Die schwierige Sache mit dem Müll Das Thema Asbest führt über den Umweg Abfallentsorgung hin zum Themenkomplex Umweltschutz, der seit Mitte der 70er Jahre nicht nur in der Politik, sondern auch im Denken und Handeln der Menschen ganz allgemein immer größeren Raum einnahm. Formal zuständig für die Belange des Umweltschutzes auf der Ebene der Kreisverwaltung zeichnete das Kreisbauamt, dessen „Zuständigkeiten sich über Hochbau, Baugenehmigungsbehörde, Untere Denkmalschutzbehörde, Wohnungsbauförderung, Immissionsschutz und nicht zuletzt die Zuständigkeiten für Abfallvermeidung, -transport, -verwertung und -beseitigung erstrecken.“ 258 Besonders in den Focus der Öffentlichkeit – und als Dauerthema auch in die politische Diskussion – rückte dabei der Themenbereich „Abfall und Entsorgung“. Seit der Verabschiedung des Hessischen Abfallgesetzes vom 21. Oktober 1971 waren den Landkreisen weitreichende Aufgaben auf diesem kostenintensiven und daher höchst sensiblen Gebiet übertragen worden. Nach Vollzug der Gebietsreform galt es für den sich gerade findenden Kreis eine gemeinsame Entsorgungsstrategie zu entwickeln und die dazu nötigen Deponieplätze zu finden. Vor dem Januar 1974 hatte man im Altkreis Witzenhausen zwei kreiseigene Deponien in Hess. Lichtenau/Föhren und Witzenhausen/Unterrieden, im Altkreis Eschwege gab es zwar keine kreiseigenen, dafür aber eine größere Anzahl gemeindeeigner Deponien. Nach heftigen Auseinandersetzungen über die Standortfrage und einer kurzfristigen Nutzung der Deponie Kathus im Nachbarkreis Hersfeld-Rotenburg, rückte die gemeindeeigene Deponie„Am Breitenberg“ der Gemeinde Meißner immer stärker ins Blickfeld der Verantwortlichen. Ab dem 1. April 1975 erst als Übergangslösung geplant, wurde zwei Jahre später auf Drängen der hessischen Landesregierung mit den Vorbereitungen für eine dauerhafte Verwendung des Breitenberges als Kreisdeponie begonnen. Nachdem ein vom Kreistag in Auftrag gegebenes hydrogeologisches Gutachten den Standort für unbedenklich erklärt hatte, konnte mit den Arbeiten zur Erweiterung der Deponie auf ein Endvolumen von 3,9 Mill. m3 begonnen werden. Am 30. Juni 1979 beschloss der Kreistag auf seiner Sitzung in Abterode ein Bündel von Vorlagen, das als sogenanntes „MüllPaket“ die Weichen für die Zukunft stellte und die Müll-Entsorgung im Werra-Meißner-Kreis langfristig regelte. Im Kern bestand das „Paket“ aus der Einrichtung der Abfallbeseitigungsanlage am Breitenberg, die Vertragsneufassung mit einem Deponieunternehmen und die Änderung der Gebührensatzung. Weiterhin wurde eine Sonderregelung für die Stadt Eschwege beschlossen, da diese über eine eigene städtische Müllabfuhr verfügte. Der umweltkonforme Ausbau der Anlage konnte also beginnen, zog sich hin und verschlang viele Millionen. „Deponie schluckt schon Millionen“, titelten die lokalen Medien z. B. im Herbst 1989 und ließen die bislang aufgelaufenen Kosten Revue passieren: „Nach 6,4 Millionen DM Baukosten schon 1988 werden sich die Investitionen für die Deponie in diesem Jahr auf rund 11,8 Mill. DM belaufen, zusätzlich noch über 500.000 DM für Grunderwerb. Allein die Abdichtungsarbeiten sowie die Dammversiegelung sind mit 8,2 Mill. DM veranschlagt (…) Für 1990 sind 6,6 Millionen DM Baukosten und 2,25 Mill. Für Grundstückskäufe im Investitionsprogramm veranschlagt, die Baukosten der nächsten Jahre bewegen sich bei jeweils fünf Millionen DM. Und die Ausgaben werden steigen, prophezeit Kreismülldezernent Leyhe, da der Stand der Technik ständig höhere Anforderungen stelle. Mit Hinweis auf die Vergabe von Aufträgen seit Anfang 1988 bis heute mit einem Volumen von ungefähr 21 Mill. DM betonte er: Soviel wird investiert für die Sicherheit. Folge sei, dass auch die Bürger entsprechend mehr zur Kasse gebeten werden müssten, auch wenn der Kreis nun vorrangig die Getrenntsammlung sowie Vermeidungsstrategien betreibe.“ 259 Die Zuständigkeit für die Abfallentsorgung lag bei Umweltdezernent Theodor Leyhe (r.) der sich des öfteren auch selbst ein Bild vor Ort machte. Während der einzelnen Ausbauphasen der Deponie kamen die jeweils modernsten Erkenntnisse und Methoden der Umwelttechnik und Sicherung zum Tragen. So wurden z.B. auf Grund von Vorgaben der Aufsichtsbehörden die Sickerwasserbehandlung von der Kläranlage Eschwege auf eine eigene Sickerwasserbehandlung umgestellt, moderne Basisabdichtung und Sickerwasserfassung eingeschlossen. Zusätzlich wurde die Anlage so konstruiert, dass das aus der Deponie gewonnene Gas über ein Blockheizkraftwerk zur Wärmeversorgung der Sickerwasserkläranlage und der Stromgewinnung eingesetzt werden konnte. Das Thema Abfall als solches blieb dem Kreis aber selbst nach dem umfangreichen und kostenintensiven Ausbau der Weidenhäuser Deponie als„Dauerbrenner“ erhalten. Neue gesetzliche Vorgaben des Bundes, die Gründung des Abfallzweckverbandes Werra-Meißner und die Auseinandersetzungen um das Heizkraftwerk der Firma SCA-Packaging in Witzenhausen sollten die Diskussionen – von denen an anderer Stelle noch zu berichten sein wird – noch bis weit über die Jahrtausendwende immer wieder neu entfachen. Und noch eine Entwicklung im Abfallbereich, deren langfristige Tragweite man damals weder im Kreis noch anderswo einzuschätzen vermochte: Im März 1983 wurde an der Universität in Witzenhausen die sogenannte „Biotonne“ entwickelt, die heute in Deutschland, Österreich, Belgien, Luxemburg, Schweden 59 SUCHEN UND FINDEN DER WEG DES KREISES BIS ZUM NOVEMBER 1989 06
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