Chronik Werra Meißner Kreis

Über drei Jahrzehnte war die Kreisverwaltung in die klassische Ämterstruktur gegliedert – ob Kreisbauamt, Kreisgesundheitsamt, Kreissozialamt, Kreisjugendamt, Rechtsamt oder Hauptamt, all diese „Amts“ Bezeichnungen implizierten für die Bürger immer auch ein gehöriges Stück an staatlicher Obrigkeit und hatten oftmals auch ein gerüttelt Maß an Unbeweglichkeit zur Folge. Grundsätzlich ist in der Bundesrepublik Deutschland der Verwaltung auf allen Ebenen – und damit natürlich auch im Rahmen der Landkreise – die Funktion der Aufgabenerfüllung zugeordnet. Die dafür notwendigen politischen Leitentscheidungen trifft das Parlament in Form von Gesetzen und deren Ausführungsbestimmungen. Dieses Procedere hat ganz entscheidend zu den unbestrittenen Stärken der deutschen Verwaltung beigetragen und ursächlich deren Rechtsstaatlichkeit, Leistungsverlässlichkeit und die prinzipielle Gleichbehandlung aller Bürger begründet. Andererseits ist daraus unmerklich eine immer größere„Regelungswut“ entstanden, mit einem System von Kontrolle und Gegenkontrolle und Beteiligungsrechten unzähliger verschiedener Behörden. Dadurch wurde die Beachtung der Vorschrift wird immer mehr zum Selbstzweck und Flexibilität wie auch Ergebnisorientierung blieben auf der Strecke. Irgendwann kam der Moment, ab dem niemand mehr diese „gesetzgebend“ handelnde Verwaltung dazu zwang, auch die Effizienz und Effektivität ihres Handelns in Betracht zu ziehen. Diese Problematik ist von den Verantwortlichen des Kreises Mitte der 90er Jahre erkannt und in eine Diskussion um „neue Steuerungsmodelle“ in der Verwaltung eingebracht worden. „Alle Maßnahmen“, so Siegfried Rommel, der damalige „Büroleitende Beamte“ des Werra-Meißner-Kreises in seinem Beitrag zum 25. Kreisgeburtstag 1999, „welche die Verwaltung des Kreises zur Zeit durchführt und für die Zukunft plant (Budgetierung, Produktbildung, Kosten-Leistungs-Rechnung, Verstärkung des Wettbewerbs, Outsourcing, Informations- und Kommunikationstechniken etc.) haben insbesondere das Ziel die Leistungen für den Bürger stärker bedarfsbezogen und wirtschaftlicher zu erbringen.“ Um dies zu bewirken“, so Rommel weiter, „soll die Verwaltung des Werra-Meißner-Kreises in einem länger andauernden Prozeß von der bisher aufgabenorientierten Verwaltung zu einer produktorientierten Verwaltung umgewandelt werden. Diese Verschiebung zur Nachfrageorientierung bewirkt, dass das `Dienstleistungsunternehmen´ WMK künftig ein Produkt erzeugt, das vom Bürger nachgefragt wird.“ 337 Gewollter Nebeneffekt dieser Neuorientierung war natürlich auch eine stärkere Transparenz auf der Kostenseite, die bislang nur in Ansätzen vorhanden war: Den Bürgern musste in Zukunft klar sein, welche Kosten die von ihnen beim Kreis in Anspruch genommenen Leistungen verursachten. Nicht nur die Strukturen der Verwaltung wurden verändert, auch räumlich gab es eine wichtige Veränderung. Im Jahr 2006 konnte das neue Gefahrenabwehrzentrum des Kreises, welches auch die Tunnelleitzentrale Hessen beherbergt, eröffnet werden. Oft heißt es,„Alles hat seine Zeit“ und noch öfter hört man,„Alles braucht seine Zeit“. Beide Aussagen galten uneingeschränkt auch für die Modernisierung der Verwaltung unseres Kreises. Einerseits war sie unabdingbar, andererseits so komplex und hatte auch eine ganze Reihe politische Hürden zu nehmen, dass es bis in die zweite Hälfte des ersten Jahrzehnts im neuen Jahrtausend dauerte, ehe sie erfolgreich abgeschlossen war. Anfang 2007 war dann die Neugliederung der Kreisverwaltung abgeschlossen und aus den früher siebzehn Ämtern waren acht Fachbereiche mit insgesamt 315 Mitarbeitern geworden. Hinzu kam der bereits 1997 aus der allgemeinen Kreisverwaltung ausgegliederte und seinerzeit noch selbständige„Eigenbetrieb Gebäudemanagement“ mit Sitz im ehemaligen Witzenhäuser Landratsamt, der mit seinen 156 Mitarbeitern 42 Schulgebäude im Kreisgebiet verwaltete. Allerdings waren im Laufe der Zeit die Argumente für die Existenz des Eigenbetriebes – u. a. die schnellere Auftragsvergabe für die Modernisierung der Schulen Ende der 90er Jahre – durch die Umstellung der Verwaltung auf die doppische Buchführung 338 weggefallen, so dass das Gebäudemanagement 2013 wieder regulärer Teil der Kreisverwaltung und dem Fachbereich 7„Bauen und Umwelt“ zugeordnet wurde. Mit dieser Neuorganisation vollendeten Landrat Stefan Reuß und sein erster Beigeordneter Henry Thiele den noch unter dem Gespann Dieter Brosey und Theodor Leyhe begonnenen Umbau der Verwaltung. Die acht Fachbereiche bündelten verschiedene Ämter mit erhöhter Eigenverantwortung wie u. a. Budgetverwaltung und Personalwirtschaft. Die größten Fachbereiche sind Jugend, Familie, Senioren und Soziales sowie die frühere staatliche Verwaltung (Recht, Kommunalaufsicht, Wahlen, Straßenverkehrsbehörde mit KFZ-Zulassung und Gefahrenabwehr). 91 DER KREIS IM GEEINTEN DEUTSCHLAND  CHANCE UND HERAUSFORDERUNG 08

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