Chronik Werra Meißner Kreis

So mussten für den Kreis Eschwege im Juni 1946 insgesamt 42.347 und für den Kreis Witzenhausen rund 39.000 Fragebögen bearbeitet werden, denn die NS-Führer und Aktivisten – die man eigentlich hatte erfassen und bestrafen wollen – gingen in der Masse unter. Das Resultat dieser „Entnazifizierung“ war ernüchternd. Als im April 1948 die Spruchkammer Witzenhausen ihrer Arbeit beendete, waren insgesamt 14.239 Personen vom Befreiungsgesetz betroffen gewesen. Davon wurden 11.088 Fälle aufgrund der Jugend- und Weihnachtsamnestie 1947 als erledigt zu den Akten gelegt und lediglich 1.441 Fälle noch verhandelt. Von diesen galten 22 als entlastet und 1.146 als Mitläufer, 251 waren Minderbelastete, 21 Belastete und lediglich ein einziger wurde als Hauptschuldiger verurteilt. Beispielhaft für das gesamte Procedere mag das Verfahren gegen Dr. Gerber, den Landrat des Kreises Witzenhausen stehen, das die Hessischen Nachrichten am 27. Juni 1946 wie folgt kommentierten: „Es ist nun heute so, daß getreu den Vorbildern auf der Nürnberger Anklagebank keiner etwas getan haben will. Jeder ist unschuldig wie ein neugeborenes Lamm und wenn er wirklich, ja dann (…) hat er eben auf Befehl gehandelt, und wenn er diesen Befehl nicht befolgt hätte, wäre er ja selbst ins KZ gekommen. Man sollte es kaum glauben, daß das Hitlerregime so viel Gegner gehabt haben soll.“ Betrachtet man in diesem Zusammenhang die politische Entwicklung der beiden Landkreise bis zur Bildung des WerraMeißner-Kreises, so fällt als erstes die dominierende Rolle der SPD ins Auge, die sowohl in Eschwege als auch Witzenhausen zur maßgeblichen politischen Kraft wurde. Allerdings war diese Rolle im Altkreis Witzenhausen deutlich ausgeprägter – hier gelangen den Sozialdemokraten, mit Ausnahme der Kommunalwahl vom 25. April 1948, bei allen Kreistagswahlen bis 1972 Ergebnisse weit jenseits der 50 %-Marke und mit Wilhelm Brübach stellten sie vom 1. Juli 1946 bis zum 31. Dezember 1973 auch den Landrat. Etwas differenzierter stellte sich die politische Situation im Landkreis Eschwege dar. Zwar war die SPD auch hier ab 1956 die stärkste Partei mit Ergebnissen von 50 % + x und stellte mit Eitel O. Höhne seit dem März 1961 auch den Landrat, aber bis zur Kommunalwahl des Jahres 1956 war das politische Terrain doch deutlich vielschichtiger als bei den Witzenhäuser Nachbarn. Bei den Kommunalwahlen 1948 wurden die Sozialdemokraten mit 37,7 % hinter der LDP nur zweitstärkste politische Kraft und auch das Ergebnis der Kreistagswahlen des Jahres 1952 sah die SPD nur bei etwas mehr als 40 %. Die Wahlen 1960 und 1964 fanden ohne politische Beteiligung der CDU statt und das daraus entstandene politische Vakuum wurde durch eine starke „Überparteiliche Wählergemeinschaft“ (ÜWG) und die FDP ausgefüllt. Das 1959 entstandene Bild zeigt den damaligen Landrat Hansjochen Kubitz bei der Taufe eines Segelflugzeuges auf dem gerade eröffneten Segelfluggelände Staufenbühl bei Eschwege. Diese doch etwas andere politische Gemengelage macht es auch erklärlich, dass in den fünfzehn Jahren bis zum Amtsantritt Eitel Höhnes fünf Landräte im Eschweger Schloss residierten: Neben Wolfgang Hartdegen und Dr. Friedrich Alfred Busse, die als Männer der ersten Stunde ohne Mandat der Wähler bis zum Februar 1946 amtierten, noch der Sozialdemokrat Johannes Braunholz (1.7.1946–30.6.1948), Gerhard Pforr von der LDP (1.7.1948–30.6.1954) und schließlich Hansjochen Kubitz (BHE), dessen Amtszeit vom 5. Juli 1954 bis 15. Dezember 1960 dauerte. Im Gegensatz zur heutigen Zeit lag die Zuständigkeit für die Polizei in den fünfziger und sechziger Jahren zum Teil noch bei den Kreisen. Das Bild entstand um das Jahr 1952 und zeigt den damaligen Landrat Gerhard Pforr im Kreise der Beamten des Polizeikommissariats Eschwege vor dem Landgrafenschloss in Eschwege, in dem die Polizei bis 1958 mit untergebracht war. Landrat Eitel O. Höhne, ab 1961 Landrat des Kreises Eschwege, mit Polizeibeamten vor dem seinerzeitigen Behördenhaus in der Goldbachstraße in Eschwege. 35 VON DER STUNDE„NULL“ ZUR GEBIETSREFORM 04

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