreis musste der Wirtschaftsstandort Werra-Meißner verkraften. Seit den 60er Jahren gehörte die Bundeswehr an den Standorten Sontra (geschlossen 2008) und Hessisch Lichtenau (geschlossen 2006) zum Alltag im Kreis. Beliebt bei der Bevölkerung waren die Tage der offenen Tür. Seit Ende der 90er Jahre erscheint der Werra-Meißner-Kreis in schönster Regelmäßigkeit in diesen Gutachten – meist ging und geht es darin um den ebenso bedeutungsschweren wie schwer zu fassenden Begriff der„Zukunftsfähigkeit“ – entweder am Ende oder im hinteren Drittel des deutschlandweiten Ranking oder wird, wie in der Studie der GfK vom Dezember 2013, als Hessisches Kaufkraft – Schlusslicht präsentiert. Schlagzeilen wie „Kreis mit roter Laterne“ (Institut für neue soziale Marktwirtschaft, Nov. 2006), „Region rutscht ins Chancen – Minus“ und „Kreis bleibt auf der Strecke“ (beide Prognos-Institut, März 2007 und Nov. 2010) oder „Kaufkraft: Landkreis Schlusslicht in Hessen“ (GfK, Dez. 2013) gehörten schon fast zum Standardrepertoire der heimischen Medien, wenn diese über die diversen Studien berichteten. Bei einem exemplarischen Blick auf den Prognos Zukunftsatlas 2010 in dem der Werra-Meißner-Kreis unter den 412 Kreisen und kreisfreien Städten Deutschlands den Platz 370 belegt und in der zweitschlechtesten Kategorie eingeordnet wird –„ein Kreis mit hohen Zukunftsrisiken“ – wird allerdings deutlich, dass die Aussagekraft der Erhebung nicht immer der Realität entspricht und daher mit der gebotenen kritischen Distanz zu bewerten ist. Nicht nur, dass genauere Angaben über den Erhebungszeitraum fehlen, sondern auch inhaltlich muss der Studie zumindest ein gewisses Maß an Oberflächlichkeit bescheinigt werden. Untersucht wurden in jeweils verschiedenen Aspekten der Arbeitsmarkt (Platz 319), der demografische Faktor (Platz 379), Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit (Platz 375) und der Wohlstand (Platz 311). Insgesamt flossen 29 unterschiedliche Kriterien in die Erhebung ein, wobei die Indikatoren, die den „Ist – Zustand“ beschreiben als Stärken zusammengefasst wurden (Platz 360) und Angaben, die eine Entwicklung nachzeichnen als „Dynamik“ (Platz 393). Daraus berechnete Prognos die Gesamteinordnung, bei der auch die Anbindung an die Autobahn ( 20 Minuten bis zur nächsten Auffahrt – Platz 339) ein Rolle spielte. Und hier nun ist genau der Punkt, wo man den Prognos-Analytikern zumindest Oberflächlichkeit vorwerfen kann. Zwanzig Minuten bis zur nächsten Autobahn-Auffahrt mag vielleicht von Eschwege aus zutreffend sein, aber keineswegs von Sontra, Herleshausen, dem Ringgau, Hess. Lichtenau oder gar den Nordkreis mit Witzenhausen und Neu-Eichenberg, von wo aus in fünf bis zehn Minuten sowohl die A 7 in Nord – Süd als auch die A 38 in östlicher Richtung erreichbar sind und somit fast „vor der Haustür“ liegen. Dauerbaustelle Autobahn: Nach gut 10 Jahren Diskussion und Planung begann der Bau der A 44 Anfang der 2000er Jahre. Heute, gut zehn Jahre später, sind erst zwei Abschnitte unter Verkehr. Deshalb mahnten Landrat Stefan Reuß (l.) und Kreistagsvorsitzender Dieter Franz MdL bei der Eröffnung des Abschnittes Schulbergtunnel im Interesse des Wirtschaftsstandortes Werra-Meißner auch einen zügigen Weiterbau an. Zu dieser Studie aus dem November 2010 äußerte sich auch Landrat Stefan Reuß in einem Pressegespräch mit der Werra – Rundschau, das an dieser Stelle in Auszügen wiedergegeben werden soll: „WR: Wieder einmal ein Ranking der Regionen – überrascht Sie das Gesamtergebnis für den Werra-Meißner-Kreis? Stefan Reuß: Es ist immer wieder das Gleiche, da die Indikatoren, die angewendet werden nur sehr eingeschränkte Urteile zulassen und bekannt ist, dass diese zum Teil auch in ihrer Aussagekraft fragwürdig sind. Insofern sind bestimmte Ergebnisse überhaupt nicht überraschend. WR: Folgt man der Studie, so ist der Werra-Meißner-Kreis ein Kreis mit hohem Zukunftsrisiko. Teilen Sie diese Ansicht? 93 DER KREIS IM GEEINTEN DEUTSCHLAND  CHANCE UND HERAUSFORDERUNG 08

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