Der Kreis im geeinten Deutschland - Chance und Herausforderung
Autor: Matthias Roeper
Mit dem 3. Oktober 1990 hatte sich das Koordinatensystem, in dem sich der Werra-Meißner-Kreis bis dato eingerichtet hatte, endgültig verschoben. Damit war nach nur zwei Jahren erfüllt worden, was Landrat Dieter Brosey im Rahmen seiner Amtseinführung am 6. Juni 1988 formuliert hatte. "Hauptproblem des Kreises", so der Verwaltungschef in seiner Antrittsrede, "werde auch in Zukunft die Lage unmittelbar an der innerdeutschen Grenze sein, die beste Strukturpolitik daher eine vernünftige Deutschland und Ostpolitik (...) Der Kreis müsse seine natürliche zentrale Lage mitten in Deutschland und Europa wiedererhalten."
Niemand in der gut gefüllten Eschweger Stadthalle, in der sich neben den Abgeordneten auch zahlreiche Besucher - insbesondere die Bürgermeister der sechzehn Städte und Gemeinden des Kreises - eingefunden hatten, um der Amtseinführung des neuen Landrates beizuwohnen, hätte sich an diesem Tag vorstellen können, in welcher atemberaubenden Geschwindigkeit die DDR und der gesamte sogenannte "Ostblock" verschwinden und der Werra-Meißner-Kreis sich dadurch plötzlich tatsächlich in der Mitte Deutschlands und Europas wiederfinden würde.
Die Euphorie war groß, die Hoffnungen in die Zukunft fast noch größer. Und tatsächlich schien die neue Zeit auch das zu halten, was man sich von ihr versprochen hatte: Der Einzelhandel boomte, viele neue Mitbürger aus der ehemaligen DDR ließen sich in den Städten und Dörfern des Kreises nieder, milderten dadurch den Bevölkerungsverlust der vergangenen Jahre ein ganzes Stück weit und stärkten zudem das kommunale Steueraufkommen sowie die Finanzkraft der Gemeinden.
"Aufbruch zu neuer Zeit", überschrieb Landrat Dieter Brosey am 30. Dezember 1989 sein Grußwort zum bevorstehenden Jahreswechsel und drückte in ihm aus, was sich viele Menschen an Werra und Meißner von der neuen Wirklichkeit erhofften: "Für unseren Kreis bietet die Öffnung der Grenzen große Chancen in der wirtschaftlichen Entwicklung. Diese Chancen müssen wir nutzen, unser Kreis ist über Nacht ein hochinteressanter Gewerbestandort geworden, nicht mehr am Rande der EG, sondern mitten in Europa. Dies wird für die Struktur im Kreis Aufschwung bringen und gilt auch für den Fremdenverkehr mit Möglichkeiten der Einbeziehung von Eichsfeld und Thüringer Wald."
Niemand konnte in jenen euphorischen Tagen der Wendezeit voraussehen, dass sich die politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Realität der nun folgenden Epoche deutlich prosaischer zeigen würde, als es die Blütenträume des Novembers 1989 erhoffen ließen.
Für unseren Kreis galt es indes erst einmal Abschied nehmen, und das in doppelter Hinsicht. Einmal voller Freude und mit lachenden Augen von Stacheldraht, Todesstreifen, Schießbefehl und den Wachtürmen der innerdeutschen Grenze und - diesmal sicherlich mit einer gehörigen Portion an Nachdenklichkeit - vom Zeitalter der Zonenrandförderungen und der ausgeglichenen Kreishaushalte.
Dieser Haushalt ist ein ganz magerer Hering
Neben dem Wegfall der Zonenrandförderung war es vor allem die Entwicklung der Kreisfinanzen, die den Verantwortlichen die Sorgenfalten ins Gesicht trieb. Glänzten schon die Kreise Eschwege und Witzenhausen nicht durch besonders üppige finanzielle Ausstattung, so blieb dieses Manko leider auch dem neuen Großkreis erhalten.
Die ersten fünfzehn Jahre des Werra-Meißner-Kreises musste man mit einer Finanzlage leben, die dauerhaft sparsames Haushalten ebenso voraussetzte wie wohlüberlegtes Handeln im Investitionsbereich nötig machte. Ungeachtet aller pekuniären Schwierigkeiten gelang es aber mit ganz wenigen Ausnahmen in all den Jahren dennoch, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen und gleichzeitig die notwendigen Investitionen in den Bereichen Verkehr, Schulen, Krankenhäuser und Abfallbeseitigung zu tätigen.
Dies sollte sich ab 1990 grundlegend ändern: Mit dem Haushaltsansatz dieses Jahres, der erstmals seit 1976 wieder einen Fehlbetrag auswies (1,751 Mill. DM), war die Zeit der ausgeglichenen Haushalte vorbei. Mit diesem ersten Haushalt nach der Grenzöffnung sollte eine unruhige Epoche voller finanzieller Probleme beginnen, in der beim Kreis vieles auf den Prüfstand gestellt und verändert wurde und deren Ende auch heute noch nicht absehbar ist.
Lässt man die durchgängig roten Zahlen der vergangenen Jahre Revue passieren wird erkennbar, dass es eine weder linear ansteigende noch absteigende Kurve in den Defizithöhen gibt. So lag. z. B. der Fehlbetrag im Jahr 1994 bei 2,4 Mill. DM und provozierte den FDP-Abgeordneten zu der als Überschrift für dieses Kapitel gewählten Zeile vom dem "Haushalt, der ein "ganz magerer Hering" sei, stieg dann innerhalb von zwei Jahren auf über 14 Mill. DM, was Landrat Brosey vor dem Kreistag von einer "todernsten Lage" sprechen ließ.
Nach einer gewissen Stabilisierung in den Folgenjahren und Defizitzahlen von 9 Mill. (1997) bzw. 11,6 Mill. DM (1998) bescherte das Jahr 1999 dem Kreis mit einem Minus von 17,7 Mill. DM den bis dato negativen Ausreißer. Nach der abermaligen leichten Stabilisierung auf niedrigem Niveau, brachte das Jahr 2004 einen erneuten Schock: Die "rasante Talfahrt" der Kreisfinanzen ging nahezu ungebremst weiter und erreichte mit einem Defizit von 12,9 Mill. Euro ihren bisherigen Höhepunkt bzw. in diesem Fall Tiefstand.
Über 15,5 Mill. Euro für 2005 stieg der Fehlbetrag auf 16,5 Mill. Euro im Jahr 2006 - ein abermaliger neuer Tiefpunkt war erreicht. In den drei Folgejahren gestaltete sich die Haushaltslage dann wieder deutlich besser und das Haushaltsloch wurde kleiner: Das Minus sank erst auf 11 Mill. Euro (2007), dann auf 6,5 Mill. Euro (2008) und erreichte mit lediglich noch 2,3 Mill. Euro (2009) den niedrigsten Stand seit 1994.
Diese Entwicklung gab Anlass zu Optimismus und Landrat Stefan Reuß konnte am 12. Februar 2008 erstmals öffentlich davon reden, dass sich "die finanzielle Lage des Kreises deutlich gebessert" hätte. Insbesondere der Haushalt des Jahres 2008 stellte sich im Nachhinein noch einmal deutlich positiver dar als gedacht und bei Vorlage des Jahresabschlusses im Frühjahr 2010 war der Fehlbetrag auf nur noch knapp eine halbe Million Euro gesunken.
Die Freude über die sich stabilisierenden Kreisfinanzen währte allerdings nur kurz, denn die aufbrechende weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise verschonte auch den Werra-Meißner-Kreis nicht und machte deren Haushaltserholung erst einmal wieder zunichte. "Der Kreishaushalt verschlechtert sich durch Wirtschaftskrise dramatisch", titelte die Lokalpresse angesichts eines erwarteten Defizits von 17 Mill. Euro für 2010 - und das war beileibe noch nicht das Ende der Fahnenstange.
Im Haushaltsjahr 2011 musste der Werra-Meißner-Kreis das bislang größte Haushaltsdefizit in seiner Geschichte verkraften: Mit 19,4 Mill. Euro blieb man nur knapp unterhalb der Marke von 20 Mio. und die Handlungsmöglichkeiten des Kreises wurden immer geringer. Großartigen Gestaltungsspielraum besaß man eigentlich schon seit Mitte der neunziger Jahre nicht mehr, was Landrat Dieter Brosey schon im November 1995 - angesichts eines erwarteten Haushaltsdefizits von 14 Mill. DM - zu drastischen Formulierungen greifen ließ. "Manchmal fragen wir uns", so der Verwaltungschef in der Haushaltsdebatte vor dem Kreistag, "wofür wir überhaupt noch einen Kreistag haben - wir können ja doch nichts mehr entscheiden, nur noch die laufenden Kosten bedienen."
Die Einbringung und Diskussion des Haushalts ist auch immer in ganz besonderer Weise "die Stunde des Parlaments". Hier hat die Regierung Gelegenheit, die Ziele ihrer Politik darzustellen und im Gegenzug kann die Opposition mittels einer "Generalabrechnung" einen Gegenentwurf präsentieren. Dabei ist das Procedere in jedem Parlament ähnlich - gleich ob Bundes-, Land- oder wie in unserem Fall, eben der Kreistag. So sind denn auch im Kreistag des Werra-Meißner-Kreises in aller Regel während der alljährlichen Haushaltsdebatten die unterschiedlichen politischen Meinungen mit besonderer Vehemenz und teilweise drastischer Wortwahl ausgetauscht worden.
Betrachtet man die Einzelposten des Kreisetats auf der Ausgabenseite, so fällt sehr schnell ins Auge, dass der Sozialbereich, aufgeteilt in die Einzeletats "Sozialleistungen", "Kinder, Soziales und Familie" und die "Umlage an den Landeswohlfahrtsverband" fast die Hälfte aller Ausgaben ausmacht. Hinzu kommen, neben diversen kleineren Posten, die Zuschüsse an den Eigenbetrieb Gebäudemanagement und die Personalausgaben als nochmals größere Einzeletats.
Die Einnahmenseite wird dominiert von der "Kreis- und Schulumlage", die die Städte und Gemeinden an den Kreis entrichten sowie den "Schlüsselzuweisungen" des Landes, die zusammen weit über die Hälfte der Gesamteinnahmen ausmachen.
Sowohl die Ausgaben - als auch die Einnahmenseite sind nur bedingt durch politische Entscheidungen des Kreises beeinflussbar, sondern unterliegen ganz wesentlich anderweitigen Einflüssen, wie z. B. der Anstieg der Ausgaben für Transfer - und Hartz IV - Leistungen im Haushalt 2010 deutlich macht. Aufgrund der schlechten Wirtschaftslage war dieser Einzeletat um 2 Mio. Euro gegenüber 2009 angestiegen - in Kombination mit den massiv verringerten Schlüsselzuweisungen des Landes war das im Jahr 2010 ein Grund dafür, dass das Minus so dramatisch aus dem Ruder lief.
Da half es auch wenig, dass der Kreis seinerseits die Kommunen stärker zur Kasse bat und die Kreisumlage erhöhte - "der eine Arme fasst dem anderen Armen ins leere Portemonnaie", kommentierte dies Lothar Quanz (SPD) während der Haushaltsdebatte - die Möglichkeit, den Haushalt ausschließlich durch eigene Anstrengungen zu sanieren, besteht nur in Ansätzen.
In dieser Situation ist es auch wenig tröstlich, dass der Kreis mit seinen Finanzproblemen nicht alleine steht. So schlugen schon im Mai 2004 alle nordhessischen Landkreise nebst der Stadt Kassel wegen ihrer Finanzmisere öffentlich Alarm, warnte der Deutsche Städtetag im Februar 2010 davor, dass deutschlandweit die "Kommunen vor dem Kollaps" stünden und ließen die "Rathaus-Chefs" des Werra-Meißner-Kreises im Januar 2010 gemeinsam "Dampf ab".
Seitdem ist viel ausführlich und kontrovers diskutiert worden, hat sich die Wirtschaft wieder erholt und ist vor allem vom Land das Programm "Kommunaler Schutzschirm" zur Teilentschuldung der hessischen Kommunen und Landkreise aufgelegt worden. Diesem Programm, das von den beteiligten Kreisen und Kommunen einen gewissen Teil der aufgelaufenen Schulden übernimmt, ist auch der Werra-Meißner-Kreis mit großer Mehrheit des Kreistages am 7. Dezember 2012 beigetreten und erhielt vom Land die Zusage über 19,6 Mio. Euro Schuldenübernahme. Im Gegenzug verpflichteten sich Kreis und Kommunen bis spätestens 2018 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen.
