die von Hermanns schärfstem Rivalen, dem Erzbischof von Mainz, zusammengebracht worden war. Auch Otto von Braunschweig zählte wieder zu den Gegnern. Von drei Seiten drangen die feindlichen Truppen 1385 in Hessen ein, das Werraland wurde von Thüringen besetzt. Eschwege, Sontra und Boyneburg huldigten bereitwillig dem thüringischen Landgrafen als ihrem neuen Landesherrn. Hermann gelang es indes, auf diese Orte eine Anwartschaft zu erwerben und erreichte für seinen Sohn Ludwig zunächst die Mitherrschaft; erst nach Ludwigs Heirat mit Anna von Thüringen 1434 erlangte Hessen die Landeshoheit über die drei Orte zurück. Die nach 1385 weiter zu Hessen gehörenden Teile der Landvogtei wurden dem Vogt auf dem Schloss Bilstein unterstellt, der in dieser Zeit beide Ämter wahrnahm. Nach 1418 begegnen die Landvögte an der Werra in Personalunion auch als Amtmänner in Eschwege und als Vögte zu Bilstein. Ihr Amtssitz ist das Eschweger Schloss. Nicht eindeutig ist, welche Ämter des Werralandes der Landvogtei zuzurechnen sind. Sicher gehörten im 14. Jahrhundert die Ämter Ziegenberg, Witzenhausen/Bischhausen, Allendorf, Eschwege und Wanfried dazu. Die Aufgaben des Landvogtes lagen zum einen, wie sich in den Auseinandersetzungen am Ende des 14. Jahrhunderts gezeigt hat, auf militärischem Gebiet, zum anderen waren sie für Verwaltung und Rechtsprechung zuständig: Sie hatten die Rechtsprechung zu beaufsichtigen, eigene richterliche Tätigkeit ist nur in wenigen Fällen nachzuweisen. Außerdem überwachten sie die Amtsverwaltungen, achteten auf die Grenzen, sollten Korruption verhindern und allgemein das Land vor Schaden bewahren. Die Landvögte waren Vertrauensleute der Landgrafen und stiegen nicht selten zu den höchsten Ämtern im Lande auf. Die beginnende Neuzeit lässt einen Wandel bei den mittelalterlichen Mittelinstanzen erkennen. Der Landvogt an der Werra beispielsweise verliert im 16. Jahrhundert weitgehend seine Funktionen. Zwar sollte er nach den Testamenten Landgraf Philipps in Salz- und Bergwerkssachen Bescheid wissen, doch hat er mit solchen Aufgaben nie etwas zu tun gehabt. Der Landvogt an der Werra war im 16. Jahrhundert zum reinen Titularbeamten abgesunken. Landadel muss hessische Landeshoheit anerkennen Wie zuvor schon erwähnt, war das unter hessischer Landesherrschaft stehende Gebiet zwischen Ziegenberg und Sontra keineswegs ein zusammenhängendes, einheitliches Territorium. Es war allenthalben von kleineren Adelsgerichten und geistlichen Besitzungen durchsetzt. Im Süden hatte zum Beispiel das Kloster Kaufungen größeren Besitz; dazu gehörte vor allem Herleshausen. Die Treusch-Buttlar hatten das Gericht Brandenfels inne. Der im 13. /14. Jahrhundert bestehende Gerichtsbezirk des Klosters Germerode, über den die Landgrafen 1349 Vogtei und weltliches Gericht beanspruchten, kam mit der Reformation an das Gericht Bilstein. Auch Mainz und das Kloster Heydau hatten in unserem Raum Streubesitz. Über bedeutenden Besitz aber verfügten die v. Boyneburg. Sie hatten Allodien, Gerichtsrechte und Lehen, die über den gesamten Bereich der Werralandschaft verteilt waren. Wichtigste Besitzungen waren ihr freier Hof und Vorwerk Datterpfeife und die Dörfer und Gerichte Reichensachsen, Oetmannshausen, Langenhain, Ober- und Niederdünzebach und Jestädt. Sie waren begütert u. a. in Schlierbach, Netra, Röhrda