Chronik Werra Meißner Kreis

Expertisen veröffentlichten, oder es um Daten des „Statistischen Landesamtes“ ging, der Werra-Meißner-Kreis war überall entweder Schlusslicht oder im letzten Drittel zu finden. Folgt man den Schlagzeilen der heimatlichen Pressemedien, die diese Ergebnisse für die Menschen in der Region aufgearbeitet haben, müsste im Kreis mittlerweile eigentlich nur noch ein Bruchteil seiner 100.000 Einwohner beheimatet sein: „Kreis im Wirtschaftsranking auf hinterem Platz“ (Januar 2016), „Wirtschaftskraft: Kreis Schlusslicht in Hessen“ (Januar 2018), „Im Kreis wird hessenweit am wenigsten verdient“ (Juli 2019) und„Kreis bleibt ärmster Landkreis Hessens“ (2020). In der Gesamtbewertung des Wirtschaftsforschungsinstituts Prognos aus dem Jahr 2016 belegte der Kreis im Ranking der 402 untersuchten Landkreise und kreisfreien Städte Platz 280, was im Vergleich zur Studie aus dem Jahr 2010 immerhin eine deutliche Verbesserung um 90 Plätze bedeutete. Zugrunde gelegt wurden in diesem „Zukunftsatlas“ insgesamt 32 Kriterien, die, hier in sechs Stichpunkten zusammengefasst, folgendes Ergebnis brachten: » Demografische Entwicklung Rang 338 » Arbeitsmarkt Rang 112 » Wettbewerb und Innovation Rang 341 » Wohlstand und soziale Lage Rang 272 » Standortstärke Rang 262 » Entwicklungschancen Rang 342 Besonders negativ war die Einschätzung von „Focus Money“, die den Kreis von den insgesamt 381 untersuchten Landkreisen und kreisfreien Städten auf Rang 367 platzierte und ihm in Hessen als wirtschaftsschwächste Region darstellte. Ähnlich lasen sich die Daten des Statistischen Landesamtes, die für den Werra-Meißner-Kreis im Jahr 2017 einen durchschnittlichen Bruttojahresverdienst von 30.100 Euro errechneten und damit das geringste Pro-Kopf-Einkommen in Hessen überhaupt feststellten. Eine andere Statistik desselben Amtes vom Dezember 2020 befasste sich mit dem verfügbaren Netto-Einkommen hessischer Haushalte für den Zeitraum 2012–2018. Auch hier lag der Kreis mit 21.156 Euro für das Jahr 2018 (2012 = 18.330 Euro) auf dem drittletzten Rang unter den 27 hessischen Verwaltungsbezirken. Da nur für die Städte Kassel und Offenbach noch niedrigere Einkommen ermittelt wurden, wird in dieser Statistik die wenig erfreuliche Stellung des Werra-Meißner-Kreises als „ärmster Landkreis Hessens“ (siehe oben) festgeschrieben. Allerdings sind diese Zahlen für sich betrachtet nur bedingt aussagekräftig und geben ohne Relation zu den Lebenshaltungskosten nur wenig Aufschluss darüber, wie lebenswert eine Region tatsächlich ist. Deutlich positiver liest sich die Analyse des „Instituts der deutschen Wirtschaft“ aus Köln, die dem Werra-Meißner-Kreis im Sommer 2023 in den Bereichen, Wirtschaftsstruktur, Arbeitsmarkt und Lebensqualität sowohl „gute Werte“ als auch eine ebenso „gute Dynamik“ 421 bescheinigte. In diesem aktuellen Ranking belegt der Kreis Platz 82 von 400 untersuchten Landkreisen. Dass die Verantwortlichen alles dafür unternehmen, das„standing“ des Kreises auf allen Ebenen zu verbessern, liegt auf der Hand. Dazu erforderlich war auch eine Bündelung aller Kräfte, die der Kreis entsprechend im Bereich von Wirtschaftsförderung und Tourismusmarketing vorgenommen hat. In der zweiten Hälfte der 2010er-Jahre wurden so aus bis dato vier unterschiedlichen Institutionen bzw. Gesellschaften nur noch zwei: Ab Jahresbeginn 2017 war die Wirtschaftsfördergesellschaft (WFG) für den Bereich Wirtschaftsförderung in all ihren Ausprägungen zuständig und der „Geo-Naturpark Frau-HolleLand“ für die Vermarktung des Kreises als Tourismusregion. Nach wie vor problematisch hingegen stellt sich die Zahl der hier lebenden Menschen dar, die sich im letzten Jahrzehnt wie einbetoniert um die 100.000er Marke drehte und auch in allen Prognosen zumindest bis 2027 in etwa gleichbleiben wird. Ebenfalls wenig verändert zeigt sich dabei das Durchschnittsalter, das von 47,3 Jahren 2022 auf prognostiziert 47,6 Jahren in 2027 steigen dürfte. 422 Bedenkt man aber, dass sich die Einwohnerzahl des Kreises seit Beginn der 1990er Jahre um rund 16.000 oder 14 % verringert hat und dabei der Altersdurchschnitt deutlich gestiegen ist, so besteht hier für die Zukunft erheblicher Handlungsbedarf. 423 Der Masterplan „Älter werden im Werra-MeißnerKreis“ wurde am 6. November 2023 durch den Kreistag beschlossen. Diesem hat der Kreis in einem ersten Schritt durch die Fortschreibung des Masterplans Daseinsvorsorge zum Bereich „Seniorinnen und Senioren“ im Jahr 2017 Rechnung getragen und sich dabei besonders auf die Verbesserung des Pflegebereiches ganz allgemein sowie die Informations- und Beratungsstrukturen des kreiseigenen Seniorenbüros und Pflegestützpunktes konzentriert. Letztlich lautete das Credo des als solchen bezeichneten Masterplans Senioren „Zuhause alt werden dürfen“ 424. Ein weiteres Problemfeld dürfte sich in absehbarer Zeit im Gesundheitsbereich auftun, denn einer immer älter werdenden Bevölkerung steht ein zunehmender Mangel an Hausärzten gegenüber. Viele der aktuell noch praktizierenden Mediziner 124 FLUCHT, PANDEMIE UND KRIEG  DEKADE DER HERAUSFORDERUNGEN 10

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