Die ungeliebte Reform – von frühen Ehen und zurückgewiesenen Avancen Autoren: Jörg Klinge / Matthias Roeper Der Werra-Meißner-Kreis verdankt seine Existenz einem Reformprozess, dessen Wurzeln in die späten 60er Jahre zurückreichen. Zwar hatte es auch bereits vorher immer wieder Kritik an zu kleinen und nicht effizienten Verwaltungseinheiten gegeben, die es aber bei der bloßen Aufzählung der Probleme beließ. So standen z. B. häufig den Bürgermeistern kleiner Landgemeinden keine entsprechenden Räumlichkeiten zur Verfügung, so dass die Amtsstube in der Küche der Familie des Bürgermeisters keine Seltenheit darstellte. An neue Verwaltungsmethoden, geschweige denn die Einführung moderner Technik, war unter diesen Bedingungen nicht zu denken. Darüber hinaus wurden die gesetzlichen Anforderungen an die öffentlichen Verwaltungen immer komplexer und konnten nicht mehr durch Klein- bzw. Kleinstverwaltungen mit Bürgermeister und nur einem weiteren Mitarbeiter, wie das sehr oft der Fall war, bewältigt werden. Freiwillig vor Zwang Den verantwortlichen Politikern war allerdings klar, dass eine Reform der kleinteiligen öffentlichen Verwaltungen nur mit einer Gebietsreform einhergehen konnte und diese ein durchaus „heißes Eisen“ darstellte. Erst das letzte Kabinett des langjährigen hessischen Ministerpräsidenten Georg August Zinn (SPD) leitete konkrete Schritte ein, um sowohl eine Reduzierung der Kommunen als auch der Landkreise zu erreichen. Um den Kommunen und Landkreisen diese in der Regel einschneidenden Veränderungen schmackhaft zu machen, wurden Anreize für einen freiwilligen Zusammenschluss durch Vergünstigungen im Kommunalen Finanzausgleich geschaffen. Bei Reformbeginn am 28. Februar 1969 gab es in Hessen 2642 Gemeinden, 39 Landkreise und 9 kreisfreie Städte – mithin eine Zahl, die sich bis zu deren Ende im Jahre 1977 grundlegend ändern sollte. Die nachfolgende Regierung unter Ministerpräsident Albert Osswald (SPD) und Innenminister Hanns-Heinz Bielefeld (FDP) setzte sich dann das Ziel, die Zahl der Gemeinden auf ca. 500 und die der Kreise auf ca. 20 zu reduzieren. Zum 31. Dezember 1971 hatte sich durch freiwillige Grenzänderungen die Zahl der Gemeinden bereits auf 1233 verringert. Eine Zwangszusammenlegung wurde für den Stichtag 1. Juli 1974 angekündigt. Das Ergebnis: Heute gibt es in Hessen 421 Gemeinden in 21 Landkreisen und fünf kreisfreie Städte. Gebietsreform in unserer Region Dass sich die öffentliche Verwaltung den geänderten Anforderungen anpassen musste, war auch den Verantwortlichen in den nordhessischen Landkreisen und Kommunen bewusst. Klar war den Beteiligten auch, dass die Veränderung vor allem bedeuten würde, größere Einheiten zu bilden. Doch darüber, wie weit eine solche Anpassung der Verwaltungsstrukturen gehen sollte und mit wem man sich auf eine „kommunale Ehe“ einlassen könnte, gingen die Meinungen zum Teil sehr weit auseinander, wobei das Spektrum von grundsätzlicher Ablehnung über die Einsicht in das Notwendige und damit auch Unvermeidliche bis hin zum Aufgreifen der vom Land gebotenen Chancen reichte. So begriffen einige Bürgermeister in der Aufforderung des Landes, sich freiwillig Partner für eine neue Großgemeinde zu suchen, als willkommene Gelegenheit, sowohl die finanzielle Situation ihrer Kommunen zu verbessern als auch ohnehin 41 05
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