Chronik Werra Meißner Kreis

die Zentren der ersten hessischen Ämter des Werralandes als die kleinsten lokalen Verwaltungseinheiten der Landgrafschaft. Keimzelle des Amtes Eschwege war am Ende des 13. Jahrhunderts ein eng begrenzter Gerichtsbezirk, die Zent Eschwege, die nur wenige Dörfer im engeren Umkreis der Stadt umfasste. Bereits 1301 konnte der Landgraf die recht beträchtlichen bilsteinischen Lehen erwerben. Der letzte Graf von Bilstein, Otto II., verkaufte ihm u. a. alle Lehen, die er zwischen Werra und dem Hainchen (Wald nahe Altmorschen) besaß (que habemus ab aqua Gwerra dicta usque ad silvam qui Hecheno appellatur). Als der Bilsteiner wenig später starb, gingen auch dessen Eigengüter an Hessen über. Damit war praktisch das gesamte Meißnervorland dem Amt Eschwege einverleibt worden. 1306 erhielt Hessen vom Landgrafen von Thüringen die Lehenshoheit über Wanfried und Frieda und damit die Möglichkeit der Bildung eines weiteren Amtes im Süden der Werralandschaft. Der Besitz um Wanfried, dem östlichen Vorposten Hessens, konnte 1365 durch Zukauf der später als „Wanfrieder Zentdörfer“ bezeichneten fünf v. Völkershausischen Dörfer Weißenborn, Rambach, Heldra, Helderbach (wüst bei Heldra) und Altenburschla erweitert werden, dürfte aber erst zu Beginn des 15. Jahrhunderts als Amt Wanfried organisiert gewesen sein, denn hier wird 1406 erstmals ein hessischer Amtmann zu Wanfried genannt. Auch Sontra – vielleicht schon 1264 an Hessen gelangt – bildete den Ausgangspunkt eines hessischen Amtes. Im 13. Jahrhundert noch tritt der engere Bezirk der Stadt als adliges Gericht der Vögte von Sontra entgegen. Erst nach ihrem Aussterben in den dreißiger Jahren des 14. Jahrhunderts kann der Landgraf von Hessen hier endgültig Fuß fassen. Seit dieser Zeit ist mit einem Amt Sontra zu rechnen, ein Amtmann ist freilich frühestens im Jahre 1368 nachzuweisen. Von einem Amt Allendorf ist gegen Ende des 14. Jahrhunderts die Rede. Es wird 1379 erwähnt, scheint sich jedoch erst im 16. Jahrhundert als eigentliches Amt herausgebildet zu haben. Nur wenig früher (1361) treten die Ämter Witzenhausen und Bischhausen entgegen. Nach dem Bau der Burg Ludwigstein im Jahre 1415 wurde Hans von Dörnberg als erster Amtmann auf dem Ludwigstein eingesetzt (1416), dem neuen Amt Ludwigstein das bisherige Amt Witzenhausen zugeordnet. Ein Amt Reichenbach, als dessen Mittelpunkt zunächst die gleichnamige Burg nahe Hessisch Lichtenau erscheint, bestand schon vor 1318. Sein Amtmann wechselte um 1490 von der Burg nach Lichtenau über. Burg Reichenbach verfiel, das seitherige Amt Lichtenau umfasste nicht nur eine Anzahl umliegender Dorfgemeinden, sondern auch das um 1570 zur Stadt erhobene Waldkappel, dessen Stellung innerhalb des Amtes einen besonderen Charakter hatte und recht schwankend erscheint. 1746 wird schließlich ein eigenes Amt Waldkappel erwähnt, doch dürften auch weiterhin Abhängigkeiten gegenüber Lichtenau bestanden haben. Im Norden der Werralandschaft bildete sich nach dem Erwerb der Burg Ziegenberg gegen Anfang des 14. Jahrhunderts und einiger Dörfer des näheren Umkreises, die bald danach anfielen, ein kleineres landgräfliches Amt Ziegenberg. Es wird bereits vor 1379 bestanden haben. Später gelangte es nach mehrfachen Verpfändungen als Lehen an die v. Buttlar und zählte schließlich als adliges Gericht Ziegenberg zum Amt Ludwigstein. Die Landvogtei an der Werra Die Landschaft an der Werra bildete schon seit Ende des 13. Jahrhunderts im Rahmen der gesamten Landgrafschaft Hessen einen zusammengehörigen Verwaltungsbereich. 