Chronik Werra Meißner Kreis

Mit Heinrich (Heino) Edwin Mordian von Bischoffshausen (26.11.1855–25.2.1933) gelangte, nahezu zeitgleich wie Alexander v. Keudell in Eschwege, auch in Witzenhausen ein Angehöriger des örtlichen Adels auf den Posten des Landrats. Damit war hier wie dort eine konservativ ausgerichtete Politik verbunden. Er erhielt die Stelle zunächst kommissarisch ab 9. September 1895 108, definitiv dann am 23. Mai 1896. 109 Wie seinem Kollegen in Eschwege lag auch ihm die landwirtschaftliche Entwicklung am Herzen. Die Viehzählung vom 1. Dezember 1897 ergab für den Kreis Witzenhausen einen Bestand von 1.510 Pferden, 8.816 Stück Rindvieh, 15.759 Schafen, 12.777 Schweinen und 6.509 Ziegen. Nahezu 1.000 Menschen waren in der Tabakindustrie beschäftigt, und es herrschte ein Mangel an Arbeitskräften, so dass z. B. im Jahr 1900 115 Arbeiter aus Polen eingesetzt waren. 110 Der Landkreis Witzenhausen bestand um 1900 aus 4 Städten, 56 Landgemeinden und 23 Gutsbezirken. 1900 waren 17 Landgemeinden ans Fernsprechnetz angeschlossen, Ende 1905 schon 37. Die Einwohnerzahl überstieg um 1900 die Grenze von 30.000. 111 War das Dienstfahrzeug des Landrats 1911 noch eine zweispännige Kutsche, so hatte er bis 1915 dann doch einen eigenen Kraftwagen angeschafft, den er auch dienstlich benutzte. Im August 1917 gab er seinen Dienst auf und ging nach Ratibor. Die Kreise Eschwege und Witzenhausen zur Zeit der Weimarer Republik und des „Dritten Reiches“ 1918–1945 Kreis Eschwege Die ersten Wahlen zum Kreistag im Kreis Eschwege nach dem 1. Weltkrieg ergaben eine sozialdemokratische Mehrheit von 13 Abgeordneten gegenüber 10 von den bürgerlichen Parteien. Der neu gewählte Kreistag trat am 2. Juni erstmals noch unter Leitung von Keudells zusammen, bei seiner nächsten Sitzung am 14. Juli unter Leitung von Dr. Bödiker. Den politischen Wechsel kann man gut an der Zusammensetzung des neuen Kreistags, der am 29. September 1919 zusammentrat, erkennen. Hier sind auch die politischen Zugehörigkeiten vermerkt; dem Parlament gehörten zwölf Mehrheits-Sozialdemokraten, ein Unabhängiger Sozialdemokrat, fünf Deutschnationale, vier Demokraten und ein bürgerlicher ohne Zuordnung an: 112 » Kaufmann Friedrich Hoßbach, Eschwege (MSPD) » Gastwirt Martin Henning, Eschwege (MSDP) » Stadtverordneten-Vorsteher Müller, Wanfried (MSDP) » Monteur Wilhelm Eimer, Waldkappel (MSPD) » Maler August Herzog, Frieda (MSDP) » Steinsetzer Wilhelm Bauhan, Germerode (MSDP) » Kohlenhändler Adolf Gimpel, Niederhone (MSDP) » Maurer Georg Mäurer, Oberdünzebach (MSDP) » Maurer Georg Wenzel, Schwebda (MSDP) » Aufseher Ferdinand Martin, Grebendorf (MSDP) » Maurer Johannes Krapf, Röhrda (MSDP) » Lotte Tolle, Eschwege (MSDP) » Maurer Karl Küllmer, Reichensachsen (USPD) » Rechtsanwalt Rühmekorb, Eschwege (DN) » Landwirt Ernst Beyer, Reichensachsen (DN) » Landwirt Peter Schönewolf, Germerode (DN) » Landrat a.D. Alexander von Keudell, Schwebda (DN) » Landwirt Adam Hoßbach, Rittmannshausen (DN) » Bürgermeister Dr. Fritz Stolzenberg, Eschwege (Dem.) » Landwirt Eduard Stemm, Abterode (Dem.) » Straßenmeister Wilhelm Flender, Oetmannshausen (Dem.) » Hauptlehrer Karl Wittich, Herleshausen (Dem.) » Fabrikant Ernst Weymar, Eschwege (Bürger) Mit Lotte Tolle saß erstmals eine Frau im Kreistag. Sie beendete ihre politische Karriere allerdings schon nach einem halben Jahr. In der Sitzung am 2. Oktober 1919 wurden die Mitglieder verschiedener Kommissionen gewählt. Regierungsassessor Dr. Rudolf Bödiker (geb. 25.3.1887), der inzwischen die Verwaltungsgeschäfte leitete, wurde, nachdem er schon seit Anfang 1919 dem Landrat „zur Hilfeleistung“ beigegeben worden war, 113 am 1.8.1919 kommissarischer Landrat in Eschwege, wechselte aber schon Ende Juli 1920 zum Landratsamt in St. Goar und dann 1923 nach Stettin. Noch am 16. Februar 1920 hatte sich der Kreistag für seinen Verbleib ausgesprochen. 114 Am 18. Juni 1920 wurden als Mitglieder des Kreisausschusses vereidigt: Bürgermeister Dr. Fritz Stolzenberg (war schon vereidigt), Rechtsanwalt Georg Rühmekorb, Landwirt Eduard Stemm, Kaufmann Friedrich Hoßbach, Kohlenhändler Adolf Gimpel und Schmiedemeister Heinrich Müller. 115 Der Kampf um die Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln gehörte zu den wichtigsten Aufgaben Bödikers in dieser Zeit. 116 Nach seinem Weggang beschäftigte sich der Kreistag ein Jahr lang mit der Nachfolgeregelung. 117 Der SPDKandidat Johannes Struve aus Kassel wurde dabei durch die rechten und linken Parteien im Kreistag blockiert, so dass er verzichtete. In dieser Zeit amtierte der Eschweger Bürgermeister Dr. Fritz Stolzenberg (27.1.1879–21.4.1934) in stellvertretender Funktion, bevor im Februar 1921 der bisherige Stadtrat Hermann Langer aus Kassel, zunächst wieder kommissarisch, den Posten übernahm, 118 obwohl sich der Kreistag im August 1921 nach wie vor uneinig war. Am 20. Februar 1921 war ein neuer Kreistag gewählt worden. Die 23 Sitze verteilten sich wie folgt: SPD 10, die konservative „Kreisarbeitsgemeinschaft“ 8, DDP 2, USPD 2 und KP 1. Folgende Abgeordnete saßen nun im Kreistag: 119 » August Herzog, Maler, Frieda (SPD) » Wilhelm Eimer, Isolierer, Waldkappel (SPD) » Heinrich Müller, Schmiedemeister, Wanfried (SPD) » Friedrich Hoßbach, Kaufmann, Eschwege (SPD) » Adolf Gimpel, Landwirt, Niederhone (SPD) » Georg Mäurer, Maurer, Oberdünzebach (SPD) » Wilhelm Schellhase, Geschäftsführer, Röhrda (SPD) » Heinrich Siegel, Bürgermeister, Reichensachsen (SPD) » Johannes Becker II, Arbeiter, Bischhausen (SPD) » Heinrich Thon, Arbeiter, Wommen (SPD) 23 VERWALTUNGSGESCHICHTE DER KREISE ESCHWEGE UND WITZENHAUSEN 18211945 03

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