Besonders erfolgreich zeigten sich – neben der Kurstadt Bad Sooden-Allendorf als unbestrittenem Zentrum des heimischen Fremdenverkehrs – die Städte Witzenhausen und Großalmerode sowie die Gemeinde Ziegenhagen, die schon seit 1957 staatlich anerkannter „Luftkurort“ war und 1969 noch zusätzlich das Prädikat „Kneipp-Kurort“ erhielt. Eine ähnliche Entwicklung war im Landkreis Eschwege zu beobachten. Hier lag der Schwerpunkt der Aktivitäten hauptsächlich bei den insgesamt elf Heimat- und Verkehrsvereinen, die, angefangen beim „Verkehrs- und Verschönerungsverein Eschwege“, über den Meißner, die„Hessische Schweiz“, den Ringgau bis hin nach Herleshausen, das gesamte Kreisgebiet touristisch betreuten. Dass diese in der Regel ehrenamtlichen Aktivitäten durchaus erfolgreich waren, zeigt die Verdreifachung der Übernachtungszahlen von 52.000 im Jahr 1957 auf 154.000 Ende 1965. Tourismusförderung war schon früh auch„Chefsache“. Das Bild zeigt Landrat Eitel O. Höhne mit Ruth Wolf und Elisabeth Beck in Tracht 1971 vor dem Berggasthof„Zur Boyneburg“. Eine ganz wichtige Einzelmaßnahme war in diesem Zusammenhang am 16. Februar 1962 die Schaffung des Naturparks „Meißner-Kaufunger-Wald“ durch die Landkreise Eschwege, Kassel und Witzenhausen. Im großräumigen Gebiet von Meißner und Kaufunger Wald wollte man mit dem Ausbau des Parks mehrere „Fliegen mit einer Klappe“ schlagen. Einerseits sollten Naturlandschaft, Tier- und Pflanzenwelt geschützt und der heimischen Bevölkerung gleichzeitig lärmfreie Erholungsgebiete erschlossen werden. Andererseits war dem Naturpark langfristig eine wichtige Rolle in der touristischen Vermarktung der Region zugedacht. Und so begann man mit einem dichten Netz an Wanderwegen, Parkplätzen und Ruhemöglichkeiten die notwendige Infrastruktur zu schaffen. Die Schaffung moderner Infrastruktur war ganz allgemein ein zentrales Anliegen jener Jahre. Immer problematischer gestalteten sich Ausbau und Zustand des heimischen Straßennetzes, das, teilweise noch aus dem 19. Jahrhundert stammend, für den modernen und zudem rapide wachsenden Kraftfahrzeugverkehr nicht ausgelegt war. Dies betraf die Bundes- und Kreisstraßen ebenso wie die teilweise gefährlich engen und verwinkelten Ortsdurchfahrten. Der Ausbau der Bundesstraße 7 (unten bei Waldkappel) und 27 (oben bei Bad Sooden-Allendorf) waren die beherrschenden Großprojekte im Verkehr, welche von den späten 60er bis in die 90er Jahre dauerten. Hier mussten von Bund, Land, Kreisen und Kommunen erhebliche Geldmittel aufgewendet werden, um die Verkehrsinfrastruktur zu modernisieren – so hatten z. B. die Kreisverwaltungen in Eschwege und Witzenhausen 1966 für den verkehrsgerechten Ausbau von 154 bzw. 90 km Kreisstraßen zu sorgen. Eine große Bedeutung für die Mobilität besaß damals noch der Schienennahverkehr, und beide Landkreise wiesen ein engmaschiges Schienennetz auf. Den Kreis Witzenhausen durchzogen die Bahnlinien Göttingen – Kassel bzw. Göttingen – Bebra mit dem Bahnhof Eichenberg als Drehkreuz. Von dort zweigte auch die sogenannte „Gelstertalbahn“ ab, die über Großalmerode, Walburg und Hess. Lichtenau nach Kassel führte. Die Fernverbindung Göttingen – Bebra verband auch den Kreis Eschwege mit dem Fernverkehr. Darüber hinaus gab es von Eschwege noch Bahnlinien nach Wanfried, über Waldkappel und Hess. Lichtenau nach Kassel sowie über Waldkappel und Spangenberg nach Treysa. Moderne Infrastruktur bedeutete vor allem auch die Anpassung der allgemeinen Lebensbedingungen an die Standards des 20. Jahrhunderts. So nutzte Witzenhausen z. B. bis 1962 noch das alte Abwassersystem aus dem Jahr 1902 und musste von 1962–1968 mit Millionenaufwand – die Stadt sprach damals von einem „Jahrhundertprojekt“ – 39 VON DER STUNDE„NULL“ ZUR GEBIETSREFORM 04
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