Neben der Überprüfung aller nur denkbaren Einsparpotenziale und der sogenannten "freiwilligen Leistungen" können allerdings insbesondere die Kommunen im Kreis ihre Haushaltskonsolidierung nur durch deutlich erhöhte Steuern und Abgaben erreichen. Ob sich die Erhöhung von Grund- und Gewerbesteuern, Kindergarten und Parkgebühren sowie den Eintritten in öffentliche Einrichtungen nicht letztendlich als Nachteile für die Region als Wohn- und Gewerbestandort herausstellen werden, muss die Zukunft erweisen.
Kräfte bündeln - Wirtschaftsförderung, Tourismusmarketing und Landwirtschaft
Am 1. Januar 1974 waren im Werra-Meißner-Kreis in 5.773 Betrieben in Industrie, Handwerk und Landwirtschaft insgesamt 27.026 Personen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, davon 21.444 in Industrie und Handwerk.
Zum Jahresbeginn 2012 gab es im Kreis 6.462 IHK - zugehörige Betriebe mit 26.599 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Die Gesamtzahl der Beschäftigten ist also während des betrachteten Zeitraumes weitgehend gleich geblieben - die Struktur der Beschäftigung hat sich allerdings deutlich verändert.
Hervorstechend dabei ist vor allem der dramatische Bedeutungsverlust der Landwirtschaft. Gab es 1974 im Kreisgebiet noch insgesamt 4.045 bäuerliche Betriebe mit 5.584 Beschäftigten, so hat sich diese Zahl auf nur noch 138 Betriebe mit 457 reduziert, d. h. über 90 % der landwirtschaftlichen Arbeitsplätze des Jahres 1974 sind seitdem verloren gegangen.
Ebenso rückläufig, wenn auch nicht in diesen Dimensionen, ist die Zahl der Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe. Waren 1974 noch 13.322 Personen im Werra-Meißner-Kreis ihm industriellen Bereich beschäftigt, so ist diese Zahl bis 2012 auf 8.698 Arbeitnehmer zurückgegangen, die, und das kommt noch hinzu, das gesamte sogenannten "produzierende Gewerbe (einschl. Bau)" umfasst.
In den vergangenen fünf Jahrzehnten sind nicht nur völlig neue Berufsfelder und Berufe entstanden - man denke in diesem Zusammenhang nur an die Bereiche Information und Kommunikationstechnik bzw. Verkehr und Logistik - sondern die Arbeitsrealität selbst ist durch einen tiefgreifenden Strukturwandel radikal verändert worden. Um diesen neuen Herausforderungen gewachsen zu sein, es notwendig neue Wege zu gehen.
Nachdem es in der zweiten Hälfte der 80er Jahre vielerorts bereits erfolgversprechende Ansätze gebündelter Wirtschaftsförderung und Entwicklung mit Partnern aus Politik und Wirtschaft gegeben hatte, starteten Mitte Mai 1988 auch im Werra-Meißner-Kreis die hiesigen Wirtschaftsjunioren die Initiative zur Gründung einer "Wirtschaftsfördergesellschaft Pro Werra - Meißner".
Durch eine solche Institution sollte ihrer Meinung nach das in der Region ansässige Potenzial gebündelt und aktiviert werden, "... so dass Defizite abgebaut, Stärken gefördert und gemeinsame Maßnahmen ergriffen werden, die unseren Kreis nach außen und innen positiver darstellen. Mit dem Randlagen - Gejammer müsse ebenso Schluss sein wie mit dem ständigen Sich - unter - Wert - verkaufen. Nötig sei der Schulterschluss des Landkreises, der Kommunen und aller Wirtschaftseinrichtungen im Werra-Meißner-Kreis unter der gemeinsamen Marschrichtung Pro Werra-Meißner."
Formuliert wurde diese Forderung als Ergebnis einer Klausurtagung in Bad Sooden-Allendorf, in deren Verlauf Unternehmen, Kammern, Verbände, die Bürgermeister der Städte Eschwege, Bad Sooden-Allendorf und Witzenhausen sowie der designierte Landrat Dieter Brosey die grundsätzliche Absicht bekundeten, sich gemeinsam im Bereich der Wirtschaftsförderung neu aufzustellen.
Zwar veränderten der Fall der innerdeutschen Grenze und die Wiedervereinigung kurze Zeit später die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Kreises grundlegend, aber die Notwendigkeit gezielter und nachhaltiger Wirtschaftsförderung verlor dadurch nichts von ihrer Dringlichkeit. So stand dann auch die "Wirtschaftsfördergesellschaft Werra - Meißner (WFG)" - am 16. November 1989 als Gesellschaft des Kreises und, mit Ausnahme von Weißenborn, fünfzehn seiner Kommunen gegründet - unmittelbar nach ihrer Gründung vor großen Herausforderungen.
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hatten sich tiefgreifend verändert und stellten sich so ganz anders dar, als es noch vor anderthalb Jahren in der o. a. Klausurtagung skizziert worden war. So attestierte z. B. Siegfried Rauer, der im Sommer 1990 berufene Geschäftsführer der WFG auf der ersten Beiratssitzung der Gesellschaft im September 1990 dem Werra-Meißner-Kreis "hervorragende Entwicklungspotenziale (...) auf der erstaunlich guten Entwicklung der heimischen Betriebe lasse sich für die Zukunft aufbauen". Ähnlich positiv äußerte sich auch Landrat Dieter Brosey, der besonders die überproportionale Steigerung der Beschäftigungszahlen hervorhob, die mit 2,7 % im Werra-Meißner-Kreis den hessenweiten Spitzenwert darstellten.
Und in der Tat, überall waren die Hoffnungen auf ein Aufblühen der Region ebenso groß wie die fast mit den Händen zu greifende Aufbruchsstimmung. Das von den Wirtschaftsjunioren noch im Mai 1988 monierte "Randlagen - Gejammer" gehörte der Vergangenheit an und zum neuen Platz in der "Mitte Deutschlands" kam ab Juli 1990 noch die Währungsunion und die damit verbundene Sonderkonjunktur, von der besonders Einzelhandel, KFZ - Gewerbe und Baubranche profitierten.
Für eine Reihe von Unternehmen eröffneten sich zudem durch den Wegfall der Randlage neue Perspektiven. Die jetzt wieder unbegrenzt vorhandene Möglichkeit, neue Absatzmärkte auch in Mittel- und Ostdeutschland zu erschließen und sie von hier aus zu bedienen, veranlasste sowohl neue als auch alteingesessene Unternehmen zu erheblichen, vor allem baulichen Investitionen. Sorge bereitete allerdings nach wie vor die Arbeitslosenquote, die im Spätsommer 1990 kreisweit immer noch bei 9,5 % lag.
Der kurzfristige Nachfrageboom mit seinen günstigen Effekten war allerdings relativ schnell vorbei und machte schon ab 1991 einer "... Stagnation auf hohem Niveau mit rückläufiger Tendenz" Platz. Hinzu kam, dass sich mit dem sogenannter "Fördergefälle" - Wegfall der Zonenrandförderung in Hessen und hohe Förderung in Thüringen - ein neues und nicht unerhebliches Problem für unsere Region auftat. Viele Unternehmen, die mit einer Betriebsansiedelung im Werra-Meißner-Kreis geliebäugelt hatten, gingen lieber ins benachbarte Thüringen und selbst einige heimische Unternehmen schlossen hier die Tore, nur um ihre Produktion in den neuen Ländern förderbegünstigt wieder aufzunehmen. Hinzu kam der schon angesprochene Strukturwandel, der erst im neuen Jahrtausend nach dem Verschwinden traditioneller Industriezweige (Möbel, Zigarren, Textil) seinen Abschluss fand.
Dem standen allerdings auch positive Entwicklungen in der Ansiedelung neuer und vor allem der Sicherung bzw. Erweiterung bestehender Unternehmen gegenüber. Und dies nicht nur lokal begrenzt, sondern in allen Teilen des Kreises. Zu nennen sind hier, um nur einige Beispiele zu nennen, die Firmen Stiebel-Eltron, Friedola, Bode, REGE, H. Angers & Söhne, Seeger Engineering AG und SCA, die nicht nur ihre Produktionspalette erweiterten und dadurch neue Arbeitsplätze schufen, sondern auch weit über die Region hinaus bzw. sogar weltweit hohes Ansehen genießen.
Erfreulich auch, dass durch eine beachtliche Zahl an Existenzgründungen im ersten Jahrzehnt nach der Grenzöffnung annähernd eintausend neue Arbeitsplätze geschaffen werden konnten - hier versuchte der Kreis über die WFG durch den Aufbau eines "Gründer und Innovationszentrums", das im November 2001 in Witzenhausen eingeweiht werden konnte, unterstützend zu wirken.
Auch auf finanzieller Ebene war man bestrebt, die Gründung neuer Unternehmen zu unterstützen. So wurde im Mai 1999 in Kooperation mit der Sparkasse Werra - Meißner und den Genossenschaftsbanken des Kreises ein "Wagniskapitalfonds" ins Leben gerufen, mit dem sich bei aussichtsreichen Unternehmensgründungen fehlendes Eigenkapital durch haftendes Beteiligungskapital der WFG ersetzen ließ und so den Gründerfirmen die Möglichkeit eröffnete, zusätzliches Fremdkapital zu erschließen.
Die WFG, die das erste Jahrzehnt ihrer Arbeit als ausschließlich kommunale Gesellschaft geleistet hatte, wurde zur Jahrtausendwende "runder gemacht", wie es Landrat Dieter Brosey auf der Gesellschafterversammlung im Juli 1999 formulierte. Gemeint war die organisatorische Erweiterung der WFG hin zu den Institutionen der Wirtschaft im Kreis. Sinnbildliches Zeichen dafür war die Erweiterung des Aufsichtsrates mit Vertretern von IHK und Kreishandwerkerschaft sowie den Repräsentanten der heimischen Kreditinstitute.
Unter der Maxime "Wirtschaftsförderung könne nur erfolgreich sein, wenn die Kräfte gebündelt werden" machte man aber nicht nur personell sondern auch räumlich mit dem "Zentrum der Wirtschaft" in Eschwege deutlich, welch hohen Stellenwert der Bereich Wirtschaftsförderung in der Agenda des Kreises hatte.
Als gemeinsame Geschäftsstelle von WFG und IHK - im August 2000 kam noch der Verein für Regionalentwicklung und später auch die "Werratal Tourismus Marketing GmbH" sowie die Werratal Energie- und Umweltgesellschaft hinzu - war dieses "gemeinsame Haus der Wirtschaft", wie es IHK - Hauptgeschäftsführer Walter Lohmeier während der Einweihung formulierte, "... ein sehr selbstbewusstes Signal in Richtung der Wirtschaft, aber auch der Wirtschaft, sich präsent zu machen. Die gemeinsame Einrichtung werde neue Akzente setzten bei der Zusammenarbeit. Wirtschaftsförderung ist eine Gemeinschaftsaufgabe, was hier in fabelhafter Weise sichtbar wird."
Wie notwendig eine noch intensivere Wirtschaftsförderung durch eine kompetente und rundum vernetzte Schaltstelle für die Region war, hatte die zweite Hälfte der 90er Jahre gezeigt. "Lage im Kreis dramatisch", "Werra-Meißner-Ort übertrifft 20 %", "Höchste Quote seit Jahrzehnten", "Rasanter Anstieg in zehn Jahren", "Mit 15,5 % neuer Rekord": Diese (unvollständige) Auswahl an Schlagzeilen der lokalen Presse aus den Jahren 1996 und 1997 dokumentieren die damalige Lage am heimischen Arbeitsmarkt - die Arbeitslosigkeit im Werra-Meißner-Kreis befand sich 1993 im zweistelligen prozentualen Bereich und hatte ab Mitte des Jahrzehnts mit Quoten von 15-17 % bis dahin nicht für möglich gehaltene Höchststände erreicht.
Die Gründe dafür waren vielschichtig. Neben der gesamtwirtschaftlichen Situation und dem schon angesprochenen Strukturwandel incl. zahlreicher Betriebsverlagerungen bzw. Schließungen, gab es auch eine Vielzahl hausgemachter Gründe, die den Werra-Meißner-Kreis zum "Arbeitsplatz - Sorgenkind" werden ließen.
Zu nennen sind in diesem Zusammenhang das Fördergefälle nach Thüringen, das neue Betriebsansiedelungen außerordentlich erschwerte, dann betriebsimmanente Faktoren wie nicht mehr wettbewerbsfähige Technik und veraltete Maschinen, überkommene Arbeitsstrukturen und fehlende Rückgriffe auf die Kreativität der Mitarbeiter.
