Alle diese Männer und die sie tragenden Parteien gingen nach der Verabschiedung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949, der Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der Wahl zum 1. Deutschen Bundestag am 14. August 1949 gemeinsam den langen Weg der Westintegration, die den jungen deutschen Staat schließlich wieder zu einem gleichberechtigten Mitglied der internationalen Völkergemeinschaft machte. Die Deutsche Teilung bringt die Region in eine Randlage Ein bitterer Wermutstropfen blieb allerdings erhalten und erinnerte sichtbar an das Unrecht, das in deutschem Namen von deutschem Boden ausgegangen war: Die „Deutsche Teilung“ und der immer undurchdringlicher werdende „Eiserne Vorhang“. Insbesondere die Menschen in den sogenannten „Zonenrandgebieten“, zu denen auch die Kreise Eschwege und Witzenhausen gehörten, wurden tagtäglich damit konfrontiert. Ihren Ursprung hatte diese Grenze in den sogenannten „Zonengrenzen“, welche die vier Besatzungszonen der unmittelbaren Nachkriegszeit voneinander trennten. Dabei lief die Grenzziehung nicht immer reibungslos und – wie auch in unserer Region geschehen – musste mitunter nachgebessert werden. Das ehemalige Kurhessen bzw. die Provinz Hessen-Nassau gehörten zur amerikanischen Zone und mit ihnen auch die Kreise Eschwege und Witzenhausen. Allerdings lief die für die Amerikaner wichtige Nord-Süd-Eisenbahnverbindung von Bremen über Hannover, Göttingen und Eichenberg bis Bebra nicht nur durch britisches Besatzungsgebiet, sondern im Raum Neuseesen/Werleshausen auf einer Länge von drei Kilometern auch durch die sowjetische Zone. Diese Bahnlinie – vom Volksmund in Anspielung auf die Trinkgewohnheiten der beiden Besatzungsmächte „Whisky-Wodka-Linie“ genannt – war ein dauernder Konfliktherd, der erst durch das sogenannte „Wanfrieder Abkommen“ vom 17. September 1945 beseitigt werden konnte. Die Verhandlungen zwischen den beiden Delegationen fanden u.a. im Keudelschen Schloss und im schwer bewachten damaligen Hotel Rexrodt (Ecke Martinsgasse/Kirchstraße) statt. Man einigte sich schließlich auf einen Gebietstausch, der die ehemaligen hessischen Dörfer Asbach, Sickenberg, Vatterode und Weidenbach/Hennigerode mit 429 Einwohnern und einer Fläche von 761 ha der sowjetischen und die ehemals thüringischen Orte Neuseesen und Werleshausen mit 560 Einwohnern und 845 ha Fläche der amerikanischen Zone zuordnete: Die Bahnlinie verlief nun vollständig durch amerikanisches Gebiet. Die Grenze hatte nun ihren endgültigen Verlauf erhalten, war aber in den ersten Jahren nach dem Krieg noch unbefestigt und wurde landläufig auch als „Grüne Grenze“ bezeichnet. Bewacht wurde sie zunächst von Angehörigen der Roten Armee, später übernahm diese Aufgabe dann die sogenannte „Kasernierte Volkspolizei“, im westdeutschen Sprachgebrauch kurz„Vopo“ genannt. WennauchdieDemarkationslinieentlangdemspäterenWerra- Meißner-Kreis zwischen Eichenberg im Norden und Herleshausen im Süden noch überwindbar war, kannten weder Russen noch Vopos Pardon, wenn sie Grenzgänger erwischten. Mitunter wurde auch scharf geschossen und selbst Todesfälle sind aus jener Zeit dokumentiert. Zeitzeugen aus Neuseesen erinnern sich, dass das Klima zwischen Ost und West in den frühen 50er Jahren aber noch ziemlich moderat war und es immer wieder auch einen „kleinen Grenzverkehr“ gab: Vopos besuchten in den Grenzorten die kleinen Läden, um Zigaretten und Bier zu kaufen und feierten mancherorts sogar die Kirmes mit. Besucher aus West-Berlin waren häufig zu Gast in der Region, schließlich unterhielt der Landkreis Eschwege und der Werra-Meißner-Kreis bis heute eine Partnerschaft mit dem Berliner Stadtbezirk Schöneberg-Tempelhof. Ursprung der Partnerschaft war ein Erholungsprogramm für Kinder aus Berlin-Tempelhof, welches auf die Zeit der Blockade West-Berlins 1948/1949 zurück ging. Das Bild zeigt den von 1967–1977 amtierenden Regierenden Bürgermeister von Berlin, Klaus Schütz, mit Landrat Eitel O. Höhne und entstand während eines Besuches von Schütz im Landkreis. Das änderte sich schlagartig mit dem 13. August 1961, denn nach dem Bau der Berliner Mauer wurde auch die innerdeutsche Grenze befestigt, vermint und immer mehr zu einer undurchdringlichen Todeslinie perfektioniert. Zwischenfälle mit sogenannten „Republikflüchtlingen“ gab es nun häufiger: Mal wurden Flüchtlinge beschossen, als sie versuchten die Werra zu durchschwimmen, mal wurden sie von Bodenminen verletzt oder sogar getötet. Für die Sicherheit auf bundesdeutscher Seite waren in der Region der Bundesgrenzschutz in Eschwege und der Zollgrenzdienst zuständig. Dabei war der Zoll durch seine Kommissariate in Netra, Wanfried und Witzenhausen näher dran und vermittelte der Bevölkerung ein Gefühl der Sicherheit. Viele der eigens für die Zollbediensteten gebauten Wohnblocks – so in Witzenhausen in der Straße Auf den Hecken – stehen in den früheren Grenzorten heute noch. 36 VON DER STUNDE„NULL“ ZUR GEBIETSREFORM 04
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