Chronik Werra Meißner Kreis

Als Folge all dieser politischen Turbulenzen begannen ab Mitte Dezember erste Gespräche zwischen SPD und CDU, um die Möglichkeit einer„Großen Koalition“ auszuloten. Mitte Januar 2023 wurde diese Option dann konkret: Die Sozialdemokraten beendeten ihre Zusammenarbeit mit den Grünen und schlossen stattdessen ein Bündnis mit der CDU. Diese Koalition stellte in der Geschichte des Werra-MeißnerKreises eine ebensolche Zeitenwende dar, wie bereits im Herbst 2021 die Wahl Nicole Rathgebers zur Landrätin. Zwar war die neue Verbindung laut den Aussagen beider Partner „keine Liebesheirat“ 393, bedeute aber eine stabile Mehrheit im Kreistag (39 von 61 Sitzen) und sei deshalb – auch angesichts der bestehenden und zukünftigen Herausforderungen – für den Kreis das Beste. Um diese Mehrheit auch im täglichen Geschäft zu verankern, gestand die CDU den Sozialdemokraten die Position des Ersten Kreisbeigeordneten zu, womit die SPD wieder direkten Zugriff auf das Landratsamt erhielt. Amtseinführung und Vereidigung des Ersten Kreisbeigeordneten Friedel Lenze am 1.3.2023 im Kreistag. Im Gegenzug bekam die CDU das Zugriffsrecht auf die neu geschaffene Position eines zweiten hauptamtlichen Beigeordneten und den Vorsitz im Kreistag. Entsprechend dieser Vereinbarungen wurde der bisherige Kreistagsvorsitzende Friedel Lenze am 1. März 2023 zum Ersten Kreisbeigeordneten und der CDU-Abgeordnete Peter von Roeder zum neuen Kreistagsvorsitzenden gewählt. Mit der Änderung der Hauptsatzung wurden gleichzeitig die rechtlichen Voraussetzungen für die Wahl eines weiteren hauptamtlichen Beigeordneten geschaffen, die dann – allerdings begleitet von erheblichem politischen Widerstand in der kreisweiten Öffentlichkeit – am 1. Juni erfolgte und den bereits im Herbst 2022 von der CDU ins Rennen geschickten Dr. Philipp Kanzow in das neu geschaffene Amt brachte. Die Kreisspitze war nun wieder komplett, dabei erstmals in der Geschichte des Werra-Meißner-Kreises zu dritt. 394 Bemerkenswert – und deshalb an dieser Stelle auch zu dokumentieren – ist das Ergebnis der Wahlen zum Hessischen Landtag vom 9. Oktober 2023, die auch für den Werra-Meißner-Kreis eine dramatische Verschiebung der politischen Kräfteverhältnisse mit sich brachten. Unter der Schlagzeile „Rechtsruck ist haarsträubend“ bewertete die Lokalpresse das Wahlergebnis als „deutlichen Sieg für die CDU, enorme Zuwächse für die AfD, eine Klatsche für Grüne und SPD“ 395. „Tief enttäuscht“ zeigte sich deshalb auch der SPD-Unterbezirksvorsitzende Knut John aus Eschwege, dessen Partei im gesamten Werra-Meißner-Kreis als eine ihrer einstigen Hochburgen herbe Verluste hinnehmen und den Christdemokraten die„Pole Position“ überlassen musste. Damit lagen die Verluste der Sozialdemokraten zwischen Werra und Meißner ebenso voll im Landestrend wie die der Grünen und die Gewinne der Christdemokraten, die in beiden Wahlkreisen, die das Kreisgebiet abdeckten, stark zulegten und mit Abstand zur führenden politischen Kraft auf Landesebene wurden. 396 Ebenfalls hohe Zuwächse verbuchen konnte die rechtspopulistische AfD, die sowohl im Wahlkreis 9 „Eschwege-Witzenhausen“ als auch im Wahlkreis 10 „Rotenburg“ Zuwächse von über 5 % erreichte und mit knapp 20 % fast ebenso viele Zweitstimmen auf sich vereinigen konnte wie die Sozialdemokraten. Die Chefetage beim Werra-Meißner-Kreis ist (wieder) komplett. v.l.n.r. Erster Kreisbeigeordneter Friedel Lenze, Landrätin Nicole Rathgeber, hauptamtlicher Beigeordneter Dr. Philipp Kanzow und Kreistagsvorsitzender Peter von Roeder. 117 FLUCHT, PANDEMIE UND KRIEG  DEKADE DER HERAUSFORDERUNGEN 10

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