Der damalige Hessische Verkehrsminister Lothar Klemm erläuterte bei einem Vor-Ort-Termin den gefundenen Trassenkompromiss durch Losse- und Wehretal. Mit einem gewissen Neid können die Erbauer der A 44 (Lückenschluss) nach Norden blicken: Die Planung für die Südharzautobahn A 38 (Verkehrsprojekt deutsche Einheit Nr. 13) kam zwar später in Gang, wurde aber trotz einiger regionaler Widerstände deutlich schneller verwirklicht. Die A 38 verbindet die A 7 bei Göttingen mit dem Raum Leipzig und hat eine Länge von insgesamt 219km, wobei der Heidkopftunnel an der Landesgrenze zwischen Niedersachsen und Thüringen mit 1,7km Gesamtlänge das größte Einzelbauwerk der Gesamtstrecke darstellt. Die A 38 verläuft in unmittelbarer Nähe des Werra-MeißnerKreises, führt in der Gemarkung des Neu-Eichenberger Ortsteiles Marzhausen auf 1,6 km durch Kreisgebiet und ist damit auch zu einem wichtigen neuen Standortfaktor für die Wirtschaft in der Region geworden. Die Planungshoheit lag beim Bau der A 38 in Händen der fünf von der Trassenführung betroffenen Bundesländer und, anders als bei der A 44 ( Land Hessen), ging der Bund hier einen Sonderweg: Die Deutsche Einheit Fernstraßen-Planungsgesellschaft (DEGES) war federführend verantwortlich für Planung und Bau der Autobahn. Seit dem 22. Dezember 2009 rollt der Verkehr ungehindert nach Osten. Die Industrieregion Halle/Leipzig ist nun aus der Region Kassel/Göttingen schneller erreichbar. Aus für Traditionsindustrien Von dem Fall der Grenze und der Wiedervereinigung relativ unabhängig zu sehen ist der Niedergang der Traditionsindustrien im Werra-Meißner-Kreis. Zwar wurde dessen Geschwindigkeit durch den Wegfall von Grenze und dem dadurch bedingten Ende der Zonenrandförderung noch beschleunigt, war aber letztlich Folge des allgemeinen Strukturwandels und globaler Entwicklungen. Auch dieser Teil der Industrieregion Werra-Meißner existiert nicht mehr: Die Zeche Hirschberg bei Epterode. Stark in Mitleidenschaft gezogen wurden besonders Eschwege und Witzenhausen: Die Kreisstadt verließ der Landmaschinenhersteller Massey Ferguson, Paradebeispiel der Zonenrandförderung, und mit Pacoma blieb nur ein kleiner Teil zurück. Das Vertriebszentrum MF-AGCO war dann zwar noch einige Jahre im Verbund mit der DEULA in Witzenhausen präsent, ehe es 2007 nach Marktoberndorf in Bayern verlegt wurde. Ebenso verabschiedete sich der Pharma-Hersteller Woelm in Richtung Spanien aus der Kreisstadt und auch die Nachfolgefirma Jul-Phar konnte sich nicht halten. Von der großen Zeit der Tabakindustrie zeugt vor allem noch das Kautabakmuseum. Dies war in den 80er Jahren noch anders, als nicht nur – wie hier im Bild – Zigarren, sondern auch Kautabak in größerem Still im Kreis hergestellt wurden. Verschwunden sind, hauptsächlich in Witzenhausen, viele hundert Arbeitsplätze in der Möbel- und Textilindustrie – hier besaßen die Namen wie Jaeger, Steinfeld (Möbel) und JORA (Textil) jahrzehntelang einen guten Klang. Vergebens sucht man auch die ehedem blühende Zigarrenindustrie – hier schloss mit Leopold Engelhardt u. Co. im September 1990 die letzte und gleichzeitig bedeutendste Fabrik ihre Tore. Nur die museale Herstellung von Kautabak durch die vor 1945 im thüringischen Nordhausen beheimatete Firma Grimm & Triepel erinnert in Witzenhausen noch an die große Zeit der Tabakindustrie in der Region. 71 VON DER„SCHNITTSTELLE DER SYSTEME“ IN DIE MITTE EUROPAS 07
RkJQdWJsaXNoZXIy MTcxNzc3MQ==