das Land auch hier durch umfangreiche Fördermittel erheblich zur Finanzierung des Gesamtkomplexes beitrug, hatte der Kreis doch einen beachtlichen Eigenanteil zu schultern. Nach der Inbetriebnahme des Erweiterungsbaus im Jahr 1998 konnte mit der Sanierung des Altbaus begonnen werden – komplett fertig gestellt war das Kreiskrankenhaus schließlich mit der Einweihung des neuen Bettenhauses 2004 bzw. der Eröffnung des Neubaus der Psychiatrie ein Jahr später. Nach dieser räumlichen und technischen Sanierung bzw. Modernisierung – im Bereich der Radiologie hatte sowohl in Eschwege als auch Witzenhausen modernste Technik in Gestalt von Computertomographie Einzug gehalten und in Eschwege gab es seit 1998 zudem einen Kernspintomographen – hatten beide Krankenhäuser allen Grund, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Doch es sollte anders kommen. Deutschlandweit befand sich das Gesundheitswesen im Umbruch und immer neue Reformen hatten vordringlich das Ziel, die stetig steigenden Kosten zu dämpfen. Gerade auch die kleineren Krankenhäuser in ländlichen Regionen, zu denen die Kliniken in Eschwege und Witzenhausen fraglos gehörten, waren enormen Kostendruck von Seiten der Krankenkassen und Wettbewerbsdruck der deutlich größeren Mitbewerber in den Oberzentren Kassel und Göttingen ausgesetzt. Weder der ausgezeichnete medizinische Ruf der beiden Häuser noch die selbstgesetzte Verpflichtung der Verantwortlichen, „… in einem ständigen Anpassungsprozess die Krankenhäuser zu humanen, leistungsfähigen und bürgernahen Gesundheitszentren auszubauen und fortzuentwickeln“ 312 bewahrte die Krankenhäuser davor, im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends in heftige Turbulenzen zu geraten. Wie viele andere Krankenhäuser auch, litten die beiden Häuser im Werra-Meißner-Kreis seit der Jahrtausendwende unter einer fatalen Dreifachbelastung: Sie erhielten weniger Geld bei wachsenden Aufgaben und sahen sich zudem einem stärkeren Konkurrenzkampf ausgesetzt. Es galt auch im Gesundheitswesen „die Kräfte zu bündeln“ zusammenzurücken und durch die so entstehenden Synergieeffekte Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit auszubauen. Für eine regelrechte Fusion war die Zeit noch nicht gekommen und so entschloss man sich für das Konstrukt der „Gesundheitsholding Werra – Meißner“, die als gemeinsame Dachgesellschaft die beiden weiterhin eigenständig bleibenden Krankenhäuser leiten sollte. Den Grundsatzbeschluss dazu fasste der Kreistag im September 2003, der ein halbes Jahr später, am 22. März 2004, mittels Änderung der Gesellschaftsverträge der Krankenhaus GmbHs in Eschwege vertraglich besiegelt und in Kraft gesetzt wurde. „Wichtig sei“, wie der damalige SPD – Kreistagsabgeordnete und dann Landrat Stefan Reuß im Zuge der Kreistagsdiskussion erklärte, „die Synergieeffekte durch Zusammenarbeit zu nutzen. Im Gegensatz zu anderen Landkreisen entziehe man sich nicht durch Verkauf der Kliniken der Verantwortung, sondern sorge durch eine weiterhin kommunale Trägerschaft für den Erhalt der Gesundheitsversorgung.“ 313 Die Geschäftsführer der Krankenhäuser in Eschwege und Witzenhausen, Heinz-Walter Eisenhuth und Heinrich Lampe, wurden zu gleichberechtigten Geschäftsführern der neuen Holding, die sich Mitte Dezember 2005 der Presse gegenüber als „gut aufgestellt“ präsentierte. Durch die neu gegründete Gesellschaft PRN (Prävention, Reha und Nachsorge) wurde u.a. auch die Orthopädie Hess. Lichtenau in den Holding-Verbund einbezogen. Kern der damals im Entstehen begriffenen „Gesundheitslandschaft Werra-Meißner“, die neben der Orthopädie in Hess. Lichtenau auch die Reha-Kliniken und das übrige medizinische Potenzial in Bad Sooden-Allendorf mit einbeziehen sollte, waren die Krankenhäuser in Eschwege und Witzenhausen, die, baulich runderneuert, mit ihren fast 1.100 Mitarbeitern von ihren Geschäftsführern der Öffentlichkeit als „Top Häuser“ präsentiert wurden. Binnen Jahresfrist stellte sich die Situation plötzlich ganz anders dar und alle hochfliegenden Pläne verschwanden in den Schubladen. Ende Oktober 2006 wurde von Seiten der politisch Verantwortlichen öffentlich eingestanden, dass die Situation der Krankenhäuser „dramatisch“ sei und der „Werra-Meißner-Kreis und den Erhalt der Kliniken kämpft“. 314 So ganz überraschend kam diese Feststellung von Seiten der Politik allerdings nicht, denn schon im Februar 2006 hatten an beiden Standorten die Beschäftigten in einem sogenannten „Sanierungstarifvertrag“ auf Teile ihres Gehaltes verzichtet und im Gegensatz eine Arbeitsplatzgarantie bis Ende 2009 erhalten. Allerdings musste auch die Politik einräumen, dass „… die Dramatik und Geschwindigkeit der schwierigen Entwicklung so nicht vorhersehbar“ 315 gewesen seien. Eine Entwicklung war in Gang gesetzt, deren erste Etappe am 5. Dezember 2008 mit dem Verkauf der Krankenhäuser an die in Kassel beheimatete „Gesundheit Nordhessen AG“ für einen, wie die Presse es formulierte, „… sensationell niedrigen Preis von 2,2 Mio. Euro“ 316 endete. Die „Gesundheit Nordhessen AG“, ein ebenfalls kommunales Gesundheitsunternehmen mit Stadt und Landkreis Kassel als Träger, hatte sich gegen die privaten Mietbieter Asklepios, Rhön-Klinikum und die Agaplesion AG durchgesetzt – letztere hatte schon seit dem Sommer 2007 erheblichen Einfluss auf die Geschicke der Häuser, denn ihre Tochtergesellschaft DFG Beratungs- und Betriebsgesellschaft war geschäftsführend für die Holding zuständig. Bevor es zu dieser Verkaufsentscheidung kommen konnte – die im Kreistag übrigens durch eine breite Mehrheit von 40 der 57 Abgeordneten quer durch alle Fraktionen getragen wurde – hatte es einen zweijährigen, teilweise turbulenten und schmerzhaften Diskussionsprozess über die Kliniken gegeben, die dabei, so Landrat Stefan Reuß während der Kreistagssitzung am 5. Dezember 2008, „… am Rande des Abgrunds standen.“ 317 84 DER KREIS IM GEEINTEN DEUTSCHLAND CHANCE UND HERAUSFORDERUNG 08
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