1329 wird sie gleichberechtigt neben die beiden anderen Teile der Landgrafschaft, Ober- und Niederhessen, gestellt: In einem Bündnisvertrag dieses Jahres mit Mainz ist von drei Teilen Hessens, „obene und nidene und uf der Wirra“, die Rede. Entsprechend hatte die Landesherrschaft im Mittelalter, weil der direkten Herrschaftsausübung durch den Landgrafen allein wegen der Größe des Landes schon verwaltungstechnisch Grenzen gesetzt waren, drei mittlere Verwaltungsinstanzen oberhalb der Amtsorganisation geschaffen: So gab es „Landvögte“ an den drei Hauptströmen: an der Lahn in Marburg, an der Fulda in Kassel und an der Werra in Eschwege. Als frühester Inhaber der Landvogtei an der Werra ist Hermann von Brandenfels wahrscheinlich zu machen, der 1292 als Vogt zu Eschwege entgegentritt und das Amt des Landvogtes bis 1305 innehatte. Bis 1385 hatten die Landvögte ihren Sitz in Eschwege; sie standen in der Regel gleichzeitig dem Amt Eschwege vor. Nicht ganz sicher ist dies für den 1332 bezeugten Amtmann Heinrich I. von Eisenbach, der 1333 als Führer der hessischen Truppen an der Werra in einer Fehde gegen die v. Treffurt erscheint und nicht nur Amtmann zu Allendorf war, sondern auch der von Eschwege gewesen sein soll. Hermann von Treffurt dagegen ist 1334 nicht nur Amtmann in Eschwege, sondern eindeutig auch als Landvogt bezeichnet (advocatus domini lantgravii terre Hasste). Die Landvogtei nach dem „Sterner“-Krieg Die harte und unnachgiebige Politik des seit 1367 regierenden Landgrafen Hermann II. markiert einen wichtigen Einschnitt in der hessischen Geschichte und insbesondere des Werralandes: Der um seine Selbständigkeit fürchtende hessische Adel lehnte sich angesichts des für ihn beängstigend zügig fortschreitenden Ausbaus der hessischen Territorialmacht und immer höherer Steuerforderungen gegen den Landgrafen auf. Die hessischen Städte, darunter Eschwege, Witzenhausen und Allendorf, denen hohe „Ungeld“-Zahlungen (Verbrauchssteuern) abverlangt wurden, verweigerten sich und stellten sich dem von Graf Gottfried von Ziegenhain geführten Ritterbund der „Sterner“, in dem der aufbegehrende hessische Adel organisiert war, an die Seite. Außerdem verbündeten sich die Sterner mit Herzog Otto von Braunschweig, der vor allem die einst 1264 abgetretenen Werrastädte aus erbrechtlichen Gründen für sich beanspruchte. Aus den kriegerischen Auseinandersetzungen der siebziger Jahre des 14. Jahrhunderts ging Landgraf Hermann als glücklicher Sieger hervor. Die relative Selbständigkeit der Werrastädte wurde drastisch eingeschränkt, ihre städtischen Verfassungen wurden beseitigt. Nur Eschwege wehrte sich gegen die landesherrlichen Eingriffe und schlug sich auf die Seite des thüringischen Landgrafen Balthasar und damit einer erneuten, allerdings mächtigeren Koalition gegen den Landgrafen, 10 DIE TERRITORIALE VORGESCHICHTE DER REGION UM WERRA UND MEISSNER 02

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