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1705 - 1795

1705
Herzog Friedrich Wilhelm beschließt den planmäßigen Ausbau der Neustadt auf der Schelfe. Handwerker und Kaufleute aus dem In- und Ausland sollen durch diverse Privilegien und Beihilfen den Ort zu einem merkantilen Wirtschaftszentrum machen. Er lässt eine neue barocke Kirche errichten, die Straßen regulieren und einen Weg über den jetzt befestigten Spieltordamm anlegen.

1716
Domprediger Westpfahl richtet in dem bisher als Gefängnis genutzten Turm beim Schelftor eine Waisenschule für vierzig Kinder ein.

1717
Die jüdische Gemeinde legt einen Friedhof auf dem Schelffeld am sogenannten Schwälkenberg an, der in der Folgezeit wiederholt erweitert wird.

1719
Hannoversche Truppen erscheinen im März vor der Stadt. Während der von Herzog Carl Leopold mit der Verteidigung beauftragte Hauptmann Lingelsheim einen Kampf "bis auf den letzten Mann" ankündigt, ziehen die Bürger eine schnelle Kapitulation der Zerstörung ihrer Häuser und Werkstätten vor. Kurz entschlossen überwältigen sie die Besatzung des Mühlentores und lassen die feindlichen Truppen in die Stadt. Drei Wochen später kapituliert schließlich auch die Besatzung des Schlosses.

1727
Nachdem eine fürstliche Kommission eklatante Ungerechtigkeiten bei der Verteilung von Steuern und Einquartierungslasten und massive Unterschlagungen des Bürgermeisters Heinow festgestellt hat, erlässt der Herzog 1727 ein neues Stadtreglement. Im Mittelpunkt stehen Maßnahmen zur Verbesserung der Kassenverwaltung durch jährliche Rechnungslegung und Kassenprüfungen durch deputierte Bürger. Zur Professionalisierung der bis dahin weitgehend ehrenamtlich tätigen Ratsherren ist überdies ein aus der Stadtkasse zu zahlendes Gehalt von achtzig Rtl. für die Bürgermeister und vierzig Rtl. für die Senatoren festgesetzt.

1735
Holsteinische und schwarzburgische Truppen unter Generalmajor von Platen belagern und beschießen die Stadt. In den frühen Morgenstunden des 9. Februar stürmen 200 Mann die Verteidigungsanlagen. Die Kampfmoral der Verteidiger ist schwach. Die Besatzung der Batterie am Spieltordamm flieht, ohne ihre bereits geladenen Kanonen wenigstens noch einmal abzufeuern. Die Soldaten Herzog Carl Leopolds ziehen sich hastig in das Schloss zurück. Nur Leutnant du Bois versucht allein, "mit entblöstem Degen" das Mühlentor zu verteidigen, und wird für diesen fehlgeleiteten Heroismus "auf der Stelle erschoßen". Er bleibt das einzige Todesopfer dieses bemerkenswerten militärischen Unternehmens. Außerdem haben die Verteidiger noch fünf und die Angreifer 19 Verletzte zu beklagen. Der Herzog lehnt eine Kapitulation ab und flieht mit seinen engsten Gefolgsleuten mit dem Boot über den Schweriner See, worauf sich die 263 im Schloß verbliebenen Soldaten umgehend ergeben.

1749
Herzog Christian Ludwig II. genehmigt die Niederlassung weiterer jüdischer Kaufleute in Schwerin. Unter dem herzoglichen Schutz gedeiht die jüdische Gemeinde. 1763 ernennt Herzog Friedrich Jeremias Israel zum ersten Landesrabbiner, und stimmt 1773 dem Bau einer Synagoge in der Schlachterstraße zu. Die städtischen Kaufleute und der Magistrat protestieren heftig dagegen.

1753
Conrad Ekhof errichtet in Schwerin die erste deutsche Schauspielakademie.

1754
Der Herzog etabliert die Nikolaigemeinde auf der Schelfe als selbständige, vom Dom unabhängige Gemeinde mit zwei eigenen Pastoren.

