Chronik Werra Meißner Kreis

Kreis Witzenhausen Adam Heinrich Uloth wurde am 7.11.1867 zum Abgeordneten der 2. Kammer für den Landkreis Kassel gewählt. Nachfolger Uloths wurde am 27. März 1868 der bisherige Landrat von Wolfhagen, Thomas Boch (23.6.1810–20.8.1875), der von 1838–1843 Kreissekretär in Eschwege gewesen war. 94 Dort hatte er am 26. November 1840 Caroline Friederike, die Tochter des Orgelbauers Eobanus Friedrich Krebaum geheiratet. 95 Thomas Boch war eines der am härtesten betroffenen Opfer der politischen Umwälzungen von 1850/1851 gewesen und hatte danach über zehn Jahre lang ohne Einkommen bei der Familie seiner Frau gelebt. 96 Boch zog Ende April 1868 von Wolfhagen nach Witzenhausen und erhielt 1.200 Taler Jahresgehalt. Er starb am 20. August 1875 in Witzenhausen an einem Schlaganfall. 97 Nachdem die Geschäfte kurzzeitig von dem Kreissekretär Sandrock geleitet worden waren, wurde die Stelle des Landrats am 23. Oktober 1875 dem bisherigen Landrat von Frankenberg, Christian Ludwig Friedrich Ernst Bernstein (12.1.1818– 20.5.1886), übertragen, der seinen Dienst am 15. November antrat. 98 Er war in seiner Amtszeit häufig krank bzw. in Kur. Vor seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienst Ende März 1884 wurde ihm der Titel„Geheimer Regierungsrath“ verliehen. 99 Ihm folgte mit Ernennung am 10. September 1884 Bernhard von Schenck nach, 100 der bereits seit dem 27. März 1884 zunächst kommissarisch tätig gewesen war. Seine Amtszeit ist durch viele Urlaube und Vertretungen gekennzeichnet, zumal er gleichzeitig Mitglied im Provinziallandtag war. 101 Im Verwaltungsbericht von 1887 trifft er die Feststellung: „Die allgemeine finanzielle Lage des Kreis-Communalverbandes ist eine recht günstige.“ Der Kreis zählte damals 29.348 Einwohner, davon 305 Juden, 276 Katholiken und 163 Religionslose. Sämtliche 84 Schulstellen waren besetzt, 5.642 Schüler besuchten die Schulen des Kreises. 102 Die Zusammensetzung des Kreistages am 1. März 1886 ist beispielhaft für die Verteilung von Mitsprache im Rahmen des Dreiklassenwahlrechtes. Dem Kreistag gehörten 19 Abgeordnete an, dazu kam als Vorsitzender Landrat v. Schenck. Sechs Vertreter aus der Reihe der Höchstbesteuerten waren sämtlich Gutsbesitzer, davon die meisten adliger Herkunft: Graf Karl von Berlepsch auf Schloss Berlepsch, Geheimer Regierungsrat William Mordian Arthur von Bischoffshausen zu Kassel, Forstmeister Emil von Buttlar-Ziegenberg zu Kassel, Landes-Direktor Eduard von Hundelshausen zu Kassel, Ökonomierat Andreae zu Büxleben und Gutsbesitzer Löbbecke zu Kassel. Es fällt auf, dass die meisten der Genannten gar nicht im Kreis Witzenhausen wohnten, dort aber große Güter besaßen. Als zweite Interessengruppe waren die Bürgermeister mit 10 Sitzen gut vertreten: v. Lorentz aus Witzenhausen, Oeste aus Allendorf, Lange aus Sooden, Rüppel aus Großalmerode, Klebe aus Walburg, Bertling aus Ellingerode, Brübach aus Oberrieden, Demme aus Berge, Gunkel aus Wickenrode und Hose aus Hausen. Sie werden vermutlich auch die Interessen der „kleinen Leute“ auf den Dörfern vertreten haben. Die Gruppe der Beamten und Handwerker war mit nur drei Sitzen repräsentiert: Oberförster Ide aus Witzenhausen, Gastwirt und Bierbrauer Müller von dort und Metzger Schmidt aus Allendorf. 103 Im Kreisausschuss, dessen Protokolle ab 2. April 1886 erhalten sind, saßen zu Beginn (unter Vorsitz des Landrats v. Schenck): Graf Karl von Berlepsch, bis März 1887; Gutsbesitzer Löbbecke bis November 1889, danach ausgeschieden wegen Verkauf seines Gutes; ferner die vier Bürgermeister v. Lorentz aus Witzenhausen (bis Anfang 1905), Möller aus Hess. Lichtenau (bis zum Tod am 3. März 1889), Lange aus Sooden (bis 1901) und Gunkel aus Wickenrode (bis Ende 1891). Von April 1887 bis Ende 1903 gehörte der Geheime Regierungsrat William von Bischoffshausen dem Kreisausschuss an, von 1889–1901 der Oberförster und zeitweilige Bürgermeister Jung aus Harmuthsachsen, Bürgermeister Löber aus Hess. Lichtenau von 1890–1899 und Freiherr Erich von Bodenhausen von 1892–1914. 104 Von Schenck wurde am 7. August 1895 mit der kommissarischen Verwaltung des Landkreises Hanau beauftragt, 105 kurz darauf auch mit der Stelle des landesherrlichen Kommissars beim dortigen israelitischen Vorsteheramt. Die Versetzung nach Hanau erfolgte aber offenbar erst im Februar des folgenden Jahres. 106 In von Schencks Amtszeit, in den Jahren 1889–1891, erfolgte der Neubau eines Verwaltungsgebäudes für den Kreis nördlich der Altstadt nach Plänen des sehr bekannten und bedeutenden Baumeisters Franz Schwechten (12.8.1841–11.8.1924). Es entsprach den damaligen Anforderungen und enthielt einen Saal für den Kreisausschuss, Büroräume für die Mitarbeiter und nicht zuletzt die Dienstwohnung für den Landrat. 107 Der repräsentative Bau wurde im September 1891 eingeweiht. Bis 1891 wurde dieses Gebäude in der Innenstadt von Witzenhausen als Kreishaus genutzt. Das 1891 eingeweihte neue Kreishaus in Witzenhausen thronte einst imposant über der Stadt und wurde durch Umbauten deutlich in der äußeren Ansicht verändert. 22 VERWALTUNGSGESCHICHTE DER KREISE ESCHWEGE UND WITZENHAUSEN 18211945 03

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