Anknüpfungspunkte für eine zielgerichtete Wirtschaftsförderung waren also genug vorhanden. Mit zahlreichen Initiativen und Projekten auf Kreisebene wie u. a. der "Perspektive 5o+", "Bioregion im Werratal", "Berufs- und Bildungsmesse Perspektiven" und überregionalen gemeinsamen Marketingaktivitäten mit anderen Institutionen - hier ist in erster Linie das Regionalmanagement Nordhessen zu nennen - konnte der seit 2002 erkennbare Trend zur Verbesserung der Arbeitsmarktsituation im Kreis unterstützt werden.
Aktuell stellt sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt uneingeschränkt positiv dar: Mit einer Quote von 6,4 % für das Jahr 2013 ist die Arbeitslosigkeit seit Mitte der 90er Jahre um über 10 % zurückgegangen - wenn sich bislang auch noch nicht alle Blütenträume erfüllt haben, so ist der eingeschlagene Weg offensichtlich richtig gewesen.
Zu diesem Weg gehören nicht nur die Neuansiedelung von Betrieben, erfolgreiches Außenmarketing und die Initiierung neuer Betätigungsfelder. Ebenso dazu gehört die Stärkung der bestehenden Unternehmen durch zielgerichtete Beratung und Unterstützung bei der Herstellung positiver Außenwirkung. Ein Paradebeispiel für Letzteres ist der im Jahr 2004 vom Werra-Meißner-Kreis und der heimischen Kreditwirtschaft ins Leben gerufene "Innovationspreis Werra - Meißner", der seitdem im zweijährigen Turnus an Unternehmen mit besonders innovativen und erfolgreichen Geschäftsfeldern verliehen wird.
Die Präsentation von eingegangenen Bewerbungen und Preisträgern bietet dabei jedes Mal einen Blick auf die Leistungs- und Zukunftsfähigkeit der heimischen Wirtschaft und ist dadurch zu einem ganz wichtigen Schaufenster der Wirtschaft des Werra-Meißner-Kreises geworden. "Wer hätte das gedacht?", kommentierte die Lokalpresse die Verleihung des ersten Innovationspreises, zu dem 41 Betriebe ihre Bewerbungen eingereicht hatten, "... im Werra-Meißner-Kreis sind die Unternehmen mit Sicherheit nicht minder erfindungsfreudig als anderswo. Bislang arbeiteten die Ideenschmieden weitgehend im Verborgenen. Warum nur hielten die Firmen mit ihren sehenswerten Erfolgen bislang hinter dem Berg? (...) Gut, dass die Verleihung des Innovationspreises Werra-Meißner dafür sorgt, dass die innovativen Betriebe und die Menschen, die dafür stehen, der Öffentlichkeit bekannter werden. Das dient mit Sicherheit als Ansporn für weitere (...) zukunftsträchtige Entwicklungen. Und es fördert auch das Selbstbewusstsein der (...) Region."
Der Stärkung bestehender Unternehmen dient auch die Initiative "Tu`s hier", ein Zusammenschluss unterschiedlichster Betriebe und Wirtschaftsunternehmen aus dem gesamten Kreisgebiet. Ihr vordringlichstes Ziel ist die Schaffung eines Bewusstseins dafür, dass viele Produkte und Dienstleistungen in hervorragender Qualität und wettbewerbstauglichem Preis/Leistungsverhältnis in den Städten und Gemeinden des Kreises sozusagen "vor der Haustür" angeboten werden und - bei Wahrnehmung dieses Angebotes - der regionale Wirtschaftskreislauf zum Nutzen aller gestärkt wird.
Angesiedelt ist "Tu`s hier" beim "Verein für Regionalentwicklung" (VfR), der 1995 gegründet wurde und dem auch der Werra-Meißner-Kreis, neben zahlreichen interessierten Bürgern, Verbänden und Kommunen aus dem ganzen Kreisgebiet, federführend angehört. Der VfR hat in den fast zwanzig Jahren seines Bestehens im und für den Kreis bereits eine Menge Positives initiiert und bewegt und u. a. das "Regionale Entwicklungskonzept Werra-Meißner" auf den Weg gebracht, das als Leitfaden für eine eigenständige Regionalentwicklung von besonderer Bedeutung ist.
In diesen Rahmen gehört auch der Gesamtkomplex Tourismus, der nicht nur zu einem wesentlichen Baustein nachhaltiger Regionalentwicklung, sondern auch zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor des Werra-Meißner-Kreises geworden ist und darüber hinaus als eine der "Zukunftsindustrien" in der Region gilt. Nach dem "Fremdenverkehrsverband Werra-Meißner" und dem Nachfolgeverein "Werra - Meißner - Touristik e. V." firmiert der Tourismus im Kreis seit dem Juli 2007 als "Werratal Tourismus Marketing GmbH" (WTMG).
Der GmbH, die räumlich im "Zentrum der Haus der Wirtschaft" in Eschwege angesiedelt ist, gehören neben dem Kreis selbst mit Ausnahme der Stadt Hess. Lichtenau alle Kommunen des Werra-Meißner-Kreises und die Gemeinde Nentershausen an.
Unter der Dachmarke "Werratal-Erlebnisland Werra-Meißner" hat die WTMG seit ihrer Gründung schon einiges hinter, aber noch viel mehr vor sich. "Wir sind ein gutes Stück vorangekommen, haben aber noch längst nicht alles realisiert", so das Fazit der Geschäftsführerin Claudia Krabbes anlässlich des fünfjährigen Bestehens der GmbH.
Ein wichtiger, wenn auch nicht unumstrittener, Schritt war seinerzeit die Einführung der Dachmarke "Werratal", mit der man seitdem zielgerichtet in die bundesweite Vermarktung der Region gegangen ist. Das touristische Pfund, mit dem das "Erlebnisland Werra-Meißner" dabei wuchern kann, ist der landschaftlich reizvolle Raum im Flussdreieck von Werra, Fulda und Weser.
In einer Mittelgebirgslandschaft, in der Berge, Burgen, Wald und Wasser zu jeder Jahreszeit immer neue Eindrücke bieten, Fauna und Flora in selten gewordenen Arten zu finden sind und die Landschaft kaum zersiedelt ist, gibt es beste Voraussetzungen für erholsamen Natururlaub und abwechslungsreiche Freizeitgestaltung.
Stark im Mittelpunkt steht dabei das Naturerlebnis selbst, denn über 40 % des Kreisgebietes sind meist großflächig mit zusammenhängenden Mischwäldern bedeckt, die zu über 80 % unter Natur- bzw. Landschaftsschutz stehen. Große Bedeutung kommt dabei dem durch viele Rad- und Wanderwege hervorragend erschlossenen Naturpark Meißner - Kaufunger Wald zu, der zu den schönsten Naturlandschaften Deutschlands zählt.
Als der Park 1962 gegründet und als Zweckverband organisiert wurde, sind ca. 45.000 ha unserer Region in ihm aufgenommen worden - damit war er der drittkleinste hessische Naturpark. Nach der Parkerweiterung im Jahr 2007 auf rund 93.000 ha ist er mittlerweile der drittgrößte Naturpark in Hessen, zu dessen Gebiet neben dem Meißner und dem Kaufunger Wald auch die Söhre sowie große Teile des Werratals mitsamt der "Hessischen Schweiz" und dem Ringgau gehören. Zahlreiche Infopunkte an markanten Stellen, gut ausgeschilderte Wanderwege und attraktive Produkte in Form geführter Erlebniswanderungen, der Naturparkküche mit regionalen Spezialitäten, dem Bergwildpark sowie neuerdings Mohnblüte und -vermarktung schafft der Naturpark Grundlagen für nachhaltigen Tourismus in der Region und steigende Wertschöpfung für die Wirtschaft.
Gemeinsam mit den benachbarten Naturparken in Thüringen und Niedersachsen (Naturpark Eichsfeld - Hainich - Werratal, Naturpark Hainich und Naturpark Münden) ist so ein "grünes Herz" mitten in Deutschland entstanden, das für Besucher jeder Altersstufe immer attraktiver wird.
Neben dem wachsenden Netz an qualitätsgeprüften Premiumwanderwegen unterschiedlicher Länge (5-22 km) und Schwierigkeitsgrade, die die schönsten Orte des Kreises für die steigende Zahl der Wanderbegeisterten erschließen, berühren auch mehrere Fernwanderwege wie etwa der neue Werra-Burgen-Steig oder der Barbarossaweg unsere Region und steigern so die Attraktivität des Werra-Meißner-Kreises als touristisches Ziel.
Sehr gut erschlossen präsentiert sich auch das kreisweite Radwegenetz mit dem 300 km langen "Werratal-Radweg" als Zugpferd. Dieser Fernradweg, der die Quellen der Werra am thüringischen Rennsteig mit dem Zusammenfluss von Werra und Fulda zu Weser in Hann. Münden verbindet, gehört mittlerweile zu einem den beliebtesten Radwege Deutschlands und wird bundesweit vom "Werratal-Touristik e. V." in Bad Salzungen vermarktet.
Dieser hessisch - niedersächsisch - thüringische Tourismus Verein ist 1996 unter starker Beteiligung des Werra-Meißner-Kreises und einer ganzen Reihe kreisangehöriger Städte und Gemeinden gegründet worden und hat seitdem wesentlich dazu beigetragen, länderübergreifend den Tourismus in der Mitte Deutschlands zu stärken.
Neben Wandern, Radfahren und, mit Abstrichen, auch dem Kanu - Tourismus auf der Werra als Standbeinen des Aktivurlaubes, kann der Werra-Meißner-Kreis mit einer Fülle begleitender touristischer Angebote aufwarten. Dazu gehören u. a. zahlreiche Museen, die vom Verein für Regionalentwicklung im Museumsverbund vermarktet werden, die sehens- und erlebenswerten Fachwerkstädte mit ihrem historischen Häuserensemble und nicht zuletzt die immer intensiver als Freizeitorte genutzten Werratalseen.
Ein ganz wichtiger Baustein im touristischen Angebot des Kreises ist die "Gesundheitslandschaft Werra-Meißner" mit Bad Sooden-Allendorf im Zentrum. Nicht nur, dass der traditionsreiche Kurort mit seinen Reha-Kliniken über die Hälfte der kreisweiten Übernachtungen generiert, hier bündeln sich praktisch auch alle Stränge der unterschiedlichen touristischen Schwerpunkte des Kreises.
Hier trifft der Meißner mit Frau Holle als Märchen- und Sagengestalt, der Wandervielfalt und dem Naturerlebnis auf das Werratal mit Rad- und Kanutouristen, wird die Fachwerkvielfalt der historischen Innenstädte mit dem Wellness-Erlebnis kombiniert.
Bad Sooden-Allendorf bietet mit der WerratalTherme als einziger Anlage ihrer Art im Werra-Meißner-Kreis auf 1000 m² Wasserfläche die Heilkraft der Sole in vielfältiger Weise. Dabei gehört die Bündelung der Angebote im Gesundheitswesen und Wellnessbereich zur Philosophie der Gesundheitslandschaft Werra-Meißner: Von der Vorsorge über die Akutversorgung bis zur Nachsorge mit medizinischen und pflegerischen Leistungen reicht hier das breit Angebotsspektrum.
Relativ neu im touristischen Angebot des Kreises ist das sogenannte "Werratal - Culinarium", das die kulinarischen Highlights der Region wie z. B. "Ahle Wurscht", Witzenhäuser Kirschen, Ringgauer Käse, Meißnerlamm, Schmandkuchen und Bier aus dem Werratal bündelt und ins rechte Licht rückt.
Das Gesamtkonzept des Tourismus Marketing im Werra-Meißner-Kreis war für Henry Thiele, den damaligen Ersten Kreisbeigeordneten und gleichzeitig Gründungsgeschäftsführer der neuen WTMG im Juli 2007 wie ein "Theaterstück", mit dem man die "touristischen Potenziale der Region heben könne(...) Die schöne Landschaft ist dabei quasi die Kulisse. Aber kein Mensch geht wegen einer schönen Kulisse ins Theater. Da gebe es schließlich noch die Orte mit ihren touristischen Angeboten als Darsteller und eine Handlung, die wesentlich von der Regie vorangetrieben werde. Die Regie, das soll die Aufgabe der in Gründung befindlichen Marketing GmbH sein", brachte er das Konzept auf den Punkt.
