Trotz aller Bemühungen, Konzepte und Kooperationen steckte und steckt die E-Mobilität im Werra-Meißner-Kreis weiterhin in den Kinderschuhen, wofür zwei Beispiele aus der Kreisverwaltung geradezu symbolhaft stehen: Am 11. April 2018 verkündeten Landrat und Stellvertreter vor der Presse, dass der „Landkreis (…) auf E-Mobilität (…) setzt“ 431. Wer nun aber gedacht hatte, dass damit die Umrüstung aller Dienstwagen der Kreisverwaltung gemeint war, sah sich zumindest überrascht, denn in Wirklichkeit handelte es sich um 1 (!) E-Bike, das der Kreis für seinen Fuhrpark angeschafft hatte. Zwei Monate später wurde dann aber tatsächlich das erste Dienstauto des Kreises, dass rein elektrisch angetrieben wurde, in Betrieb genommen 432. Anfang Februar 2020 wurde die Elektromobilität mit der Maßgabe, den Werra-Meißner-Kreis zur „Modelregion für E-Mobilität“ zu machen zum Thema im Kreistag. 433 Im gleichen Kontext prognostizierte der Vertreter der EAM für 2030 die Zahl von 4.400 E-Autos auf den Straßen im Kreisgebiet. In 2019 waren es an gleicher Stelle allerdings erst deren 20. Weitaus intensiver gestaltete sich hingegen der Ausbau der Stromerzeugung durch erneuerbare Energien. Seit der Erstellung des Klimaschutzkonzeptes im Jahr 2011 hatte es einen merklichen Anstieg insbesondere bei Photovoltaik- und Windkraft-Anlagen gegeben. So stieg allein die Zahl der Windparks im Kreis bis 2019 von zwei auf sieben, mit 39 anstatt 6 Anlagen und einer erzeugten Stromleistung, die von 11,1 Mio. KWh auf 302,5 Mio. KW in die Höhe schoss. Insgesamt sind laut Regionalplan Nordhessen im Kreisgebiet 17 sogenannte „Windvorrangflächen“ mit insgesamt 1.415 ha Gesamtfläche ausgewiesen. Federführend und besonders aktiv im Kontext des Ausbaus erneuerbarer Energien ist die Bürgerenergie-Genossenschaft Werra-Meißner, die an mehreren Windparks im Kreisgebiet beteiligt ist. Konfliktfrei indes war der Ausbau der Windenergie in der Vergangenheit nicht und wird es auch absehbar in Zukunft nicht sein. Immer wieder wurden Planung und Bau von Windrädern vor allem durch Bürgerinitiativen, Naturschützer und – wie die Beispiele Großalmerode, Gertenbach, Ziegenhagen oder Ringgau zeigen – auch Städten und Dorfgemeinschaften heftig kritisiert und teilweise auch beklagt. Diese z.T. berechtigten lokalen Widerstände mit der für die Energiewende in großem Maße benötigten Windenergie in Einklang zu bringen, war bislang problematisch und wird es aller Voraussicht nach auch in Zukunft noch sein. Nicht minder problematisch sind für viele Menschen im Kreis die Trassenführungen der sogenannte„Stromautobahnen“, die die CO2-freie Energie aus den Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee quer durchs Land nach Süden bringen sollen. Schien der Werra-Meißner-Kreis anfangs von der Trassenführung des „Südlinks“ nicht betroffen zu sein 434, so drehte sich dies im Laufe der Zeit um 180 Grad. Geplanter Trassenverlauf des NordWestLink und des SuedWestLink. Nicht nur, dass die Südlink-Trasse inzwischen mitten durch den Kreis läuft und alle Proteste von Kreisgremien, Kommunen und Bürgerinitiativen vom Wind der Energiewende verweht worden sind, steht seit Februar 2024 fest, dass mit„Nordwest- und Südwestlink“ noch zwei weitere große Nord-Süd-Stromtrassen das Werra-Meißner-Land queren werden. Auch hier ging und geht die Einflussnahme der Bürger gegen null, womit die Akzeptanz der Energiewende nicht unbedingt erhöht wird. Neben der Gewinnung erneuerbarer Energien durch Wind bzw. Fotovoltaik war es vor allem das Projekt „Wärmewende Werra-Meißner-Kreis“ mit den beiden Modellvorhaben „Holzige Biomasse“ und „Energetische Quartiersanierung“, das gezielt vorangetrieben wurde. 435 Durch das zwar heftig umstrittene, aber dennoch im Herbst 2023 verabschiedete neue Gebäudeenergiegesetz (GEG) bekam das Thema Wärmewende durch die den Kommunen vorgegeben Schaffung sogenannter„Wärmepläne“ noch einmal zusätzliche Dynamik. Freiflächenfotovoltaikanlage im Werra-Meißner-Kreis. 127 FLUCHT, PANDEMIE UND KRIEG DEKADE DER HERAUSFORDERUNGEN 10
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