Gehe zum Inhalt, überspringe Menüs

 

Heinrich Seidel

Der Schriftsteller, der kein Ingenieur sein wollte

Geboren: 25. Juni 1842 in Perlin
Gestorben: 7. November 1906 in Berlin

Geboren wird er als Sohn des Pastors Heinrich Alexander Seidel in Perlin bei Schwerin, einer typisch mecklenburgischen, ländlichen Gegend. Aufgewachsen ist er aber am Schelfmarkt in Schwerin. Sein Vater versah an der Schelfkirche sein Amt als Pastor.
Er gilt als Träumer unter den Schülern des Fridericianum und entsprechend sind auch seine schulischen Leistungen. Er hat sich - so sagt er über seine Zeit am Gymnasium später - "zu einem der schlechtesten Schüler ausgebildet. Besonders in den alten Sprachen und im Französischen waren meine Leistungen gleich Null, während ich mich auszeichnete in Fächern, denen man nicht die geringste Bedeutung beilegte, zum Beispiel im Deutschen, der Mathematik, Geographie und ganz besonders im Turnen, wo ich mir vier Jahre hintereinander beim Schauturnen am 18. Oktober den zweiten Preis eroberte."
Die Schulzeit ist nicht ohne Erfolg, wie sich später zeigen wird. Trotzdem verlässt er diese ohne Abitur und tritt auf eigenen Wunsch in eine Lehre in der Lokomotivreparatur-Werkstatt in Schwerin ein. Er setzt die Ausbildung fort und erreicht schließlich den Abschluss als Ingenieur. Dazu verhilft ihm gar ein Studium an der berühmten Gewerbeakademie in Berlin.
Es ist gerade der Schwermaschinenbau, der in der Hauptstadt in voller Blüte steht. 1866, Seidel ist 24 Jahre alt, gelingt ihm ein in Europa einmaliges technisches Bauwerk: der Anhalter Bahnhof in Berlin mit dem größten, freitragenden, eisernen Dach, einmalig auf dem Kontinent. Er ist leider im Zweiten Weltkrieg einem Bombenangriff auf Berlin zum Opfer gefallen.
Bereits in dieser Zeit beginnt er neben seiner Berufstätigkeit mit dem Schreiben. Aber 1880 entschließt er sich, seinen Beruf an den Nagel zu hängen. Der Erfolg seiner Schriftstellerei stellt sich erst Jahre später ein. Seidel lässt sich endgültig in Berlin nieder, ohne je seine mecklenburgische Heimat zu vergessen. Das "tote steinerne Einerlei" der Stadt, wie er es in seinem Gedicht "Frühlingsbote" nennt, mit seinen Häuserschluchten, den Hinterhöfen und den vornehmen Villenvierteln hält ihn trotz allem fest. Dort findet er seine Freunde und jene, die in ihm einen wirklichkeitsfremden, der realen Welt abgewandten Poeten sehen. Seine Werke sagen etwas anderes. Am bekanntesten sind die Geschichten "Leberecht Hühnchens". Die erste erscheint im Jahre 1882. Es ist der Einstieg in ein anerkanntes Schriftstellerdasein und bringt finanzielle Sicherheit.
Über seine Arbeiten bemerkt Heinrich Seidel: "Meine Erzählungen sind zum Teil entstanden aus Träumereien, so die erste Geschichte, die ich schrieb 'der Rosenkönig' und die, die ich selbst für die beste halte: 'Odysseus'. Was meine Helden erlebten, hätte ich selber gern erlebt, und da ich es nicht haben konnte, schrieb ich es mir, wie man beim Subtrahieren sagt: 'Hab' ich keinen, borg' ich mir einen'. Andere meiner Erzählungen entsprangen mehr der Beobachtung der Wirklichkeit und sind mosaikartig zusammengesetzt aus Gesehenem und Erlebtem untermischt mit eigener Erfindung. Zu dieser Gruppe gehören die Leberecht Hühnchen-Geschichten."
Heinrich Seidel erliegt am 7. November 1906 im Alter von 64 Jahren in Berlin einem Magenleiden. Er zählt zu den bedeutenden Schriftstellern Mecklenburgs. Die Stadt Schwerin ehrt ihn mit der Namensgebung einer im Nordteil gelegenen Straße: der Heinrich-Seidel-Straße.