Rund 177.000 Gäste (mit 761.000 Übernachtungen) haben sich 2012 von diesem "Theaterstück" überzeugen lassen - zwar nur unwesentlich mehr als 2008, aber deutlich mehr als in den Jahren vor der Gründung der WTMG. Zur Erreichung des Ziels, das sich die GmbH bei ihrer Gründung setzte, nämlich wie in den 80er und frühen 90er Jahren wieder "Übernachtungsmillionär" zu werden, bedarf es allerdings noch erheblicher Anstrengungen.
Folgt man den aktuellen Berechnungen des Regionalmanagements Nordhessen, wird der gesamtwirtschaftliche Stellenwert des Tourismus für den Werra-Meißner- Kreis deutlich, denn diese 761.000 Übernachtungen haben, in Euro umgerechnet, ein Umsatzvolumen von annähernd 100 Mio. Euro.
Ein solches Umsatzvolumen kann die heimische Landwirtschaft nicht, oder anders ausgedrückt, nicht mehr aufweisen. Dennoch ist sie im Werra-Meißner-Kreis nach wie vor ein eminent wichtiger Wirtschaftszweig, der - wie z. B. auch in den Tourismus - in viele Lebens- und Arbeitsbereiche ausstrahlt.
Bei einem kurzen Rückblick in das Gründungsjahr des Kreises finden wir über die heimische Landwirtschaft folgende Aussage: "Für den neuen Werra-Meißner-Kreis wird auch zukünftig die Landwirtschaft eine überragende Bedeutung behalten.
Dies nicht nur aus Sicht der Produktivität und der wirtschaftlichen Leistung, sondern zunehmend im Hinblick auf die Erhaltung einer geordneten Kulturlandschaft. Die Wirtschaftsfläche beträgt rund 100.000 ha. Es ist eine landwirtschaftliche Nutzfläche von 46.300 ha vorhanden, und davon werden 28.370 ha ackerbaulich und 16.200 ha als Dauergrünland genutzt. Sehr große Teile des Kreises, etwa 42.000 ha, sind Waldfläche; selbst für das waldreiche Hessen stellt dies einen hohen prozentualen Anteil an der Gesamtfläche dar."
Hinzu kamen noch ca. 1.000 ha sogenannte "Grenzertragsböden", deren Nutzung höhere Aufwendung erforderte als der zu erwartende Ertrag ausmachte und ungefähr 3.200 ha Öd- oder Unland.
Zwanzig Jahre später hatte sich die landwirtschaftliche Nutzfläche um 7.300 ha oder rund 16 % auf 39.000 ha verringert. Zwei Drittel dieser Fläche wurden als Ackerland genutzt - besonders im Werratal und in den Niederungen um die Wehre - der Rest als Weide- und Grünland am Westrand des Meißners, dem Ringgau und dem Sontraer Land. An diesen Zahlen hat sich bis heute nur wenig geändert: Sowohl in den Jahren 2009 als auch 2012 wurden etwas mehr als 38.000 ha des Kreisgebietes landwirtschaftlich genutzt, wobei jeweils 23.800 ha als Ackerland und 14.200 ha als Grünland bewirtschaftet wurden.
Dabei hat sich das Verhältnis der angebauten Feldfrüchte zueinander nur wenig verändert. Sowohl 1974 als auch in den Jahren 1995, 2009 und 2012 dominierten die gängigen Getreidearten Winter- und Sommergerste sowie Winter- und Sommerweizen mit jeweils gut 60 % der Anbaufläche. Die restlichen 40 % teilten sich hauptsächlich Ölfrüchte und Ackerfutter - alle anderen Anbauformen wie Obstbau und Baumkulturen, Hackfrüchte und Gartenbau waren, und sind, zumindest von der genutzten Flächen, ohne größere Bedeutung.
Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang noch der Kirschenanbau als Sonderkultur im Werratal und Witzenhausen und Bad Sooden-Allendorf sowie dem unteren Gelstertal bis Hundelshausen, der sich bis 1573 zurückverfolgen lässt und über die reine Obstvermarktung hinaus eine nicht unerhebliche Bedeutung im Außenmarketing und Tagestourismus besitzt.
Deutlichere Veränderungen sind im Bereich der Tierhaltung festzustellen. In diesem Segment liegt der der Schwerpunkt im Werra-Meißner-Kreis auf Rindviehhaltung und Schweinemast, wobei insbesondere die Rinderhaltung den typischen Produktionszweig landwirtschaftlicher Betriebe in Mittelgebirgslagen wie der hiesigen darstellt.
Gab es Anfang der 70er Jahre des vorigen Jahnhunderts noch annähernd 39.000 Rinder im heutigen Kreisgebiet, so hat sich diese Zahl ebenso kontinuierlich wie drastisch verringert. Über 24.000 im Sommer 1995 - ein Minus von knapp 40 % - schrumpfte die Zahl des Rindviehs auf 14.664 (2009), um aktuell bei 13.225 Tieren angelangt zu sein, was einen Rückgang von zwei Dritteln des ursprünglichen Tierbestandes bedeutet.
Rückläufig war insbesondere die Milchviehhaltung, was allerdings nicht zwangsläufig eine Minderung der Milcherzeugung in gleichem Ausmaß bedeutete, denn die Milchlieferung ist von einem ganz speziellen Quotensystem abhängig. Den Bauern des Werra-Meißner-Kreises standen lange Zeit rund 50 Mio. Liter Milch pro Jahr als Liefermenge zu, die sich dann auf 48,4 Mio. Liter reduzierten, um schließlich in jüngster Zeit noch einmal um 2,5 Mio. Liter abzunehmen.
Diese Liefermengen konnten trotz einer immer geringeren Anzahl von Tieren erbracht werden - von 14.799 (1971) über 8.113 (1995) bis hin zu 6.629 Milchkühen im Jahr 2009. Die letzte Erhebung aus dem Jahr 2012, die dem Zweiten Bericht zur Lage der Landwirtschaft zu Grunde liegt, sieht die Zahl der Milchkühe im Werra-Meißner-Kreis bei 6.075, Tendenz weiter fallend.
Nicht ganz so gravierend gestaltete sich der Rückgang im Bereich der Schweinehaltung. Wurden Anfang Dezember 1972 noch insgesamt 45.500 Mastschweine gezählt - ohne Ferkel bis acht Wochen, Zuchtsauen und Eber - so verringerte sich diese bis 1995 auf 28.500, um schließlich 2009 auf 17.821 zu sinken - mithin ein Verlust von knapp 60 % des Schweinebestandes von 1972.
Seitdem ist der hier der Bestand konstant, was u. a. auch an der intensiveren Vermarktung des Produktes "Ahle Wurscht" liegen mag, die nicht nur regional von Bedeutung ist, sondern in den letzten Jahren durch intensiveres Marketing einen erheblich größeren Bekanntheitsgrad erlangt hat. In diesem Bereich ist auch der Werra-Meißner-Kreis tätig und stellt durch das "Werratal Culinarium" seit einiger Zeit die Verbindung zwischen heimischer Landwirtschaft, entsprechenden Urlaubsangeboten und den Endverbrauchern im gesamten Bundesgebiet her.
Besonders deutlich wird der Wandel im Bereich der Landwirtschaft bei einem Blick auf Zahl und Struktur der Betriebe. Im Jahr 1971 wurden auf der Fläche des heutigen Werra-Meißner-Kreises noch insgesamt 4.546 Betriebe gezählt, die eine Fläche von 41.414 ha bewirtschafteten - statistisch gesehen hatte also jeder Betrieb 9,6 ha zur Verfügung. Ein knappes Vierteljahrhundert später hatte sich die Zahl der Betriebe um 2.828 oder 62 % auf nur noch 1.781 vermindert, die allerdings mit 39.000 ha nur eine geringfügig kleinere Fläche zur Verfügung hatten. Die durchschnittliche Betriebsgröße war auf 22,7 ha gewachsen, was dem Zweieinhalbfachen von 1971 entsprach.
Damit war dieser Prozess bei weitem noch nicht beendet. Die aktuelle Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe im Werra-Meißner-Kreis liegt bei 1.009 (1.062 in 2009), wovon 307 (319 in 2009) als Haupterwerbsbetriebe gelten und 702 (743 in 2009) die Landwirtschaft im Nebenerwerb betreiben. Dabei bewirtschaften die Betriebe im Haupterwerb mit 29.041 ha rund 75 % der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche des Kreises - der Anteil der Nebenerwerbsbetriebe an der landwirtschaftlichen Fläche des Kreises beträgt nur 25 % und liegt damit deutlich unterhalb des Bundesdurchschnitts von 36 %.
Dabei haben die Haupterwerbsbetriebe ihre die genutzte Fläche auf durchschnittlich 95 ha gesteigert, was deutlich über dem hessischen Durchschnitt liegt (74 ha in 2011) und den Konzentrationsprozess weiter fortsetzt. Im Gegensatz dazu stagniert die durchschnittliche Fläche der Nebenerwerbsbetriebe bei 13 ha und liegt damit weit unter dem Hessenschnitt, der bei 24 ha liegt.
Überdurchschnittlich abgenommen hat vor allem die Zahl der Kleinstbetriebe unter 5 ha auf aktuell 295, die zusammen nur 808 ha bewirtschaften. Wenn dies auch nur noch 2 % der landwirtschaftlichen Flächen insgesamt ausmacht, so sind diese Betriebe vor allem bedeutsam "... in Hinblick auf Biodiversität in den Gemarkungen von Bedeutung: Je mehr unterschiedliche Betriebe Flächen bewirtschaften, um so vielgestaltiger ist die Landnutzung (Kulturen, Nutzungszeitpunkte, räumlicher Wechsel von intensiver und extensiver Nutzung), was sich positiv auf die Artenvielfalt auswirkt."
Hinsichtlich der betrieblichen Schwerpunkte lässt sich festhalten, dass die Landwirtschaft im Werra-Meißner-Kreis in etwa dem hessischen Landesdurchschnitt entspricht. Dabei ist die Spezialisierung weniger stark ausgeprägt und der Verbund zwischen Ackerbau und Tierhaltung stellt die charakteristische Betriebsform dar. Die Intensität der Produktion ist eher gering und geht mit einer relativ niedrigen Viehdichte einher.
Im Jahr 2012 hatte die Landwirtschaft des Werra-Meißner-Kreises laut dem "Lagebericht" folgendes Gesicht:
Der ökologische Landbau, der mit dem Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften der Universität Kassel in Witzenhausen ein international renommiertes wissenschaftliches Zentrum besitzt, hat jenseits aller wissenschaftlichen Forschung auch die praktische Landwirtschaft im Werra - Meißner erweitert und verändert.
In dem bereits erwähnten Buch zum Kreisgeburtstag 1999 fristete der ökologische Landbau noch ein relativ bescheidenes Randdasein: Auf insgesamt fünf Seiten "Landwirtschaft" beschäftigten sich ganze dreizehn Zeilen mit dem ökologischen Landbau. "1995 wirtschafteten 34 Betriebe nach den Regeln des ökologischen Landbaus", begann der Absatz, um dann fortzufahren, "Sehr oft haben sich diese Betriebe - wie auch einige konventionell wirtschaftende - neue Vermarktungswege (Wochenmärkte, Hofläden. Lieferservice u. a.) erschlossen und liefern ihre frischen und hochwertigen Produkte direkt an den Endverbraucher. Sie tun dies in der Regel sehr engagiert und erfolgreich, obgleich die Voraussetzungen für diese Vermarktungsform im dünn besiedelten und kaufkraftschwachen Werra-Meißner-Kreis nicht besonders günstig sind."
In den vergangenen fünfundzwanzig Jahren ist eine Menge geschehen und die Zahl der ökologisch wirtschaftenden Betriebe hat sich bis 2012 auf 77 erhöht und damit mehr als verdoppelt. Zentren des ökologischen Landbaus sind die Region Witzenhausen mit zwanzig und Bad Sooden-Allendorf mit dreizehn Betrieben. Knapp 8 % der landwirtschaftlichen Betriebe im Kreisgebiet wirtschaftet mittlerweile ökologisch und nutzt dabei insgesamt 3.596 ha Fläche, die zu zwei Drittel als Grünland und einem Drittel als Ackerland dient.
Die durchschnittliche Flächenausstattung lag 2012 bei 47 ha, Landwirtschaft im Haupterwerb betrieben 40 % der Öko - Betriebe. Die meisten ökologisch wirtschaftenden Betriebe hielten Rinder (25 Mutterkuhhalter und 7 Milchviehhalter) oder Schafe, so dass hier Futterbau- und Verbundbetriebe überdurchschnittlich vertreten waren. Besonders bedeutsam ist im Werra-Meißner-Kreis die ökologische Schafhaltung, auf deren 17 Betriebe mit 4.316 Tieren mehr als die Hälfte des gesamten heimischen Schafbestandes kam.
