Der Kreisausschuss setzte sich Anfang 1930 zusammen aus den Bürgermeistern Georg Domke (Witzenhausen), Hermann Böttner (Orferode) und Heinrich Wilhelm (Laudenbach), dem Druckereibesitzer Adolf Vogt, Lagerhalter Ebert und Arbeiter Paul Joerg. Als es Ende 1931 Überlegungen zu einer Auflösung des Kreises gab, machte sich der Witzenhäuser Magistrat für die Erhaltung stark. 207 Die politischen Veränderungen in der preußischen Regierung Ende Juli 1932 (der sogenannte„Preußenschlag“) schlugen auch auf die Verhältnisse in den Provinzen durch; SPDMitglieder wurden aus ihren politischen Ämtern verdrängt. Landrat Grönigers letzte Sitzungsleitung ist für den 2. August 1932 dokumentiert; am 10. August vertrat ihn Bürgermeister Wilhelm. 208 Am 22. August 1932 wurde er mit sofortiger Wirkung in den einstweiligen Ruhestand versetzt und der Wolfhagener Landrat v. Uslar mit der kommissarischen Verwaltung des Kreises beauftragt. 209 Ab 1. Oktober 1932 folgte auf ihn Dr. Ernst Beckmann (21.9.1893–27.8.1957) aus Marienberg, wo er Landrat des Oberwesterwaldkreises gewesen war, zunächst kommissarisch, ab Januar 1933 dann endgültig. Er war Mitglied der Deutschen Volkspartei gewesen und trat 1933 der NSDAP bei. Am 6. Januar 1933 wurde er zum Landrat gewählt und waltete seines Amtes im Sinne des NS-Staates. Bei der Kreistagswahl am 12. März 1933 erhielt die NDSAP nach der ersten Auszählung 12 Sitze, die SPD 6, die Nationale Arbeitsgemeinschaft 2, die KP und der Christlichsoziale Volksdienst je 1 Sitz. 210 Der gewählte Kreistag bestand aus: » Landwirt Wilhelm Otten, Kleinvach (NSDAP) » Maurermeister Gustav Bernhardt, Großalmerode (NSDAP) » Arbeiter Johannes Berus, Witzenhausen (NSDAP) » Landwirt Otto Hildebrandt, Oberrieden (NSDAP) » Metzgermeister Hartmann, Bad Sooden-Allendorf (NSDAP) » Landbundgeschäftsführer Karl Wahmke, Witzenhausen (NSDAP) » Justizinspektor Heinrich Knoth, Hess. Lichtenau (NSDAP) » Küfer Julius Goebel, Großalmerode (NSDAP) » Arbeiter Elias Peter, Wickenrode (NSDAP) » Hotelbesitzer Fritz von Velsen, Bad Sooden-Allendorf (NSDAP) » Landwirt Hermann Neumeier, Laudenbach (NSDAP) » Kaufmann Konrad Hildebrandt, Witzenhausen (NSDAP) » Bürgermeister Heinrich Wilhelm, Laudenbach (SPD) » Tabakwarenhändler Konrad Bischoff, Witzenhausen (SPD) » Lagerhalter Friedrich Toby, Witzenhausen (SPD) » Anstreicher Karl Lenz, Hess. Lichtenau (SPD) » Tonputzer Karl Traube, Großalmerode (SPD) » Lagerhalter Georg Ebert II, Wickenrode (SPD) » Malermeister Georg Jung, Hess. Lichtenau (KP) » Kaufmann Konrad Prediger, Großalmerode (Christlich-Sozialer Volksdienst) » Landwirt Hermann Böttner, Orferode (Nationale AG) » Kaufmann Chr. Hartmann, Bad Sooden-Allendorf (Nationale AG) Der neue Kreistag trat erstmals am 8. April ohne die linken Parteien zusammen; die Sitzung „stand ganz im Zeichen der erwachenden Nation“. 211 Einige linke Abgeordnete wurden in sogenannte Schutzhaft genommen, so am 27. März der Arbeiter Paul Joerg, der der KP angehörte. Am 2. April wurde auch der ehemalige Landrat Gröniger für neun Tage festgesetzt. 212 Der Kreisausschuss setzte sich Ende 1933 aus sechs Vertretern zusammen, dazu kam der Landrat Dr. Beckmann. Es waren dies: Bürgermeister Hermann Kolckhorst aus Witzenhausen, Kreisleiter Julius Goebel aus Großalmerode, Handwerkskammerpräsident Karl Bernhardt von dort, Kreisbauernführer Wilhelm Otten aus Kleinvach und die beiden Bürgermeister (nun „Gemeindeschulzen“) Hermann Böttner aus Orferode und Schröter aus Hermannrode. 213 Diese Zusammensetzung änderte sich bis 1939 nicht mehr; es fand keine neue Wahl statt. Man sieht – ähnlich wie in Eschwege – die Besetzung mit Funktionären der Partei. Im Zuge des Umbaues des Kreishauses wurde 1938 eine Dienstwohnung für den Landrat in unmittelbarer Nähe errichtet. 214 Im Juli 1938 wurde Beckmann in Kassel zunächst zum Regierungsvizepräsidenten und am 1. Juli 1944 zum Regierungspräsidenten ernannt. Bis zum Kriegsende hatte er dann auch das Amt des Oberpräsidenten inne. 1945/1946 verbrachte er ein Jahr in Internierungshaft. 215 Dr. Walter Gerber war zunächst ab Juli 1938 vertretungsweise tätig und wurde erst im April 1940 endgültig zum Landrat ernannt. Er blieb im Amt bis zum Ende der NS-Zeit 1945. In seiner Funktion nahm er am 21. November 1938 den Bericht von Bürgermeister Kolckhorst über die Ausschreitungen am 8. /9.11. entgegen. 216 Gerbers aktive Rolle bei der Verfolgung und Ausbeutung der jüdischen Bevölkerung in Witzenhausen lässt sich in mehreren Fällen gut belegen. 217 In der ersten Sitzung der Spruchkammer Witzenhausen beantragte der öffentliche Ankläger zwei Jahre Zwangsarbeit und Einziehung des Vermögens, das Urteil lautete hingegen auf zwei Jahre auf Bewährung, eine Geldbuße von 5.000 RM und Einstufung in die Gruppe der Minderbelasteten. 218 Dies ist somit ein weiteres Beispiel für den milden Umgang mit den Hauptverantwortlichen des NS-Regimes. Gerber war eifriger Verfechter einer Generalamnestie, trat 1949 dem „Schutzverband der Beamten“ bei und bewegte sich in Kreisen der LDP (später FDP), einem Sammelbecken ehemaliger unbelehrbarer Parteigenossen. 219 29 VERWALTUNGSGESCHICHTE DER KREISE ESCHWEGE UND WITZENHAUSEN 18211945 03
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