Chronik Werra Meißner Kreis

Das Amt Ludwigstein besteht neben der Stadt Witzenhausen aus nur acht Dorfgemeinden, nicht weniger als 21 Dörfer und drei Höfe stehen dem Landadel zu. Sie gehören den v. Bischhausen, v. Berlepsch, v. Berge, v. Buttlar und v. Bodenhausen. Insgesamt werden 1.323 Hausgesessene gezählt. Das Amt Sontra schließlich mit seinen 1.480 Hausgesessenen besteht aus den vier „Gerichtsstühlen“ Sontra, Ulfen, Rockensüß und Wommen. Hinzu tritt das adlige Gericht der Treuschen. Die außerdem aufgeführten Adelsdörfer sind im Besitz der v. Diede, der v. Baumbach, v. Hundelshausen, v. Treusch und v. Trott zu Solz. Die hier genannten Ämter der Werra- Meißner-Region umfassen 1585 demnach 7.793 Hausgesessene. Das dürfte etwa einer Zahl von insgesamt 34.000 Einwohnern entsprechen. Ungefähr 13.000 Einwohner sind davon Hintersassen des Adels. Der „Ökonomische Staat“, der ansonsten eine umfassende statistische Übersicht über Besitz und Einkünfte der Landgrafschaft bietet, macht auch die Funktion der Amtsorganisation des hessischen Landesstaates deutlich: Die Ämter sind in erster Linie als Einrichtungen der landesherrlichen Finanzverwaltung zu verstehen: Die an ihrer Spitze als „landgräfliche Diener“ entgegentretenden adligen Amtmänner hatten in ihrem Amtsbereich den ihrem Landesherren zustehenden Anspruch auf Abgaben und Dienste durchzusetzen. Sie übten als persönliche Stellvertreter des Landgrafen dessen obrigkeitliche Gewalt aus. An der Seite des Amtmannes standen im 16. Jahrhundert in unterschiedlicher Anzahl bürgerliche Unterbeamte, sie erschienen als Rentmeister, Rentschreiber, Schultheißen und Vögte. Rentmeister und -schreiber waren die eigentlichen Finanzbeamten, Schultheißen und Vögte sowie Zentgrafen nahmen Aufgaben als Gerichtsvorsitzende wahr. Der voranschreitende Ausbau der Landesherrschaft führte zu einer wachsenden Aufgabendifferenzierung der Beamtenschaft und zu einer zunehmenden Reglementierung der Bevölkerung bis in die Dorfgemeinden hinein, deren Organe seit dem Spätmittelalter in den Landesordnungen schließlich immer häufiger für die eigenen Belange eingespannt und am untersten Ende der landgräflichen Beamten-hierarchie gesehen werden. Amtsträger der Dorfgemeinden – an ihrer Spitze erscheint im Norden der Werralandschaft der „Grebe“, im Süden der (Dorf-)Schultheiß – werden ausschließlich von der Herrschaft oder dem Amtmann eingesetzt, die anfängliche Mitwirkung der Gemeindemitglieder ist in der frühen Neuzeit kaum mehr erkennbar. Selbst das unterhalb dieser herrschaftlichen Dorfvorsteher anzusiedelnde, von der Genossenschaft herzuleitende Mehrmännerkollegium der „Vormünder“ oder (Gemeinde-)Vorsteher oder – wie es im Südosten um Wanfried herum bezeichnet wird – der „Heimbürgen“ gerät unter den Einfluss der Landesherrschaft und wird für deren Zwecke vereinnahmt. Diese Entwicklung findet ihren vorläufigen Höhepunkt in der 1739 erlassenen hessischen „Grebenordnung“, durch die erstmals umfassend für die Landgrafschaft die Einführung einer einheitlichen Dorfverfassung versucht wird. Die Rotenburger Quart Seit dem 17. Jahrhundert bildet das Werratal das Kernstück eines kleinen souveränen (eingeschränkt souveränen) Fürstentums, der Rotenburger Quart. Mehr als zwei Jahrhunderte beherrschte das merkwürdige Nebeneinander von rotenburgischer Amtsbefugnis und Kasseler Oberhoheits- und