Im Kielwasser der Universität Kassel ist im Kreis eine hohe Konzentration von Bio - Betrieben entstanden, die von der WFG als "Bio - Region Werratal" vermarktet werden. Im Februar 2013 gehörten 92 Anbieter dazu, die vom Honig über Rindfleisch, Getreide, Schafen bis hin zu Käse, "Ahler Wurscht", mobilen Hühnerställen und Seifen ein breit gefächertes Angebot repräsentieren.
Der Werra-Meißner-Kreis ist also in den vergangenen Jahren immer mehr zum "Paradies für Bio - Freunde" geworden, wie die WR am 8. Februar 2013 titelte. Zum Ausdruck kommt dies u. a. auch darin, dass zahlreiche heimische Betriebe im Kontext mit der Uni - Kassel regelmäßig das Land Hessen auf der Weltleitmesse "Bio - Fach" in Nürnberg vertreten und damit den Kreis als überaus zukunftsfähig in diesem stetig wachsenden Segment der Landwirtschaft präsentieren.
Trotz aller teils einschneidender Veränderungen zeigt sich die Landwirtschaft im Werra-Meißner-Kreis robust, flexibel und damit zukunftsfähig. Dabei ist sie, wie es Horst Kupski, der damalige Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Werra-Meißner ausdrückte, "... mehr als nur die Herstellung von Lebensmitteln und nachwachsenden Energierohstoffen, sondern auch der Erhalt und die Pflege der Kulturlandschaft. Ohne Bewirtschaftung verbuschen Flächen, das erhöht die Attraktivität der auch touristisch vermarkteten Landschaft nicht."
Immer älter, immer weniger - den demografischen Wandel gestalten
Dünn besiedelt war unsere Region schon immer. Dies galt für die Jahrzehnte vor dem Zweiten Weltkrieg ebenso wie für die erste Nachkriegszeit bis zur Gründung des Werra-Meißner-Kreises. Zwar erhöhten sich durch Flüchtlingszuzüge und Heimatvertriebene die Einwohnerzahlen der damaligen Kreise Eschwege und Witzenhausen nach 1945 erheblich, aber mit 123.500 "Werra-Meißnerianern" zählte man zur Geburtsstunde des neuen Kreises am 1. Januar 1974 neben dem Vogelsbergkreis in Mittelhessen sowie dem Odenwaldkreis ganz im Süden des Landes zu den bevölkerungs- und auch wirtschaftsschwächsten Landstrichen Hessens.
Daran hat sich seit damals nichts geändert. Bereits in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts konnte, bedingt durch die problematische wirtschaftliche Lage an der innerdeutschen Grenze, ein schleichender aber stetiger Bevölkerungsrückgang nicht verhindert werden.
Die im Schnitt relativ hohe Arbeitslosigkeit - Mitte der 80er Jahre lag sie im Werra-Kreis-Kreis bei 11,4 % und damit um 4 % höher als der vergleichbare Hessenwert von 7,4 % - tat ein Übriges und immer mehr Menschen kehrten auf der Suche nach zukunftssicheren Arbeitsplätzen dem Werra-Meißner-Land den Rücken. Noch war dies eine bloße Wanderungsbewegung, durch welche die Bevölkerung im Kreis bis zum November 1989 um rund 11.000 Personen bzw. knapp 9 % schrumpfte und kurz vor der Grenzöffnung mit 111.991 ihren niedrigsten Wert seit 1974 erreichte.
Dann kam die Grenzöffnung, die, wie im Jubiläumsbuch zum 25. Kreisgeburtstag angemerkt, "... deutlich positiven Einfluss auf die Bevölkerungsentwicklung hatte" und die Zahl der Einwohner bis 1993 auf wieder rund 117.903 ansteigen ließ. Seitdem ist die Bevölkerungszahl allerdings stetig im Sinken begriffen und über 107.156 im Jahr 2007 und 100.600 am 30. Juni 2013 aktuell bereits unter die 100.000 Einwohner Grenze gerutscht.
An dieser Marke soll mit dem Bevölkerungsrückgang, laut der Studien und Prognosen unterschiedlichster Institute, des statistischen Landesamtes und - dies erst jüngst - des hessischen Rundfunks, noch lange nicht Schluss sein. Die Voraussagen sind allerorten bescheiden, besonders alarmierend aber im aktuellen sogenannten "Demografie-Atlas" von hr-online vom Januar 2014.
Hier verliert der Werra-Meißner-Kreis bis 2030 mit 20 % der Bevölkerung so viele Menschen, wie kein anderer Landkreis in Hessen und wird dann nur noch knapp über 80.000 Einwohner haben. Nicht optimistischer stimmt auch der Blick in die etwas entferntere Zukunft: Bis zum Jahr 2050 sollen im Land an Werra und Meißner nur noch etwas über 62.000 Menschen leben - rund 40 % weniger als 2014 und nur noch die Hälfte der Einwohner des Jahres 1974.
Allerdings sind weder die Prognosen noch die skizzierte Entwicklung neu. Das Problem einer schrumpfenden Bevölkerung einerseits und, über die reine Abwanderung hinaus, deren gleichzeitige Veränderung der Altersstruktur andererseits steht unter der Bezeichnung "Demografischer Wandel" schon seit geraumer Zeit in vielen davon betroffenen Landstrichen auf der Tagesordnung.
Der Blick auf eine willkürliche Auswahl von Schlagzeilen der Presse im Werra-Meißner-Kreis aus den vergangenen zehn Jahren zeigt, dass die Problematik der abnehmenden und gleichzeitig alternden Bevölkerung zu einem ganz wichtigen Thema innerhalb der kreisweiten Öffentlichkeit geworden ist: "Der Kreis vergreist" (Juli 2004), "Eine Stadt verschwindet" (November 2004), "Die alternde Stadt" (Februar 2006), "Die Zeit des Abschieds - demographischer Kollaps kommt" (Oktober 2006), "Zahlen die Angst machen - Dörfer sollen nicht zu Wüstungen werden" (Februar 2009), "Dramatische Zahlen für den Kreis" (März 2009), "Kreis rutscht unter 100.000 Einwohner" (November 2013).
Sehr früh schon waren sich die politisch Verantwortlichen der Brisanz des Themas bewusst und handelten. Innerhalb der Verwaltung wurde eine Stabsstelle Demografie geschaffen, hinzu kamen ein "Forum demografischer Wandel" mit Vertretern aus allen gesellschaftlichen Bereichen und ein Regionalforum mit vielen ehrenamtlichen Kommunalpolitikern. Der Kreis hat seit 2004 nicht nur die Herausforderungen angenommen, sondern auch seine "Hausaufgaben" gemacht und quer durch Politik, Verwaltung und Gesellschaft tragfähige Strukturen und Netzwerke aufgebaut.
"Wenn der Werra-Meißner-Kreis nicht eines Tages als Landschaftsmuseum von sich reden machen will, muss dem Phänomen des Bevölkerungswandels gezielt entgegengewirkt werden" - diese klaren Worte des Kasseler Professors Ulf Hahne, formuliert auf dem 2. Regionalforum des Kreises Anfang Oktober 2006, fielen bereits auf fruchtbaren Boden und die zusätzlich aufgestellten Forderung des Wissenschaftlers, sowohl in den Städten und Gemeinden wie auch im Kreis Leitbilder und Profile zu schärfen, wurde von allen Beteiligten des Forums unterstützt.
Diese seinerzeit postulierten Forderungen Hahnes, der als Leiter des Fachgebiets für nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung an der Universität Kassel bestens mit der Problematik vertraut ist, kann man getrost als Leitlinie für all das bezeichnen, was der Kreis seitdem zur Bewältigung des demografischen Wandels unternommen hat.
Einen großen Schritt nach vorn im Rahmen dieser Anstrengungen brachte das Jahr 2009: Ende April wurde neben dem Landkreis Ostfriesland auch der Werra-Meißner-Kreis aus 35 westdeutschen Bewerbern als Modellregion für das Programm "Demografischer Wandel - Region schafft Zukunft" der Bundesregierung ausgewählt.
Der damalige Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Wolfgang Tiefensee (SPD), der auf einer Pressekonferenz in Berlin Modellregionen und Programm vorstellte, begründete die Entscheidung für den Werra-Meißner-Kreis damit, "... dass der Kreis innerhalb der Gruppe von 35 westdeutschen Bewerbern mit den besten strategischen Ansätzen aufwarten konnte. Er bescheinigte dem Kreis konkret umsetzungsfähige Projekte und einen starken Rückhalt in der Region."
Zu diesen umsetzungsfähigen Projekten, die bis Ende 2010 vom Bund mit 870.000 Euro bezuschusst wurden, zählten insbesondere Vorhaben zur Stärkung regionaler Wertschöpfung (Projekt "Mitten drin statt außen vor") und Ausschöpfung vorhandener Wirtschaftsressourcen (Projekt "Zukunft im Focus - hier will ich investieren"). Darüber hinaus wurden auch Projekte, bei denen es um Wohnen, Versorgung und Betreuung älterer Menschen sowie einen generationenübergreifenden Ansatz ging mit dem Ziel unterstützt, Dorfkerne zu stärken und die Versorgung der Menschen auf dem Lande zu verbessern.
In diesem Zusammenhang sind vor allem die Projekte zur Verbesserung von Nahversorgung und dörflicher Kommunikation zu nennen, die mit den neuen Dorfläden bzw. Dorfzentren in Datterode und Gertenbach beispielgebend umgesetzt wurden und als Startprojekte die Initialzündung zu vergleichbaren Initiativen in anderen Orten geben können.
Den zweiten wichtigen Schritt nach vorn gab es durch den 2009 fertig- und Anfang 2010 vorgestellten ersten Demografiebericht des Kreises, der sich intensiv mit allen nur möglichen Facetten des Themas auseinandersetzte. Dabei ging es vor allem darum, dessen "... vielfältige Auswirkungen auf Wirtschaft, Arbeit, soziale und technische Infrastruktur, Verkehr, Stadt- und Dorfentwicklung, Finanzen sowie Haushalts- und Familienstrukturen gestalten zu können."
Impliziert war mit dem Bericht natürlich keine bloße Bestandsaufnahme, sondern er sollte mit seinen Handlungsempfehlungen als Grundlage für strategische Planungen und, dies vor allem, umsetzbare Projekte und Maßnahmen dienen. Dazu wurden insgesamt dreizehn Arbeitsfelder vorgestellt, die von "Kinder, Jugend und Familie" über "Senioren", "Regionale Entwicklung", "Wirtschaft" und "Nahverkehr" bis hin zu "Bürgerschaftliches Engagement" und "Gesundheit" reichten.
Alle diese Handlungsfelder beinhalten neben der Beschreibung der Ausgangssituation die Beantwortung der Frage, was im Hinblick auf die Veränderungen durch den demografischen Wandel in Zukunft zu tun ist. Grundsätzlich begreift der Werra-Meißner-Kreis den Wandel nicht nur als Problem, sondern auch als Chance, um sich "... als Wohnstandort für Familien mit Kindern, als Lebensort für ältere Menschen, als Ferienregion und als Standort zur Erzeugung von erneuerbaren Energien und Energieeffizienztechnologien zu positionieren und setzt in diesen Handlungsfeldern auf Qualität, Bündelung von Ressourcen und Vernetzung der Akteure und Angebote."
So entstand das "Netzwerk demografischer Wandel im Werra-Meißner-Kreis", das alle Akteure zusammengefasst hat und kontinuierlich weiter arbeiten kann. Wichtig ist dabei auch, dass neben den unterschiedlichsten Einzelprojekten und Handlungsfeldern kreisweite Zusammenschlüsse wie etwa das "Bündnis für Familie" oder die "Bürgerstiftung Werra-Meißner" hier aktiv mitwirken und der Kreis als solcher im März 2014 mit der Zusammenfassung der Dienststelle "Dorf- und Regionalentwicklung" und der Stabsstelle "Demografischer Wandel" zum "Stab Demografie, Dorf und Regionalentwicklung" in Witzenhausen ein zusätzliches Zeichen gesetzt hat.
Damit geht der Werra-Meißner-Kreis auch nach dem Ende des geförderten Programms "Region schafft Zukunft" den eingeschlagenen Weg weiter und wird sich mit eigenen Haushaltsmitteln - der Kreistag hat mit großer Mehrheit dafür 150.000 Euro bereit gestellt - und dem Programm "Region hat Zukunft" den Herausforderungen des Demografischen Wandels weiterhin stellen.