und Rittmannshausen. Weitere im südlichen Teil der Werralandschaft begüterte Adelsfamilien waren die Herren v. Diede, die v. Eschwege und die v. Keudell. Im Norden treten im 14. Jahrhundert die Herren von Berlepsch als Lehensnehmer und Pfandinhaber der Landgrafen entgegen. Die Herren v. Bodenhausen begegnen im 14. /15. Jahrhundert. Sie erhielten den Arnstein und u. a. Eichenberg von Landgraf Ludwig I. zu Lehen. Um Sooden-Allendorf hatten die v. Dörnberg Besitz, im Raum Lichtenau die v. Hundelshausen. Rückerode und Flasbach (heutige Flachsbachmühle) trugen die v. Berge zu Lehen. Es würde zu weit führen, an dieser Stelle detaillierter auf alle diese ohnehin häufigen Veränderungen unterworfenen Besitzverhältnisse einzugehen. Wesentlich erscheint die sich im 14. /15. Jahrhundert abzeichnende Entwicklung die dazu führte, dass die Landgrafen in stetigem Ausbau ihrer Territorialmacht den hiesigen Landadel zur Lehensauftragung und damit zur Anerkennung der hessischen Landeshoheit zu zwingen vermochten. Die ständigen Verpfändungen landesherrlicher Ämter oder einzelner Dörfer und Gerichte, ja selbst der gesamten Landvogtei an der Werra, als Ausdruck notorischer Finanzprobleme der Landgrafschaft, mögen dem Prozess der Entwicklung zum Territorialstaat hinderlich gewesen sein, sicherten aber anders als bei Lehen, dass die Rechtstitel jederzeit — sofern freilich das Geld zur Auslösung einer Pfandschaft überhaupt vorhanden war — rückrufbar waren. Gemessen an den anderen Landesteilen aber kamen solche Verpfändungen im Werraland relativ häufig vor, sicherlich auch ein Zeichen dafür, dass dieser Raum nicht gerade im Vordergrund landesherrlichen Interessen gestanden haben mag. Das Werraland im „Ökonomischen Staat“ und seine Verwaltungsorganisation Das Dorfbuch des Niederfürstentums Hessen im „Ökonomischen Staat“ Landgraf Wilhelms IV., dem von ihm als politisches Testament und Staatshandbuch 1585 hinterlassenen Werk, bietet uns einen umfassenden Überblick über die territorialen Verhältnisse am Ende des 16. Jahrhunderts. Es nennt nicht nur sämtliche Ämter und die ihnen zugerechneten Dörfer und Höfe, sondern liefert auch genaue Zahlen der hier im einzelnen wohnenden „Hausgesessenen“. Bezeichnenderweise sind die dem Adel zustehenden Gerichte jeweils einem landgräflichen Amt zugeordnet. Danach bestehen 1585 folgende Ämter im Werraland: Allendorf, Eschwege, Lichtenau, Ludwigstein, Sontra und Wanfried. Als kleinste Ämter erscheinen Wanfried mit 373 und Allendorf mit 793 Hausgesessenen. Die Adelsdörfer im Amt Allendorf gehören den v. Bischhausen, v. Hanstein und v. Dörnberg. Das bevölkerungsreichste Amt Eschwege (2.954 Hausgesessene) gliedert sich in die Gerichtsstühle Abterode und Germerode und das umfängliche adlige Gericht Boyneburg. Außer den Boyneburgern sind hier u. a. noch die v. Diede, die v. Keudell, die v. Dörnberg und die v. Eschwege im Besitz von Dörfern. Eine schematische Aufteilung der Dörfer in verschiedene Leistungseinheiten, „Orte“, die aus zwei bzw. nur einem Dorf bestehen, bietet das Amt Lichtenau (insgesamt 870 Hausgesessene). Die hier verzeichneten Adelsdörfer stehen den v. Hundelshausen, den v. Meisenbug und den v. Ratzenberg zu. 11 DIE TERRITORIALE VORGESCHICHTE DER REGION UM WERRA UND MEISSNER 02
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