1759
Der preußische Generalmajor von Kleist unternimmt während des Siebenjährigen Krieges einen Überraschungsangriff, um die in Schwerin versammelten beiden Infanterieregimenter gefangen zu nehmen und sie zwangsweise für die preußische Armee zu rekrutieren. Der über 70jährige und schwer gichtleidende mecklenburgische Kommandeur General von Zülow flüchtet mit seinen Truppen auf die Insel Kaninchenwerder im Schweriner See. Ohne Widerstand besetzen die Preußen die Stadt am 15. März. Bei ihrem Abzug, zehn Tage später, nehmen sie 14 als tauglich erkannte verheiratete Bürger als neue, wenn auch widerwillige Rekruten der Armee Friedrichs des Großen mit.

1761
Die Preußen besetzen im März die Stadt erneut und nehmen die Einziehung der auf 120.000 Rtl. festgesetzten Kontribution selbst in die Hand. Am 17. April wird Fähnrich Sommer mit einem Sonderauftrag nach Schwerin entsandt und berichtet, dass sein Kommandeur "ungemein aufgebracht wäre, dass nur so wenige Gelder allererst von der Residentz bezahlet wörden". Sommer treibt das Geld mit großer Brutalität ein. Vier Wochen lang lässt er die Juden der Stadt bei Wasser und Brot in ein Zimmer im Rathaus einsperren, bis sie schließlich die verlangten 15.000 Rtl. zahlen. Die Kaufleute der Neustadt lässt er von Unteroffizieren so lange prügeln, bis sie sich zur Aufnahme des geforderten Kredits bereit erklären. Säumige Zahler werden zu ihm ins Rathaus gebracht, wo er sie durch sein "Poltern und Fluchen" derart in Angst und Schrecken versetzt, dass sie seine Forderungen erfüllen. Wenn die Männer geflohen sind, hält er sich an die Ehefrauen. Als er am 18. Mai die Stadt wieder verlässt, hat er durch die Anwendung rücksichtsloser Gewalt allein in der Altstadt fast 40.000 Rtl Bargeld erpresst.

1762
Als die Preußen sich im Frühjahr wieder der Stadt nähern, verursachen sie eine Massenflucht unbekannten Ausmaßes. Herzogliche Bedienstete, Kaufleute, Juden - sie alle fliehen zusammen mit ihrem Herzog in das sichere Lübeck. Die Preußen lassen sich hiervon nicht beeindrucken und beharren auf ihren Forderungen. Insgesamt gelingt es der schwer heimgesuchten Stadt noch einmal, 35.000 Rtl aufzubringen, ehe die Preußen endgültig und diesmal für immer abziehen. Die Residenz bietet dementsprechend bei Kriegsende ein wenig ansprechendes Bild: "fast die gantze Stadt von den meisten Menschen leer, die Häuser von Sachen und Waaren ausgeräumt, und das Vieh bey Seite getrieben worden und die Stadt bey nahe einer Einöde ähnlich" .

1764
Herzog Friedrich übersiedelt mit dem Hof nach Ludwigslust, wo 1771 bis 1776 ein neues Schloss errichtet wurde. Zwar bleiben die Regierung und auch einige Angehörige der herzoglichen Familie in Schwerin, aber trotzdem ist dies ein schwerer Schlag für die Stadt.

1788
Eine neue Armenordnung tritt in Kraft. Wer weniger als 23 Rtl. im Jahr verdient, erhält die Differenz vom Armen-Collegium ausbezahlt. Wenn er arbeitsfähig ist, soll er dafür im neu errichteten fürstlichen Werkhaus in der Bergstraße arbeiten. Die Regelung gilt für alle Bewohner der Alt- und Neustadt mit Ausnahme der Juden, die für ihre Armen selbst zu sorgen haben. Jede Form der Bettelei ist verboten.

1795
Die katholische Gemeinde errichtet eine eigene Kirche in der Schlossstraße. Das Fürstenhaus steht der Gemeinde zumeist recht aufgeschlossen gegenüber. So bewilligt Friedrich Franz I. 1828 einen Zuschuss von 200 Rtl. im Jahr zur Aufbesserung des Gehaltes der beiden Prediger, Friedrich Franz II. überlässt ihnen 1860 kostenlos ein Grundstück zur Anlage eines eigenen Friedhofes an der Wismarschen Straße. Dagegen zeigen sich die protestantischen Räte im Ministerium wegen der möglichen Verbreitung "geheimer, jesuitischer Propaganda" deutlich besorgter als ihr nachsichtiger Herr.