Hier stand früh fest, dass Eschwege und Bad Hersfeld in ihrer Funktion als Kreisstädte an der damaligen „Zonengrenze“ gestärkt werden sollten. Deshalb gingen die Überlegungen des Landes sehr schnell in Richtung der später auch umgesetzten Lösung. Hinzu kam, dass mit der in dieser Linie befindlichen Gründung des Landkreises Hersfeld-Rotenburg im Jahr 1972 mit der Kreisstadt Bad Hersfeld die Südoption für den Landkreis Eschwege nicht mehr möglich war. Der Kreis Eschwege wurde durch diesen Schritt aber nicht geschwächt, sondern sogar gestärkt, da er um die Stadt Sontra, die diesen Wechsel auch selbst forderte, wuchs. Am westlichen Rand des Kreises Witzenhausen gab es eine ähnlich weichenstellende Entwicklung. Hier hatte sich ebenfalls bereits 1972 der neue Landkreis Kassel gebildet, der sich in Richtung Nordwesten (Wolfhagen, Hofgeismar) ausdehnte und dadurch bereits eine Größe erreicht hatte, die eine Hinzunahme des Kreises Witzenhausen ausschloss. Den Verantwortlichen im Landkreis Witzenhausen musste daher schon lange klar gewesen sein, dass es bei allen möglichen Konstellationen schwierig sein würde, den Sitz der zukünftigen Kreisverwaltung in Witzenhausen halten zu können. Der vom Land gewünschte Partner Eschwege hatte die Stärkung der Kreisstadt Eschwege als Ziel, und der Landkreis Kassel als Witzenhäuser Wunschpartner würde seinen Sitz in der Stadt Kassel auf keinen Fall aufgeben. Allerdings sah man bei den politisch Verantwortlichen des Kreises Witzenhausen eine letzte Chance, dem Kreisgebiet dauerhaft den Sitz der Kreisverwaltung zu sichern, indem man Hessisch Lichtenau als Sitz eines neuen Kreises aus den Teilen Melsungen, Witzenhausen und Eschwege ins Spiel brachte. Dass man damit beim Land Hessen und dem Kreis Eschwege wenig Gegenliebe fand, ist aus bereits genannten Gründen verständlich. Aber auch der andere potenzielle Partner in Melsungen war für diese Idee nicht zu gewinnen. Mit dem Scheitern dieses Planes machte sich bei vielen Beteiligten Ernüchterung breit, die sich noch dadurch verstärkte, dass das Land in einem Übermaß an Vorgaben auch noch den Namen des neuen Kreises vorbestimmt zu haben schien. Gerade aus dem Raum Hessisch Lichtenau gab es ganz erheblich Vorbehalte gegen den Werrakreis, hatte man doch nicht nur den Traum vom Titel Kreisstadt beerdigen müssen, sollte mehr noch, nun auch noch ein Kreisname kommen, der nur für den nord-östlichen Teil des neuen Kreises verbindend wirkte. Es entstand der Eindruck, als ob man gegen die vermeintliche Übermacht des Landes und der Interessen des Nachbarn Eschwege einfach keine Chance für ein aus eigener Sicht besseres Modell gehabt hätte. Dass es durchaus gute und nachvollziehbare Gründe für die vom Land favorisierte Lösung gab, wurde dabei zum Teil auch geflissentlich übersehen. Die Chance, wenigstens diese Geburtswehe des neuen Kreises zu lindern, ergab sich durch eine Anregung des Gebietsausschusses Werraland des Fremdenverkehrverbands Kurhessen und Waldeck. Dieser schlug vor, bei einer absehbaren Fusion der Landkreise Eschwege und Witzenhausen dem neuen Kreis den Namen „Werraland“ oder „Werra-Meißner-Kreis“ zu geben. 236 Der zweite Namensvorschlag wurde von allen Beteiligten dankbar aufgenommen. Anfangs favorisierte man allerdings noch die Reihenfolge Meißner-Werra-Kreis, was dann aber im anschließenden Gesetzgebungsverfahren doch schließlich zur Namensgebung „Werra-Meißner-Kreis“ führte. Der Kreistag in Eschwege machte am 23. Februar 1973 einstimmig den Weg zur Kreisgründung frei. 237 Witzenhausen folgte am 26. Februar 1973. Dort wurde mit 16 Ja-Stimmen und 10 Nein-Stimmen dem Vorschlag des Landes gefolgt. 238 Beide Kreistage signalisierten aber den Wunsch, den vom Land favorisierten Namen zu verändern, und so konnte aus dem im Gesetzentwurf vom 17. Mai 1973 noch „Werrakreis“ genannten Großkreis durch das Gesetz vom 28. September 1973 der „Werra-Meißner-Kreis“ entstehen. Der Gesetzentwurf der Landesregierung vom 17. Mai 1973 spricht noch vom Werrakreis erst im weiteren Gesetzgebungsverfahren im Landtag wird der Name in WerraMeißner-Kreis geändert. Eine Forderung aus dem Kreis Witzenhausen blieb allerdings unerfüllt. Der Innenminister legte nämlich fest, dass die Autokennzeichen der neuen Landkreise sich nach dem Namen der Kreisstadt zu richten hatten. So blieb es beim ESW und das seither immer wieder ins Spiel gebrachte WMK konnte bis heute nicht realisiert werden – ist aber durch die Wiedereinführung des WIZ im Jahr 2013 wohl auch endgültig ad acta gelegt worden. Gleichzeitig mit dem Gesetz zur Schaffung des Werra-Meißner-Kreises wurden auch alle gemeindlichen Neugliederungen abgeschlossen und alle sechzehn Kommunen des neuen Kreises erhielten ihre endgültige Form. Die Verwaltung des neuen Werra-Meißner-Kreises nahm am 1. Januar 1974 die Arbeit in der neuen Kreisstadt Eschwege und in der Außenstelle Witzenhausen auf. 45 DIE UNGELIEBTE REFORM VON FRÜHEN EHEN UND ZURÜCKGEWIESENEN AVANCEN 05
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