Chronik Werra Meißner Kreis

Pressetermin am 19. Mai 2017: Die Landesregierung würdigt dritten ausgeglichenen Haushalt. v.l.n.r. Lena Arnoldt (MdL, Fraktionsvorstand CDU), Dr. Bernadette Weyland (Hess. Landesregierung), Stefan Reuß (Landrat), Sigrid Erfurth (MdL, Fraktionsvorsitzende B90/DIE GRÜNEN), Dr. Rainer Wallmann (Erster Kreisbeigeordneter), Lothar Quanz (Fraktionsvorsitzender SPD), Dieter Franz (Kreistagsvorsitzender) Dass diese positive Entwicklung keine Eintagsfliege war, bestätigte sich Ende November 2015 bei der Einbringung des Haushalts für 2016, der, laut vorsichtiger Prognose, mit einem Überschuss von etwa einer Viertelmillion abschließen sollte. Aus dieser Viertelmillion wurde bis zum September 2016 dann ein mehr als deutliches Plus von 5,5 Mio. Euro, das den Kreis nunmehr auch in die Lage versetzte, „Altdefizite auszugleichen und in die Zukunft zu investieren.“398 In ähnlichen Dimensionen entwickelten sich die Haushalte der kommenden Jahre, so dass man bereits Ende Januar 2018, also vier Jahre früher als geplant, den kommunalen Schutzschirm des Landes Hessen wieder verlassen konnte. Damit übernahm das Land Hessen fast 20 Mio. Euro Schulden, die sich in der Vergangenheit angesammelt hatten, und attestierte dem Kreis darüber hinaus, „bei der Konsolidierung ein hohes Tempo vorgelegt zu haben.“399 Auf die Gründe für diese rasante und überraschend positive Entwicklung angesprochen, verwies Landrat Stefan Reuß u.a. auf die seinerzeit herrschende Niedrigzinsphase, die „für alle öffentlichen Haushalte natürlich ein Segen“400 gewesen sei, sowie die uneingeschränkt positive konjunkturelle Lage. Zukünftig war der Kreis nun dauerhaft zu einem ausgeglichenen Haushalt verpflichtet und musste sich gleichzeitig einer zusätzlichen Netto-Neuverschuldung enthalten. Nächstes Ziel auf dem Weg hin zur nachhaltigen finanziellen Gesundung war der Abbau der Kassenkredite. Ähnlich wie beim Schutzschirmprogramm stand auch hier wieder das Land bereit, dieses Mal mit dem speziellen Unterstützungsprogramm der sogenannte „Hessenkasse“, mit deren Hilfe die Kassenkredite von Kreisen, Städten und Gemeinden abgelöst werden konnten. Nachdem am 7. Mai 2018 der Kreistag den Beitritt zur Hessenkasse beschlossen hatte, wurden mit Stichtag 17. Dezember 2018 47,6 Mio. Euro Schulden, die durch Kassenkredite aufgehäuft worden waren, vom Land Hessen übernommen. Natürlich ging auch dies nicht ohne Eigenleistung, denn die Hälfte der Gesamtsumme muss an das Land zurückgezahlt werden. Gewählt wurde hier ein Ratenmodus in Höhe von 25 Euro pro Einwohner und Jahr – der Kreis muss also bis Ende 2027 jedes Jahr rund 2,5 Mio. Euro als Tilgung an das Land überweisen. Die positive Haushaltsentwicklung setzte sich in den kommenden Jahren fort – zwar nicht immer auf der Höhe des Jahres 2016 – aber kontinuierlich im positiven Bereich. Fast das gesamte vergangene Jahrzehnt hatte dieser Haushaltstrend Bestand, ehe er ausgerechnet im Jubiläumsjahr 2024 in den negativen Bereich drehte. Noch für 2023 wies der Jahresabschluss einen Überschuss von rund 2 Mio. Euro aus401 – an ein solches Ergebnis ist im laufenden Haushaltsjahr 2024 noch nicht einmal ansatzweise zu denken. Bereits bei der Einbringung des Etats Mitte Dezember 2023 war deutlich geworden, dass sich der eingebrachte Haushaltsansatz mit 198 Mio. Euro auf der Einnahmen- und 213 Mio. Euro auf der Ausgabenseite nicht nur weit weg von den mittlerweile gewohnt positiven Zahlen bewegen, sondern mit einem prognostizierten Minus von über 14,5 Mio. Euro in rekordverdächtigen Negativsphären bewegen würde. Dennoch wurde er von den Mehrheitsfraktionen im Kreistag „zähneknirschend gebilligt“, wobei diese allerdings im gleichen Atemzug „ernsthafte Sparbemühungen der Kreisverwaltung einforderten“. 402 Die Forderung nach Sparbemühungen ist das Eine, Möglichkeiten solche zu finden und sie dann vor allem auch mit signifikanten Auswirkungen auf die Ausgabenseite umzusetzen, das Andere. Dies insbesondere auch, weil – wie alle Fraktionen im Kreistag unisono monieren – von Bund und Land den Kreisen immer neue Aufgaben zugeordnet werden, ohne dass im Gegenzug die finanzielle Ausstattung entsprechend verbessert wird. Letztlich führt dieses Vorgehen dazu, dass „dreiviertel des Kreishaushaltes nicht mehr zu beeinflussen sind “403, was nicht nur aktuell im Werra-Meißner-Kreis, sondern in fast allen hessischen Landkreisen zu ähnlich gelagerten Finanzproblemen führt. Für den Werra-Meißner Kreis bedeutet dieses Szenario, dass sich im ersten Quartal des laufenden Haushaltsjahres 2024 bereits ein Verlust von ca. 2 Mio. Euro ergeben hat und sich der Haushalt für das Gesamtjahr so entwickeln wird, wie bei der Einbringung des Etats prognostiziert wurde. Dabei dürfte die finanzielle Talsohle, wie es Landrätin Nicole Rathgeber auf der Kreistagssitzung im Mai 2024 berichtete, noch lange nicht erreicht sein. „Trotz des erheblichen Defizits im Jahr 2024“, so die Verwaltungschefin, „…das auch durch eine hohe Ausgleichszahlung von 5,5 Mio. Euro an das Klinikum geschuldet ist, sei das laufende Haushaltsjahr noch ein Schonjahr. Die Prognosen zeigten, dass 2025 noch viel schlimmer werde.“ Auch wenn die Fachbereichsleiter der Kreisverwaltung deshalb erneut aufgefordert 119 FLUCHT, PANDEMIE UND KRIEG  DEKADE DER HERAUSFORDERUNGEN 10

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