Für diese Herangehensweise an die Demografiefrage, die ja auch im eigentlichen Sinn die Frage nach der Zukunftsfähigkeit des Kreises beinhaltet, erhalten die Akteure von vielen Seiten, insbesondere aber aus der Wirtschaft, gute Noten. Stellvertretend sei hier die IHK Kassel - Marburg genannt, die 2012 den "Kreis auf einem guten Weg" sah und 2013 noch einmal verdeutlichte, dass sich "die Chancen für den Kreis vergrößern."
Sanierungsfall Krankenhäuser
Eines der Handlungsfelder im oben erwähnten Demografiebericht befasst sich mit dem Thema "Gesundheit" und fordert "eine flächendeckende Grundversorgung im Gesundheitsbereich (...) als Voraussetzung dafür, dass sowohl mit Familien mit Kindern als auch ältere Menschen in den Kommunen wohnen können und wohnen bleiben". Obwohl sie in diesem Zusammenhang nicht direkt angesprochen werden, so bilden doch die kreiseigenen Krankenhäuser in Eschwege und Witzenhausen die beiden tragenden Säulen der flächendeckenden Grundversorgung im Werra-Meißner-Kreis.
Nachdem Ende 1988 Sanierung und teilweiser Neubau des Kreis- und Stadtkrankenhauses in Witzenhausen abgeschlossen war, konnte man auf ein Jahrzehnt Bautätigkeit und Gesamtkosten von über 60 Mio. DM zurückblicken. Das Haus in Witzenhausen war zu einem modernen medizinischen Dienstleistungszentrum mit 201 Patientenbetten geworden.
Im Kreiskrankenhaus Eschwege waren die 80er Jahre hauptsächlich durch den Beginn umfangreicher Brandschutzmaßnahmen und die Vorplanungen für eine grundlegende Sanierung und Erweiterung des Funktions- und Bettentraktes gekennzeichnet, die insgesamt mit ca. 137 Mio. DM zu Buche schlugen. Obwohl das Land auch hier durch umfangreiche Fördermittel erheblich zur Finanzierung des Gesamtkomplexes beitrug, hatte der Kreis doch einen beachtlichen Eigenanteil zu schultern.
Nach der Inbetriebnahme des Erweiterungsbaus im Jahr 1998 konnte mit der Sanierung des Altbaus begonnen werden - komplett fertig gestellt war das Kreiskrankenhaus schließlich mit der Einweihung des neuen Bettenhauses 2004 bzw. der Eröffnung des Neubaus der Psychiatrie ein Jahr später.
Nach dieser räumlichen und technischen Sanierung bzw. Modernisierung - im Bereich der Radiologie hatte sowohl in Eschwege als auch Witzenhausen modernste Technik in Gestalt von Computertomographie Einzug gehalten und in Eschwege gab es seit 1998 zudem einen Kernspintomographen - hatten beide Krankenhäuser allen Grund, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Doch es sollte anders kommen. Deutschlandweit befand sich das Gesundheitswesen im Umbruch und immer neue Reformen hatten vordringlich das Ziel, die stetig steigenden Kosten zu dämpfen. Gerade auch die kleineren Krankenhäuser in ländlichen Regionen, zu denen die Kliniken in Eschwege und Witzenhausen fraglos gehörten, waren enormen Kostendruck von Seiten der Krankenkassen und Wettbewerbsdruck der deutlich größeren Mitbewerber in den Oberzentren Kassel und Göttingen ausgesetzt.
Weder der ausgezeichnete medizinische Ruf der beiden Häuser noch die selbstgesetzte Verpflichtung der Verantwortlichen, "... in einem ständigen Anpassungsprozess die Krankenhäuser zu humanen, leistungsfähigen und bürgernahen Gesundheitszentren auszubauen und fortzuentwickeln" bewahrte die Krankenhäuser davor, im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends in heftige Turbulenzen zu geraten.
Wie viele andere Krankenhäuser auch, litten die beiden Häuser im Werra-Meißner-Kreis seit der Jahrtausendwende unter einer fatalen Dreifachbelastung: Sie erhielten weniger Geld bei wachsenden Aufgaben und sahen sich zudem einem stärkeren Konkurrenzkampf ausgesetzt. Es galt auch im Gesundheitswesen "die Kräfte zu bündeln" zusammenzurücken und durch die so entstehenden Synergieeffekte Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit auszubauen.
Für eine regelrechte Fusion war die Zeit noch nicht gekommen und so entschloss man sich für das Konstrukt der "Gesundheitsholding Werra - Meißner", die als gemeinsame Dachgesellschaft die beiden weiterhin eigenständig bleibenden Krankenhäuser leiten sollte. Den Grundsatzbeschluss dazu fasste der Kreistag im September 2003, der ein halbes Jahr später, am 22. März 2004, mittels Änderung der Gesellschaftsverträge der Krankenhaus GmbHs in Eschwege vertraglich besiegelt und in Kraft gesetzt wurde.
"Wichtig sei", wie der damalige SPD - Kreistagsabgeordnete und dann Landrat Stefan Reuß im Zuge der Kreistagsdiskussion erklärte, "die Synergieeffekte durch Zusammenarbeit zu nutzen. Im Gegensatz zu anderen Landkreisen entziehe man sich nicht durch Verkauf der Kliniken der Verantwortung, sondern sorge durch eine weiterhin kommunale Trägerschaft für den Erhalt der Gesundheitsversorgung."
Die Geschäftsführer der Krankenhäuser in Eschwege und Witzenhausen, Heinz-Walter Eisenhuth und Heinrich Lampe, wurden zu gleichberechtigten Geschäftsführern der neuen Holding, die sich Mitte Dezember 2005 der Presse gegenüber als "gut aufgestellt" präsentierte. Durch die neu gegründete Gesellschaft PRN (Prävention, Reha und Nachsorge) wurde u. a. auch die Orthopädie Hess. Lichtenau in den Holding-Verbund einbezogen.
Kern der damals im Entstehen begriffenen "Gesundheitslandschaft Werra-Meißner", die neben der Orthopädie in Hess. Lichtenau auch die Reha-Kliniken und das übrige medizinische Potenzial in Bad Sooden-Allendorf mit einbeziehen sollte, waren die Krankenhäuser in Eschwege und Witzenhausen, die, baulich runderneuert, mit ihren fast 1.100 Mitarbeitern von ihren Geschäftsführern der Öffentlichkeit als "Top Häuser" präsentiert wurden.
Binnen Jahresfrist stellte sich die Situation plötzlich ganz anders dar und alle hochfliegenden Pläne verschwanden in den Schubladen. Ende Oktober 2006 wurde von Seiten der politisch Verantwortlichen öffentlich eingestanden, dass die Situation der Krankenhäuser "dramatisch" sei und der "Werra-Meißner-Kreis und den Erhalt der Kliniken kämpft".
So ganz überraschend kam diese Feststellung von Seiten der Politik allerdings nicht, denn schon im Februar 2006 hatten an beiden Standorten die Beschäftigten in einem sogenannten "Sanierungstarifvertrag" auf Teile ihres Gehaltes verzichtet und im Gegensatz eine Arbeitsplatzgarantie bis Ende 2009 erhalten. Allerdings musste auch die Politik einräumen, dass "... die Dramatik und Geschwindigkeit der schwierigen Entwicklung so nicht vorhersehbar" gewesen seien.
Eine Entwicklung war in Gang gesetzt, deren erste Etappe am 5. Dezember 2008 mit dem Verkauf der Krankenhäuser an die in Kassel beheimatete "Gesundheit Nordhessen AG" für einen, wie die Presse es formulierte, "... sensationell niedrigen Preis von 2,2 Mio. Euro" endete. Die "Gesundheit Nordhessen AG", ein ebenfalls kommunales Gesundheitsunternehmen mit Stadt und Landkreis Kassel als Träger, hatte sich gegen die privaten Mietbieter Asklepios, Rhön-Klinikum und die Agaplesion AG durchgesetzt - letztere hatte schon seit dem Sommer 2007 erheblichen Einfluss auf die Geschicke der Häuser, denn ihre Tochtergesellschaft DFG Beratungs- und Betriebsgesellschaft war geschäftsführend für die Holding zuständig.
Bevor es zu dieser Verkaufsentscheidung kommen konnte - die im Kreistag übrigens durch eine breite Mehrheit von 40 der 57 Abgeordneten quer durch alle Fraktionen getragen wurde - hatte es einen zweijährigen, teilweise turbulenten und schmerzhaften Diskussionsprozess über die Kliniken gegeben, die dabei, so Landrat Stefan Reuß während der Kreistagssitzung am 5. Dezember 2008, "... am Rande des Abgrunds standen."
Da zudem die bisherigen Geschäftsführer im Frühsommer 2007 fast zeitgleich in Pension gingen, musste zudem eine neue Klinikleitung etabliert und das trudelnde Schiff "Gesundheitsholding Werra - Meißner" über Wasser gehalten werden. Dabei ging auch die Furcht vor weiterem Bettenabbau und, als Folge dessen, einem radikalen Personalschnitt um. Erste Schätzungen sprachen von einer Reduzierung auf 220 Betten in Eschwege und auf 100 in Witzenhausen - hier war der Betrieb allerdings schon auf 163 Betten zurückgefahren worden. Dass in diesem Szenario auch über eine Schließung des Witzenhäuser Krankenhauses spekuliert wurde, lag auf der Hand.
Um die Liquidität zu sichern bewilligte der Kreistag Mitte Juni 2007 5 Mio. Euro Soforthilfe und zum ersten Juli des gleichen Jahres wurde eine neue Geschäftsführung mit der Sanierung und weiteren Modernisierung der beiden Krankenhäuser beauftragt.
Zum Zeitpunkt des Verkaufs hatte die Arbeit der neuen Geschäftsführung bereits Früchte getragen, der Fehlbedarf im Geschäftsjahr 2007 war deutlich gesunken, Schulden konnten abgebaut sowie der Umsatz um 4,4 % gesteigert werden: Die Gesundheitsholding befand sich nachhaltig "... auf dem Weg der Besserung" und Landrat Stefan Reuß war "... erfreut über einen wichtigen Schritt zur wirtschaftlichen Gesundung der Kliniken, wie man ihn in dieser Deutlichkeit nicht erwartet hatte".
Niemand hatte allerdings damit gerechnet, dass der bereits beschlossene Verkauf im letzten Moment noch scheitern würde. Grund dafür war das Eingreifen des Bundeskartellamts, das Anfang April 2009 den Verkauf der Krankenhäuser an die Gesundheit Nordhessen "... formal untersagte, da hierdurch eine marktbeherrschende Stellung im Werra-Meißner-Kreis und der Region Kassel entstehen würde".
Die Folge war ein Wiederaufleben der eigentlich bereits beendeten Diskussionen, die nun noch zusätzlich um die Variante bereichert wurden, letztendlich doch vielleicht sogar eigenständig zu bleiben. Untermauert wurde dieser Ansatz durch eine sich immer weiter verbessernde Wirtschaftlichkeit von Kliniken und Holding, die im Geschäftsjahr 2008 über 650.000 Euro Gewinn erwirtschaftet hatten.
Im September 2009 wurden dann auch die Verträge mit der Geschäftsführung bis 2012 verlängert - "mit dieser personellen Weichenstellung" so Landrat Stefan Reuß vor dem Aufsichtsrat, "könne der erfolgreiche Weg der Konsolidierung und Sanierung der Krankenhäuser fortgesetzt werden."
Einen wesentlichen Anteil an diesem erfolgreichen Weg hatten auch die Mitarbeiter, die noch im Jahr 2009 einem bis 2017 befristeten sogenannten "Zukunftssicherungsvertrag" zustimmten und dadurch bis 2015 auf 3,5 % ihres Gehaltes verzichteten. Die Situation der Häuser hatte sich deutlich verbessert und ein Verkauf war plötzlich nicht mehr die einzige mögliche Zukunft.
Die Situation verbesserte sich weiter, und dies sowohl wirtschaftlich als auch auf der medizinischen Ebene. Seit Mitte des Jahrzehnts war bereits das Klinikum in Eschwege "Akademisches Lehrkrankenhaus" der Universitätsklinik Göttingen, im Januar 2012 kam auch das Witzenhäuser Haus hinzu und beide Standort gingen als Bestandteil der Göttinger Ärzteausbildung eine enge Kooperation mit dem Universitätsklinikum ein. Diese und eine ganze Reihe weiterer positiver Entwicklungen, ließen den Wunsch eines Verkaufs der Krankenhäuser immer kleiner werden.
