Chronik Werra Meißner Kreis

Ein knappes Vierteljahrhundert nach der Wiedervereinigung bleibt allerdings auch festzustellen, dass es für den WerraMeißner-Kreis schwerer geworden ist, Investoren zu gewinnen und – dies als Folge des Fördergefälles zu Thüringen – selbst heimische Betriebe vor Ort zu halten. Beispielhaft für diese Entwicklung stehen die Bemühungen der Stadt Hessisch Lichtenau, die Fleischfabrik der KauflandKette mit 350 Arbeitsplätzen im Stadtgebiet anzusiedeln. Der Versuch scheitertete und die Kaufland-Manager entschieden sich für das neue Gewerbegebiet in Heiligenstadt, fast direkt an der neuen Autobahn 38 und gefördert durch das Land Thüringen. Getreu dem Motto, wo schon was ist, kommt immer noch mehr hin, haben sich rund um das Werk mehrere andere Betriebe niedergelassen. Beispiele sind Leitec und Würth. Große Hoffnungen richteten sich im nördlichen Werra-Meißner-Kreis auf den in Neu-Eichenberg geplanten Magnapark – mehrere tausend Arbeitsplätze im Bereich Logistik waren im Gespräch. Das Projekt war trotz nicht geringen Widerstandes aus der Bevölkerung weit gediehen, scheiterte aber letztlich nach langem Planungsvorlauf. Unter dem Eindruck einer globalen Wirtschaftskrise machte der englische Investor einen Rückzieher. Der Ruf nach neuen Verkehrswegen Es war im Jahr 1970, als Eschweger Geschäftsleute, vertreten durch die Werbegemeinschaft EWG, mit einer Resolution an die Öffentlichkeit gingen: Die Unternehmer forderten den Bau der Autobahn Kassel-Herleshausen und die Wiederaufnahme einer Planung, die bereits auf die Zeit vor dem Krieg zurückging. Man versprach sich insbesondere von der besseren Anbindung des Eschweger Raumes einen Aufschwung für Handel und Industrie und hatte dabei die südliche Nachbarstadt Bad Hersfeld im Blick. Damals verhallte die Forderung, erhielt dann aber mit dem Fall der Grenze ungeahnte neue Aktualität. Die tägliche Verkehrslawine im Ost-West-Verkehr vor Augen, die sich über die B 7 und B 27 sowie die B 80 und die B 249 wälzte, wurden die unterschiedlichsten Lösungsansätze der drängendsten Verkehrsprobleme diskutiert. Viele Gemeinden im Werra-Meißner-Kreis an den West-OstBundesstraßen litten unter Schwerlast- und PKW-Verkehr. Die B 7 im südlichen und die B 80 im nördlichen Kreis wurden plötzlich zu Hauptverbindungswegen im Ost-West-Verkehr und Gemeinden wie Schwebda, Frieda, Wanfried, Bischhausen und Oettmannshausen litten unter der immer größer werdenden Fahrzeugflut. Speziell im Nachwende-Jahr 1990 spitzte sich die Situation auf den Straßen des Werra-Meißner-Kreises dramatisch zu. Die Polizei zählte 55 Verkehrstote, was einen noch nie dagewesenen Negativrekord darstellte. Zum Vergleich: Aktuell waren in den letzten Jahren niemals mehr als zehn Verkehrsopfer pro Jahr zu beklagen. Insbesondere die B7 – hier in der Ortsdurchfahrt Fürstenhagen – war den Verkehrsmengen, die nach der Grenzöffnung ihren Weg durch den Kreis suchten, nicht gewachsen. In dieser Situation wurden vielerorts die Bürger initiativ. Entlang der B 7 begann die Diskussion um mögliche Ausbauvarianten, im Sommer 1990 blockierten Umweltschützer die B 27 bei Bad Sooden-Allendorf, und im Herbst des gleichen Jahres forderten die Einwohner des Großalmeröder Stadtteils Trubenhausen das Ende der unerträglichen Verkehrssituation und endlich den Bau einer Ortskernumgehung. In gewissem Maße konnte man zumindest die Unfallentwicklung durch eine bessere Verkehrslenkung, konsequentere Überwachung und bauliche Maßnahmen beeinflussen, aber um das Problem generell in den Griff zu bekommen, waren große Lösungen notwendig – sprich Ortsumgehungen –, insbesondere auch um die betroffenen Anwohner von Lärm und Gestank zu entlasten. Als erste Ortslage profitierte im Zuge der B 249 die Stadt Wanfried, dann durch den Bau eines Teilstücks der A 44 der Hess. Lichtenauer Stadtteil Walburg und das arg in Mitleidenschaft gezogene Trubenhausen. Andere Gemeinden (Frieda) sollen folgen. Mit dieser „Nach-Wende-Thematik“ nur mittelbar im Kontext stand der Bau des 530 m langen „Schürzeberg-Tunnels“ bei Oberrieden, der am 12. September 1992 vom damaligen hessischen Verkehrsminister Ernst Welteke seiner Bestimmung übergeben wurde. Vier Jahre hatten die Bauarbeiten an der 46 Mio. DM teuren Oberrieder Ortsumgehung gedauert, deren Kernstück, der Tunnel, allein über 30 Mio. DM verschlang. „Endlich hat es ein Ende mit Lärm und Gefährdungen in Oberrieden“, sprach der Minister aus, was in diesem Moment alle empfanden. Welteke rekapitulierte noch einmal die Geschichte des Baus, der 1986 mit dem Planfeststellungsverfahren begonnen 69 VON DER„SCHNITTSTELLE DER SYSTEME“ IN DIE MITTE EUROPAS 07

RkJQdWJsaXNoZXIy MTcxNzc3MQ==