Chronik Werra Meißner Kreis

Ein anderes wichtiges Thema im Werra-Meißner-Kreis jener Jahre war die Schulpolitik, ein Politikfeld mit besonderer Brisanz und teilweise auch voller Emotionen. Vor allem hier gilt das oben vorangestellte Postulat dieser Chronik, dass es schlechterdings jeden vernünftigen Rahmen sprengen würde, alle Entwicklungen der vergangenen vier Jahrzehnte ausführlich zu dokumentieren. Dazu unterliegt gerade die Bildungspolitik einem dauerhaften Wandel und manchmal sprunghaften Veränderungen – der Weg hin zu G 8 und aktuell zurück zu G 9 wird sicher nicht der letzte bildungspolitische Wechsel sein. Seit dem 1. Januar 1970 war den hessischen Landkreisen neben der Trägerschaft für Gymnasien und Berufsschulen vom Land die Verantwortung für die Grund-, Haupt-, Real- und Sonderschulen übertragen worden. Hinzu kam als weitere Pflichtaufgabe die Verantwortung für die Erwachsenenbildung, die ab Mai 1970 durch die Volkshochschulen ebenfalls den Kreisen zugeordnet wurden. Damit war man in den Landratsämtern quasi zu Bildungsmanagern geworden und stand nun in der nicht immer einfachen Pflicht, sowohl den Bedürfnissen von Kindern und Eltern Genüge zu tun, als auch die politischen Vorgaben der jeweiligen Landesregierungen und ihre doch manchmal divergierenden bildungspolitischen Vorstellungen umzusetzen. Für die verantwortlichen Kreispolitiker entstand durch die Gebietsreform besonders im Feld der Schulentwicklung eine höchst komplexe Situation, zumal sie die bislang„geteilte“ Schulpolitik nun an den Bedürfnissen des Großkreises orientierten mussten und – was erschwerend hinzu kam – die Ausgangsvoraussetzungen in den beiden Altkreisen keineswegs deckungsgleich waren. „Als der Großkreis geschaffen war“, erinnerte sich Erika Wagner 1998, „musste ja erst einiges aufgearbeitet werden, was noch nicht erledigt war. Zum Beispiel: Im Kreisteil Witzenhausen hatte man 1969 beschlossen, die Gesamtschule im Gesamtkreis einzuführen – und zwar einstimmig (…). Aber es fehlte das Drumherum, um die Schulen betreiben zu können. Bad Sooden-Allendorf war gebäudemäßig nicht arrondiert, da war ein Torso. In Großalmerode hat man noch Schichtunterricht (…) gemacht, weil die Räumlichkeiten nicht vorhanden waren. Witzenhausen war gerade fertig geworden, Hess. Lichtenau war noch nicht fertig. So wurde als Hauptaufgabe unmittelbar, nachdem die Kreise zusammengekommen waren, erst einmal Kassensturz gemacht und geschaut, was musste jetzt vorrangig besorgt werden. Und da war eine große Leistung, dass dann vorrangig im Altkreis Witzenhausen die Schulen fertig gestellt wurden. Das war eine große finanzielle Aufgabe, die wir aber einvernehmlich (…) geregelt haben. Dafür haben wir viele andere Dinge hier erst einmal zurückgestellt.“ 253 Im Sommer 1977 umriss Theodor Leyhe die bildungspolitische Aufgabe des Kreises ebenso kurz wie treffend: „Wir haben“, so der Erste Kreisbeigeordnete anlässlich der ersten Abiturfeier in den Beruflichen Schulen Witzenhausen, „die Aufgabe, so viel wie möglich Bildung zu vermitteln.“ 254 In diesem Kontext wurde die Kreisverwaltung im Sommer 1974 beauftragt, den Entwurf eines Schulentwicklungsplanes zu erarbeiten, der dann auch nach jahrelangen, teilweise mühevollen und zermürbenden Diskussionen am 9. Juli 1980 vom Kreistag beschlossen und durch Fortschreibungen den jeweiligen politischen Veränderungen angepasst wurde. Das Land Hessen hatte mit seinen Vorgaben für die Klassen 5 und 6 als Förderstufen und die Klassen 7 bis 10 als Sekundarstufe I in Form der additiven (= schulformbezogenen) oder integrierten (= schulformübergreifenden) Gesamtschule für reichlich Diskussionsstoff, beachtliches Konfliktpotenzial und teilweise heftige Auseinandersetzungen gesorgt. Das Gebäude der Beruflichen Schulen in Eschwege ist nur eines von vielen Beispielen für die erheblichen Investitionen, die an den Schulstandorten im neuen Werra-Meißner-Kreis getätigt wurden. 57 SUCHEN UND FINDEN  DER WEG DES KREISES BIS ZUM NOVEMBER 1989 06

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