Chronik Werra Meißner Kreis

Flucht, Pandemie und Krieg – Dekade der Herausforderungen Autor: Matthias Roeper Wohl kaum jemand hätte sich im Rahmen des 40. Kreisgeburtstages 2014 vorstellen können, wie dramatisch anders als von vielen erwartet sich das Jahrzehnt auf dem Weg hin zum „runden“ Kreisjubiläum in 2024 gestalten würde. Das Jahr 2014 wirkt aus heutiger Sicht regelrecht unbeschwert und fast ist man versucht, es mit dem Adjektiv„golden“ zu versehen. Der Kreis und seine 16 Kommunen befanden sich auf einem erkennbar guten Weg, allenthalben begannen sich die Finanzen zu konsolidieren – der Kreishaushalt schloss anstelle eines prognostizierten Minus von 3,5 Mio. Euro mit einem Plus nahe der Million 363. Die Bevölkerungszahlen hatten sich ebenso stabilisiert wie die Zahl der Arbeitsplätze, das politische Fahrwasser war wohltuend ruhig und die Lebensqualität in der naturnahen Region zwischen Werra und Meißner brauchte trotz aller von außen immer wieder hereingetragener Unkenrufe keine Vergleiche zu scheuen. Zehn Jahre später ist der Werra-Meißner-Kreis immer noch ein sehr guter Raum zum Leben – auch wenn ein auf vielen gesellschaftlichen und politischen Ebenen feststellbarer Wandel einige der noch 2014 praktisch unumstößlichen Gewissheiten auf den Prüfstand gestellt und letztlich für nicht mehr zukunftstauglich befunden hat. Dieser Wandel betrifft alle Lebensbereiche und umfasst ebenso Politik und Verwaltungen, Kommunikation und Wirtschaft, Lebensentwürfe und deren Ausformungen. Vieles von dem, was für den Kreis wichtig war und wurde, sind Entwicklungen aus seinem„Innenraum“ – die politischen Veränderungen an der Kreisspitze und im Parteiensystem, das finanzielle Auf und Ab der Haushalte, die Entwicklung der Bürgergesellschaft in ihrer Gesamtheit sowie die Zukunftsvorsorge über den Tag hinaus. Nicht minder wichtig waren und sind aber auch Entwicklungen, die aus dem „Außenraum“ in diesen Werra-Meißner-Innenraum getragen wurden und sowohl das Leben der Menschen als auch die Entwicklung des Kreises nachhaltig beeinflusst haben. So hat es denn noch nie in der Geschichte dieses mit 50 Jahren noch relativ jungen Gebildes eine Dekade gegeben, die derart geprägt war von Ereignissen, denen der „Innenraum“ ohne Möglichkeit der Beeinflussung einfach nur ausgeliefert war. Wie an einer Perlenschnur reihten sich ab 2015 Flüchtlingskrise, Corona-Pandemie und zum Schluss noch der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hintereinander auf. Begonnen hat dies alles mit dem massenhaften Zustrom von Kriegsflüchtlingen und anderen Geflüchteten, der vor allem in der zweiten Jahreshälfte 2015 das gesamte öffentliche Leben im Kreis an prominenter Stelle dominiert hat. Die Zahl der Geflüchteten im Kreis begann sich allerdings schon 2013 deutlich zu erhöhen und übertraf mit 238 die Zahl des Vorjahres (172) deutlich. Mit dieser Steigerung einher ging für den Kreis neben den wachsenden logistischen Herausforderungen wie Unterbringung, Bekleidung, Verpflegung etc. vor allem ein deutlicher Kostenanstieg von 1,2 Mill. Euro in 2012 auf 1,85 Mio. Euro in 2013 364, von dem nur etwa die Hälfte vom Land Hessen übernommen wurde. Ende Juni 2014 war die Zahl der Geflüchteten im Kreis bereits auf 280 angewachsen, Tendenz ungebremst steigend. Ende Dezember 2014 lag man dann schon bei 360, was eine Steigerung von 47% binnen Jahresfrist bedeutete und zu einer finanziellen Unterdeckung von 1,3 Mio. Euro führte. 365 105 10

RkJQdWJsaXNoZXIy MTcxNzc3MQ==