Autoren: Dr. Karl Kollmann / Dr. Herbert Reyer Von der Landvogtei an der Werra zum Distrikt Eschwege – Die Werra-Meißner-Region zwischen Spätmittelalter und Franzosenherrschaft Der hessisch-thüringische Erbfolgekrieg Der hessisch-thüringische Erbfolgekrieg zwischen 1247 und 1264 zeigt deutlich, welche Mächte Ansprüche auf das Werraland durchzusetzen suchten. Nachdem in Thüringen mit Heinrich Raspe, dem deutschen Gegenkönig, das ludowingische Landgrafenhaus erloschen war, stritten die wettinischen Markgrafen von Meißen, die welfischen Herzöge von BraunschweigLüneburg und die thüringische Landgrafentochter Sophie von Hessen für ihren Sohn Heinrich um das Erbe. Die Werrastädte gelangten kurzzeitig an Braunschweig, ehe schließlich das Werraland, d. h. seine Hauptorte, die ja von militärisch-strategischer Bedeutung waren, an Hessen kam. Für die junge aufstrebende Landgrafschaft Hessen lag im Werraland schließlich sogar die Grundlage ihrer späteren Erhebung zum Reichsfürstentum: Landgraf Heinrich von Hessen übertrug dem Reich im Jahre 1292 die Stadt Eschwege und erhielt daraufhin von König Adolf von Nassau die Reichsburg Boyneburg und auch Eschwege als unmittelbare Reichslehen. Als am Ende des hessisch-thüringischen Erbfolgekrieges die hessische Landgräfin Sophie und ihr Sohn Heinrich das Kind auf ihre Ansprüche auf Thüringen verzichteten, gelangten in ihren Besitz als Entschädigung jene„acht festen Plätze“ (castella) an der Werra, die den Grundstock für den Ausbau der hessischen Landesherrschaft in diesem Raum bildeten. Es handelte sich dabei um die Städte Witzenhausen, Allendorf und Eschwege und wahrscheinlich um den Fürstenstein bei Albungen, die (schon 1265 zerstörte) Westerburg oberhalb Soodens, den Altenstein östlich von Allendorf (jetzt im Kreis Eichsfeld/Thüringen), Bischoffshausen, das heutige Bischhausen (nördlicher Stadtteil von Witzenhausen), und den Arnstein im Norden Witzenhausens. Umstritten ist in der Forschung, ob nicht anstelle des Fürstensteins, der vielleicht erst 1301 mit den bilsteinischen Besitzungen an Hessen fiel, die Stadt Sontra in dieser Aufzählung zu nennen ist. Noch aber war mit diesen im Jahre 1264 gewonnenen „Plätzen“ kein einheitliches, zusammenhängendes Territorium landgräflichen Besitzes im Werraland geschaffen. Der Raum war am Ende des 13. Jahrhunderts von einer Reihe kleinerer adliger und geistlicher Herrschaften durchsetzt. Die Landgrafen bemühten sich seither kontinuierlich und mit wechselndem Erfolg, über all diesen Streubesitz ihre Landeshoheit durchzusetzen und zu behaupten. Die Städte und Ämter im Werraland Kristallisationspunkte der beginnenden Ausdehnung landgräflicher Herrschaft im Werraland waren die hier erworbenen neugegründeten Städte. Drei von ihnen besaßen übrigens schon, bevor sie der hessischen Landesherrschaft zugefallen waren, Stadtrechte: Witzenhausen erhielt 1225 Marktrecht und dürfte sich bis 1232/1247 zur Stadt entwickelt haben, Allendorf wurde zwischen 1212 und 1218 zur Stadt, Eschwege mag zwischen 1236 und 1264 Stadt geworden sein. Lichtenau indes ist eine Stadtgründung des hessischen Landgrafen Heinrich I.; nach einem gescheiterten Versuch der Stadterhebung Walburgs ließ er kurz vor 1289 mehrere Dörfer zur Stadt Lichtenau zusammenlegen. Sontra erhielt 1368 von Landgraf Heinrich II. das Marktrecht, Waldkappel wurde um 1570 Stadt, Wanfried erst 1608, und Großalmerode schließlich, das aber bis 1817 gemeinsam mit Wickenrode noch zum Amt Kassel-Neustadt bzw. dem Gericht Kaufungen gehörte, also nicht eigentlich dem„Werraland“ zuzurechnen ist, wurde erst 1775 von Landgraf Friedrich II. zur Stadt erhoben. Seit der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert bildeten die Städte Die territoriale Vorgeschichte der Region um Werra und Meißner 9 02
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