Im Mai 2010 stimmte der Kreistag einstimmig für die Verschmelzung der beiden Krankenhäuser zum "Klinikum Werra-Meißner". Die Witzenhäuser Stadtverordnetenversammlung folgte im Juni und im Oktober folgte als letzter organisatorischer Schritt die Auflösung des "Zweckverbandes Stadt- und Kreiskrankenhaus Witzenhausen. Das neue Klinikum Werra - Meißner war sozusagen "betriebsbereit."
Ende Januar 2011 dann das offizielle Ende der Verkaufsabsichten: "Die Krankenhäuser in Eschwege und Witzenhausen", so der Kreis in einer Pressemitteilung, "werden unter dem Dach des Klinikums Werra - Meißner weiter einen selbständigen Weg gehen. Man suche nach einem neuen Profil und setze auf den Ausbau an den Standorten Eschwege und Witzenhausen."
Im Sommer 2011 präsentierte die Gesundheitsholding Werra-Meißner mit einem Jahresüberschuss von 1,9 Mill. Euro das beste Jahresergebnis seit ihrer Gründung und dass - durch fünfzig Neueinstellungen - die Zahl der Mitarbeiter an beiden Standorten mittlerweile auf 1076 angewachsen ist. Diese positive Entwicklung setzte sich, wenn auch leicht abgeschwächt, in 2012 weiter fort und sowohl die verantwortliche Geschäftsführung mit Prof. Ulrich Vetter und Christoph Maier als auch der Aufsichtsrat mit Landrat Stefan Reuß konnten voller Zufriedenheit und gleichzeitiger Zuversicht feststellen: "Die Krise ist vorbei."
Einen ganz wesentlichen Beitrag haben dazu die Mitarbeiter der beiden Häuser geleistet, die nicht nur den Zusammenschluss der beiden Häuser "... weitgehend reibungslos vollzogen, sondern auch durch ihren Gehaltsverzicht maßgeblich zur guten Bilanz des Klinikums beigetragen haben".
Nun gab es auch wieder Spielraum für die an beiden Standorten dringend notwendigen Investitionen, die, nach der erneuten Vertragsverlängerung, von der auch zukünftig in der Verantwortung stehenden Geschäftsführung umgesetzt werden sollen.
In Witzenhausen steht bis 2016 für 9,5 Mio. Euro der in den 70er Jahren gebaute "Neue" Krankenhausteil zur Modernisierung an - der Altbau soll abgerissen bzw. vermietet werden. In Eschwege ist es die Erweiterung und Aufstockung der Psychiatrie, die mit 4,5 Mio. Euro zu Buche schlägt.
Nicht vergessen werden sollen in dieser doch turbulenten Entwicklung des letzten Jahrzehnts die Leistungen des medizinischen Fachpersonals, die dafür gesorgt haben, dass die organisatorischen und finanziellen Probleme den guten Ruf der Krankenhäuser nicht beeinträchtigen konnten. Ein herausragendes, weil bundesweit publiziertes, Beispiel dafür ist der Qualitätsvergleich bei Gallenoperationen, den die AOK an 1.096 deutschen Kliniken vornehmen ließ. Danach findet sich das Klinikum Werra-Meißner unter den 30 besten Krankenhäusern deutschlandweit.
"Außergewöhnlich ist diese Nachricht auch deshalb", so der HNA - Kommentar vom 22. November 2011, "weil sich die Analyse der AOK auf den Zeitraum zwischen 2007 und 2009 bezieht. Damals war die finanzielle Situation der Krankenhäuser in Eschwege und Witzenhausen dramatisch. In einer solchen Zeit herausragende Ergebnisse zu erzielen, spricht für die Arbeit der Belegschaft. Deswegen ist die Auszeichnung ein Erfolg der Mitarbeiter. Glückwunsch."
Dem ist an dieser Stelle nichts hinzuzufügen.
Einheit und Vielfalt
Der Werra-Meißner-Kreis hatte jahrelang die gleichen Probleme zu bewältigen wie viele der modernen sogenannten "Patchwork-Familien": Durch die beiden Vorgängerkreise war alles doppelt vorhanden und musste auf die Notwendigkeiten nur noch einer Verwaltungseinheit abgestimmt werden.
Dies war eine schwierige Operation, denn hier ging es auch um die Traditionen der historisch gewachsenen Institutionen, räumliche Zuordnungen, persönliche Befindlichkeiten und lokale Präferenzen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass viele Organisationen Jahrzehnte gebraucht haben, um sich unter dem Dach des neuen Kreises zusammenzufinden - einige Verbände wie z. B. das Deutsche Rote Kreuz, der VdK oder die Arbeiterwohlfahrt haben diesen Schritt bis heute nicht vollzogen. Ebenfalls weiterhin ausschließlich auf "Altkreis-Ebene" aktiv sind bislang auch die christlichen Kirchen, die für ihre Arbeit ebenfalls bislang noch keine Notwendigkeiten sahen, sich den politischen Strukturen anzupassen.
Beispielhaft für den unterschiedlichen Umgang mit der Problematik "Großkreis" soll der Weg geschildert werden, den die Organisationen der Landwirtschaft, der Arbeitnehmer, des Sports und der Feuerwehren gegangen sind, ehe sie sich alle als Teil des größeren politischen Gebildes eingerichtet haben.
Wenige bis überhaupt keine Probleme mit der neuen Gebietsstruktur hatten die Verbände der heimischen Landwirtschaft, die sich in Gestalt der beiden Kreisbauernverbände Eschwege und Witzenhausen bereits am 19. Februar 1974 zum Kreisbauernverband Werra-Meißner zusammenschlossen und die gemeinsame Geschäftsstelle in der Kreisstadt Eschwege einrichteten. Dies fiel umso leichter, da die beiden vorher selbstständigen Kreisbauernverbände nicht nur fast zeitgleich im Jahr 1948 gegründet wurden, sondern bereits damals durch eine gemeinsame Geschäftsstelle in Eschwege verwaltet wurden. Zum Kreisbauernverband Werra-Meißner gehören in 130 Ortsverbänden fast eintausend Landwirte, die zusammen 34.000 ha Fläche bewirtschaften.
Der Kreisbauernverband hat sich zu einem modernen und leistungsfähigen Dienstleister für seine Mitglieder - die Geschäftsstelle des KBV ist gleichzeitig auch der Sitz der des Bodenverbandes, der Landtechnischen Fördergemeinschaft Werra-Meißner, des Kreisverbandes der Jagdgenossenschaften und der Kreisgruppe Werra-Meißner der hessischen Waldbesitzer - und einem unverzichtbaren Bestandteil des öffentlichen Lebens im Kreis entwickelt.
Sehr früh in einen gemeinsame Kreisverband gebracht wurden auch die beiden Kreisverbände des Deutschen Gewerkschaftsbundes, der allerdings nur bis 1996 eigenständig blieb, ehe er im größeren Verbund des damals neuen DGB-Kreises Hersfeld-Rotenburg/Werra-Meißner aufging. Aber dieses Konstrukt hatte nur wenige Jahre Bestand und am 7. April 2002 wurde der DGB-Kreisverband Werra-Meißner im Witzenhäuser Bürgerhaus neu gegründet und vertritt seitdem die Interessen der Arbeitnehmer in der Region.
Auch im Sport haben sich nahezu alle früher auf Altkreisebene eigenständigen Verbände schon lange auf der Grundlage des Werra-Meißner-Kreises neu aufgestellt - die Palette reicht hierbei von den Fußballern über die Reiter bis hin zu den Tischtennisspielern. Etwas länger gedauert hat indes die Neuorganisation des Sportkreises Werra-Meißner e. V. als der Spitzenorganisation des heimischen Sports.
Erst 34 Jahre nach der Gebietsreform konstituierte er sich am 23. Februar 2008 nach langer und intensiver Vorbereitung in Bad Sooden-Allendorf als Dachorganisation von 240 Vereinen mit insgesamt 40.000 Mitgliedern und einer eigenen Service- und Geschäftsstelle an der Bad Sooden-Allendorfer Rhenanus-Schule.
Noch länger, und vor allem deutlich beschwerlicher, war der Weg hin zu einem gemeinsamen Kreisverband der Feuerwehren. Bereits kurz nach vollzogener Gebietsreform gab es erste Versuche, aus den zwei Verbänden der Altkreise einen neuen des Werra-Meißner-Kreises zu bilden. Damals war es vor allem Landrat Eitel O. Höhne, der immer wieder die Notwendigkeit einer solchen Fusion betonte. Stärker als die vor allem von der Politik forcierten frühen Fusionsbestrebungen waren allerdings die innerverbandlichen Widerstände, die damals dem Bau eines gemeinsamen "Werra-Meißner-Dachs" für die heimischen Feuerwehren verhinderten.
Deutlich weiter kam man dann in einem zweiten Versuch, der kurz nach dem 125-jährigen Geburtstag der beiden Verbände Anfang des neuen Jahrtausends unternommen wurde. Fast wäre schon damals die Fusion vollzogen worden, aber nachdem sich der Witzenhäuser Kreisverband 2003 in der entscheidenden Abstimmung mit denkbar knapper Mehrheit dagegen entschieden hatte, war auch dieser Versuch gescheitert.
Danach wurde das Verhältnis der beiden Verbände einer harten Belastungs- und Bewährungsprobe unterzogen und es sollte noch einmal fünf Jahre dauern, ehe man sich erneut an einen Tisch und das Projekt Fusion wieder auf die Tagesordnung setzte. Diesmal allerdings sollte es gelingen - schließlich sind ja, wie das Sprichwort es sagt, auch aller guten Dinge drei - und am 21. Januar 2010 fusionierten die beiden Verbände zum Kreisfeuerwehrverband Werra-Meißner. Nachdem im Mai 2010 mit der FF Friedrichsbrück auch die letzte noch fehlende 133. Feuerwehr in den neuen Verband eingetreten war, hatte der Kreisfeuerwehrverband endlich alle heimischen Wehren unter seinem Dach versammelt.
Deutlich schneller, aber auch nicht ohne Geburtswehen, fusionierten die beiden Kreissparkassen Eschwege und Witzenhausen zur Sparkasse Werra-Meißner. Immerhin sollte es siebzehn Jahre dauern, ehe nach der Geburtsstunde des Werra-Meißner-Kreises 1974 schließlich am 1. Januar 1991 auch die gleichnamige Sparkasse das Licht der Welt erblickte. Eigentlich hätte man denken können, dass dieser Zusammenschluss zügiger von statten gehen würde, waren die beiden Sparkassen Eschwege und Witzenhausen doch als "Kreissparkassen" unmittelbare Institutionen der beiden Landkreise und daher für eine rasche Fusion geradezu prädestiniert.
Aber auch hier war eine ganze Reihe, vor allem psychologischer, Hürden zu überspringen, ehe am 2. November 1990 die Fusion formal vollzogen werden konnte. "Einstimmig hat der Kreistag des Werra-Meißner-Kreises", berichtete die Lokalpresse am Tag darauf, "in seiner gestrigen Sitzung die Fusion der Sparkassen in Eschwege und Witzenhausen gebilligt, die ab 1. Januar 1991 als "Sparkasse Werra-Meißner" ihre Zukunft gemeinsam gestalten. (...) Dem Beschluss des Kreistages waren eingehende Beratungen der Vorstände beider Sparkassen vorausgegangen, die den zuständigen Gremien empfohlen hatten, die Verschmelzung in die Wege zu leiten. (...) Durch die Fusion stellt sich für die beiden Sparkassen im Kreisgebiet die Aufgabe, der sich abzeichnenden Wettbewerbsverschärfung mit ihren folgen aus einer Position der Stärke heraus frühzeitig zu begegnen und ihre Kräfte zu bündeln."
Ein Zusammenschluss beider Kassen lag indes auch in den Jahren zuvor sozusagen immer wieder "in der Luft", gelangte aber nie über den Stand bloßer Gedankenspiele hinaus. Besonders zum Jahresende 1977 wurde die Diskussion durch einen Antrag des DGB befeuert, der sich vehement für die weitere Eigenständigkeit der Witzenhäuser Kreissparkasse aussprach. Dahinter stand die Befürchtung des Verlusts von Arbeitsplätzen "durch eine Umwandlung der jetzt eigenständigen Sparkasse in eine Nebenstelle."
Ähnlich argumentierte damals die Witzenhäuser Politik, die in den ersten Jahren des neuen Kreises nur schwer den Verlust der Kreisstadtfunktion verwinden konnte immer wieder eine dadurch hervorgerufene Schwächung der Kirschenstadt beklagte. Auch von Sparkassenseite selbst gab es noch kein gesteigertes Interesse an einem Zusammengehen mit Eschwege: "Wenn wir die Fusion gewollt hätten", so Direktor Kurt Jahn im Dezember 1977, "hätten wir sie schon lange haben können (...) Wir können gut allein weiter existieren."