Vorbehaltsrechten, die von „Reservaten-Kommissaren“ wahrgenommen wurden, das politische Bild unserer Region. Landgraf Moritz hatte sich 1627 bei seinem Rücktritt eine Ausstattung seiner Kinder aus zweiter Ehe ausbedungen, denen 1628 der vierte Teil des Landes, die„Quart“, überlassen werden musste; zu ihr zählen seither die Schlösser, Städte und Ämter Rotenburg, Sontra, Eschwege, Wanfried, Witzenhausen, außerdem der hessische Anteil an Treffurt und der 1571 an Hessen gefallene ehemalige Herrschaftsbereich der v. Plesse mit Gleichen. Als Hauptort der Quart und damit als Namensgeber erscheint Rotenburg. Nachdem das Haus Hessen-Rotenburg Mitte des 17. Jahrhunderts in den Besitz der Niedergrafschaft Katzenelnbogen gelangt war, verlor der ursprüngliche Bereich der Quart seine Bedeutung. Landgraf Ernst residierte auf Rheinfels, Rotenburg büßte zunächst seine Funktion als Residenzstadt ein. Die zeitweise Teilung des Ländchens unter seine Söhne Karl und Wilhelm führte zu einer Wiederbelebung Rotenburgs als Residenz durch Wilhelm, der hier freilich nicht ständig anwesend war, und zur Bildung einer Hofhaltung in Wanfried, wo sich Karl niederließ. Die Wanfrieder Linie erlosch jedoch schon 1755 ihr Anteil fiel damit wieder an Rotenburg zurück. Teil des „Königreiches Westphalen“ Ein vorläufiges Ende der Rotenburger Quart tritt mit der französischen Besetzung im Jahre 1806 ein. Mit der Errichtung des Königreiches Westphalen 1807, an dessen Spitze Napoleon seinen Bruder Jérôme stellte, wurde die Verwaltung nach französischem Muster umgebildet: Jérôme, der in Kassel residierte, hob nicht nur die bis dahin weiterbestehende Patrimonialgerichtsbarkeit des Landadels auf, sondern trennte auch Justiz und Verwaltung, die bisher von ein und derselben Person, dem Amtmann, versehen worden waren. Neben der Verwirklichung dieser aus der Französischen Revolution herrührenden freiheitlichen Prinzipien wurde eine völlige Neuorganisation des Landes vorgenommen. Das Königreich zerfiel in Departements, die zumeist nach den wichtigen sie berührenden Flüssen benannt waren, diese waren in Distrikte, diese wiederum in Kantone gegliedert. Die Grenzen waren recht willkürlich gezogen und haben in den wenigsten Fällen auf die historischen Gegebenheiten Rücksicht genommen. Das Departement der Werra als südlichstes des Königreiches erstreckte sich von Marburg bis nach Eschwege, Hauptstadt war Marburg. Die Werralandschaft, erweitert im Südwesten durch Landstriche um Spangenberg und Nentershausen, fand sich im Wesentlichen im Distrikt Eschwege wieder. Sämtliche Orte rechts der Werra gehörten zum Distrikt Heiligenstadt im Harzdepartement, der Raum um Großalmerode war Teil der Fuldadepartements. An der Spitze des Distriktes stand ein „Unterpräfekt“. Zum Eschweger Distrikt zählte übrigens auch das schmalkaldische Gebiet. 1813 bestanden im Distrikt Eschwege (ohne Schmalkalden) folgende Kantone: Aue, Reichensachsen, Netra, Bischhausen, Nentershausen, Spangenberg, Lichtenau, Witzenhausen und Sooden. Die Befreiungskriege setzten der Franzosenherrschaft 1813 ein Ende. 1814 wurden die hessischen Ämter wiederhergestellt, und auch die Rotenburger Quart lebte noch einmal für wenige Jahre auf, bis sie 1834 erlosch. 12 DIE TERRITORIALE VORGESCHICHTE DER REGION UM WERRA UND MEISSNER 02

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