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Der Upstalsboom in Aurich-Rahe

Die Friesische Freiheit gilt bis heute als Besonderheit Ostfrieslands

Das Symbol für die Autonomie der freien Friesen ist ein kleiner Hügel bei Rahe westlich von Aurich: der Upstalsboom. Er war im Mittelalter ein "Zentrum der Beschwörung von Recht und Freiheit, Frieden und Einheit" (van Lengen), ein Versammlungsort, der nie in Vergessenheit geraten ist. Dies ist besonders der Überlieferung durch den bedeutenden Geschichtsschreiber Ubbo Emmius zu verdanken ("Altar der Freiheit"), die in der napoleonischen Zeit wieder verstärkt aufgegriffen wurde. Mit dem Architekten C. B. Meyer planten Auricher Bürger die Aufstellung eines Obelisken auf dem Hügel, und zwar zur Erinnerung an die in dem napoleonischen Krieg bei Ligny und Belle Alliance gefallenen Ostfriesen. Zur Anschauung wurde 1815 ein hölzernes Gerüst errichtet, die finanziellen Mittel kamen letztlich aber nicht zusammen. 1833 war das Gelände dann im Besitz der Ostfriesischen Landschaft, die die Steinpyramide errichtete; jetzt aber wohl aus der Motivation heraus, der ständischen Freiheit ein Denkmal zu setzen (Tielke). Um 1870 gestaltete die Landschaft das Umfeld des Hügels mit einem "Landschaftsgarten" und legte nach 1879 die zur Landstraße führende Buchenallee an. Erst 1894 wurde die Granittafel mit dem Text "Auf der Versammlungsstätte ihrer Vorfahren, dem Upstalsboom, errichtet von den Ständen Ostfrieslands im Jahre 1833" an der Pyramide angebracht.

Nachdem schon 1815 bei der Errichtung des Holzgerüstes ein Urnenfund gemacht worden war, kamen 1833 in der Baugrube für die Pyramide ein Schwert und eine weitere Urne zutage. Die ursprüngliche Anlage ist also ein flacher frühmittelalterlicher Grabhügel gewesen. Kleine Ausgrabungen 1990/92 und 2003 brachten weitere Grabbeigaben zu Tage, so dass aktuell Hinweise auf zwei, wahrscheinlich aber drei Körpergräber, eine Männer- und zwei Frauenbestattungen, und auf drei Urnengräber vorliegen. Füchse, Dachse und Baumwurzeln haben im Laufe der Jahrhunderte die Gräber zerstört, so dass die Beigaben nicht mehr in originaler Lage aufgefunden werden konnten. Dies gilt auch für diverse Glasperlen. Neben einem Messer und einem Hakenschlüssel sind sie die ersten Belege für eine Frauenbestattung. Besonders erwähnenswert ist eine 1,9 cm lange Millefioriglasperle aus dem Vorderen Orient. Wie das Schwert und andere Metallbeigaben lässt sie sich in die Zeit Karls des Großen datieren. Die hier begrabenen Menschen gehörten also einer besser gestellten Familie an, deren Hof im späten 8. und frühen 9. Jahrhundert unweit ihrer Begräbnisstätte gelegen hat.

Die Untersuchungen am Upstalsboom konnten bisher noch keine Befunde erfassen, die mit den späteren Landtagen der Friesen in Zusammenhang gebracht werden könnten. Dafür müssten wohl auch große Grabungsflächen eröffnet werden. Allenthalben bleibt die Frage nach der Überlieferungstradition: Warum ist gerade dieser Grabhügel zum überregionalen hochmittelalterlichen Versammlungsplatz geworden?

Entscheidend ist wohl die Rolle, die solchen Gräberfeldern in ihrem Umfeld zukam. Sie sind stets im Zusammenhang mit der örtlichen Topographie als wesentliche Bestandteile der Kulturlandschaft anzusehen. Als Orte der Erinnerung verfügten sie über eine symbolische Ausstrahlung und waren damit gleichzeitig eine Arena zur Darstellung sozialer und politischer Potenz. Wenn sich ab dem späten 11. oder frühen 12. Jahrhundert die freien Friesen am Upstalsboom getroffen haben, haben sie immer noch um den Glanz der früheren Macht gewusst, haben ihn beschworen, auf sich abstrahlen lassen und von ihm gezehrt.