Erst die Liberalisierungspläne des damaligen EG - Finanzbinnenmarktes und der sich damit verschärfende Konkurrenzdruck insbesondere auf kleinere Banken - zu denen die Witzenhäuser Kreissparkasse mit einer Bilanzsumme von 500 Mio. DM im Jahr 1990 fraglos gehörte - ließen die Verantwortlichen ab dem Sommer 1990 den Weg in Richtung "Sparkasse Werra - Meißner" einschlagen, der trotz neu aufflammender Witzenhäuser Ängste dann sowohl von den damaligen Sparkassenvorständen als auch den Kreisgremien konsequent beschritten wurde und sich mittlerweile als goldrichtig herausgestellt hat.
Schon im Jubiläumsjahr 1994 - das Sparkassenwesen im Werra-Meissner - Kreis konnte auf eine 150-jährige Geschichte zurückblicken - zeigte die Fusion ihre positiven Auswirkungen: "Nach der Fusion (...) zur Sparkasse Werra - Meißner erfüllt das moderne Bankinstitut, das wie vor 150 Jahren eine kommunale Einrichtung geblieben ist, wie eh und je seine wichtigste Aufgabe: Die Aufnahme von Spargeldern und die Bedienung der unmittelbaren Region mit den für die wirtschaftliche Entwicklung notwendigen Krediten. Inzwischen 1,66 Milliarden DM an Kundeneinlagen, 1,34 Milliarden an Kunden ausgegebene Kredite und 2,15 Milliarden Geschäftsvolumen belegen eine unglaubliche Entwicklung, die vor 150 Jahren begonnen hatte."
Diesen Weg ist das "fest in Bevölkerung und Wirtschaft verankerte Institut" seitdem unbeirrt weitergegangen und kann für das Geschäftsjahr 2013 1,1 Mrd. Euro an Kundeneinlagen, 1,1 Mrd. Euro Kreditsumme und 1,7 Mrd. Euro Bilanzsumme vorweisen, was fast einer Verdoppelung der Bilanzsumme von 1994 gleich kommt.
Mit ihren 401 Mitarbeitern (davon 31 Auszubildende) gehört die Sparkasse Werra-Meißner nicht nur zu den größten Arbeitgebern im Kreis, sondern ist auch mit siebzehn modernen Geschäftsstellen sowie der Überlandsparkasse, die mittlerweile neun Orte regelmäßig anfährt, kreisweit in der Fläche präsent.
Die Unterstützung regionaler Vereine, Verbände und Initiativen durch die Sparkasse ist traditionell sehr intensiv. So wurde z. B. im Jubiläumsjahr 1994 eine Stiftung mit dem Grundkapital von einer Million DM gegründet, aus deren jährlichen Erträgen seitdem insbesondere soziale und kulturelle Aktivitäten gefördert werden und allein im Geschäftsjahr 2013 sind darüber hinaus über eine Viertelmillion Euro in Form von Spenden und Unterstützungen in das öffentliche Leben des Werra-Meißner-Kreises geflossen.
Am Schluss seiner Festrede zum 150. Geburtstag der Sparkasse betonte Heinrich Keller, der damalige Direktor zum Schluss, dass die "... Sparkasse Werra-Meißner das bleiben wolle, was sie sei: Ein beachtlicher wirtschaftlicher Faktor und ein vertrauensvoller Partner ihrer Kunden, der sich durch Bürgernähe und Verbundenheit mit der Region auszeichne."
An dieser Philosophie des kommunalen Kreditinstituts hat sich auch zwei Jahrzehnte später nichts geändert. "Wir leben vom Vertrauen unserer Kunden" so Frank Nickel, der heutige Sparkassenchef im Rahmen der Bilanzvorstellung für das Geschäftsjahr 2013, "und das dürfen wir nie und nimmer enttäuschen. Wir werden uns in Zukunft noch stärker davon leiten lassen, welche Produkte unsere Kunden benötigen und welche Bedürfnisse sie haben. Und wir werden bemüht sein, die Leistung qualitativ hochwertig und günstig zu erstellen."
Noch beschwerlicher war der Weg und vor allem ein ganzes Jahrzehnt später wurde er beschritten, an dessen Ende die heimischen Genossenschaftsbanken, die neben der Sparkasse das zweite Standbein des Bankwesens im Kreis bilden, den Zusammenschluss zur "Volks- und Raiffeisenbank Werra-Meißner" vollzogen.
Traditionell dichtmaschig und kleinteilig war das Netz der Genossenschaftsbanken im ländlich strukturierten Werra-Meißner-Kreis. Neben der Volksbank Hess. Lichtenau, die als einzige ihrer Art den Gesamtkreis abdeckte, gab es noch die Raiffeisenbanken in Witzenhausen, Eschwege, Wehretal und Hess. Lichtenau. Zwar spielten die besonderen lokalpolitischen Befindlichkeiten, die beim Zusammenschluss der Sparkassen so dominierend gewesen waren, im Bereich der Genossenschaftsbanken nur eine marginale Rolle, aber die wirtschaftlichen Turbulenzen, in die eine der beteiligten Banken im Vorfeld der Fusion geraten waren, wirkten sich auf das geplante Zusammengehen zugleich erschwerend als auch beschleunigend aus.
Fast zeitgleich hatte das Fusionskarussel 1998 an Fahrt gewonnen. Auf der einen Seite schlossen die Volksbank Hess. Lichtenau und die Raiffeisenbank Witzenhausen einen Kooperationsvertrag, dessen erklärtes Ziel die Verschmelzung der beiden Institute darstellte, auf der anderen Seite waren die Raiffeisenbanken in Eschwege, Hess. Lichtenau und Wehretal schon einen Schritt weiter und hatten sich bereits zusammengeschlossen.
Bis zum Sommer 2000 war man sich bei allen Beteiligten einig und die neue "VR Bank Werra-Meißner-Meißner", gebildet aus den Partnern Volksbank Hess. Lichtenau/Raiffeisenbank Witzenhausen sowie der Raiffeisenbank Eschwege - Hess. Lichtenau - Wehretal hatte Gestalt angenommen. Das zur Fusion nötige Votum der Vertreterversammlungen war mit 99 % ebenso vorhersehbar wie deutlich und die neue kreisweite Genossenschaftsbank mit Kundeneinlagen von 1,1 Mrd. DM, einer Kreditsumme von rund 1 Milliarde DM und der Gesamtbilanzsumme von knapp 1,6 Mrd. DM war aus dem Taufbecken gehoben.
"Die Dreier - Fusion der Genossenschaftsbanken im Werra-Meißner-Kreis war eine schwere Geburt", kommentierte die Lokalpresse am 22. Juli 2000, "im Landes- und Regionalvergleich kam sie eher spät, angesichts der zunächst schleppenden Diskussion in unserem Kreis dann doch überraschend schnell. Nun ist die Volks- und Raiffeisenbank Werra-Meißner dabei, sich zu etablieren. Der Name ist noch gewöhnungsbedürftig."
Mittlerweile ist die "schwere Geburt" lange vergessen und der damals noch gewöhnungsbedürftige Name längst in den Sprachschatz des Werra-Meißner-Kreises eingegangen. Das liegt nicht nur am wirtschaftlichen Erfolg der neuen Bank - die Bilanzsumme erreichte im Geschäftsjahr 2012 mit 970 Mill. Euro fast die Milliardengrenze - sondern auch an der regionalen Verwurzelung im Werra-Meißner-Kreis.
Ähnlich wie die Sparkasse ist auch die VR Bank Werra-Meißner bestrebt, der Region durch die Unterstützung zahlreicher kultureller, sozialer und gemeinnütziger Initiativen etwas von dem Vertrauen zurückzugeben, das die Menschen in sie setzen - und das "hilfsbereit, engagiert, regional, zuverlässig", eben mit Herz für die Region.
Die Einheit und Vielfalt des Werra-Meißner-Kreises repräsentieren auch die Organisationen der heimischen Wirtschaft. Zu nennen sind hier vor allem die Kreishandwerkerschaft sowie die Industrie- und Handelskammer Kassel - Marburg, die mit dem Regionalausschuss Werra-Meißner das gewählte Vertretungsorgan der im Kreis ansässigen Betriebe darstellt.
Ähnlich dem Kreisbauernverband gelang es bei den Handwerkern sehr schnell, die beiden selbständigen Altkreis - Kreishandwerkerschaften Eschwege und Witzenhausen sinnvoll miteinander zu verbinden. Nach nur einem Jahr Übergangszeit konnte die neue Kreishandwerkerschaft Werra-Meißner in ihrer Eschweger Geschäftsstelle - das dortige Haus gehörte der KH bereits seit dem Jahr 1954 - die Arbeit aufnehmen.
Bis in die 90er Jahre wurde noch eine zweite Geschäftsstelle in Witzenhausen betrieben, ehe man die dortige Liegenschaft aufgrund zu hoher Unterhaltungskosten veräußern musste, "... eine Entscheidung", wie die KH auf ihrer Internetseite betont, "die wir uns nicht leicht gemacht haben."
Spezielle mit der Gebietsreform entstandene Befindlichkeiten haben die Arbeit der Kreishandwerkerschaft zu keiner Zeit nennenswert belastet. Nicht von ungefähr war man von Anfang an paritätisch besetzt, Veranstaltungen fanden und finden überall im Kreisgebiet statt. Die bislang vier Kreishandwerksmeister des Werra-Meißner-Kreises als oberste Repräsentanten der elf Innungen und ihrer 550 Einzelbetriebe kamen bis 2002 aus dem Altkreis Eschwege und seitdem aus dem Witzenhäuser Raum.
Ähnlich vertrauensvoll und problemlos gestaltete sich seit der Bildung des Kreises die Arbeit des Regionalausschusses Werra-Meißner der Industrie- und Handelskammer Kassel, der, betreut von der IHK-Service-Stelle im Eschweger "Haus der Wirtschaft", als gewählte Institution sowohl die Interessen der heimischen Wirtschaft vertritt als auch im Sinne der Kreisentwicklung immer wieder nachdenkenswerte Impulse für die öffentliche und politische Diskussion liefert.
Vom Amt zum Fachbereich - modernisierte Verwaltung
Einheit und Vielfalt, die Überschrift des vorangegangenen Kapitels könnte als Schlagzeile auch für die Verwaltung unseres Kreises stehen. Wenn man in der Öffentlichkeit von "dem Kreis" spricht, sind in der Regel der Landrat nebst Stellvertreter, mit Abstrichen Kreistag und Kreisausschuss, vor allem aber die diversen Fachbereiche - früher Ämter - der Kreisverwaltung gemeint. Mit ihnen haben die Menschen zu allererst zu tun, hier wird das politische Gebilde Werra-Meißner-Kreis für jeden ebenso praktisch wie hautnah lebendig und erfahrbar.
Besonders auf dieser Ebene waren die größten Anstrengungen erforderlich, die beiden vorher selbständigen Kreisverwaltungen Eschwege und Witzenhausen organisatorisch zu verschmelzen und eine funktionierende neue "Werra-Meißner-Struktur" zu entwickeln - begonnen bei den unterschiedlichen Standorten im Eschweger Schloss bzw. Witzenhäuser Landratsamt, fortgeführt mit dem Zuschnitt sowie der räumlichen Verteilung einzelner Ämter und beendet schließlich mit der Neustrukturierung der Gesamtverwaltung im Jahr 2007.
Dass dies problem- und relativ geräuschlos gelungen ist, spricht sowohl für das Engagement der Mitarbeiter als auch die Führungsqualitäten der bis dahin beteiligten Spitzenbeamten Eitel Höhne, Dieter Brosey und Stefan Reuß als Landräte sowie Theodor Leyhe, Henry Thiele und Dr. Rainer Wallmann als Erste Kreisbeigeordnete.
Blickte man im Jahr 2014 auf die Struktur der Kreisverwaltung, so findet man neben den acht Fachbereichen und der Verwaltungsleitung, den Bereich Öffentlichkeitsarbeit, den Bürgerreferenten und den Bereich Kultur direkt im Kontext mit der Leitungsebene.
Darüber hinaus entfaltete sich unter der Kopfzeile "Werra-Meißner-Kreise" mit dem "Stab Demographie, Dorf- und Regionalentwicklung", dem "Seniorenbüro", dem "Pflegestützpunkt", der "Naturparkstiftung", der "Sozial- und Familienstiftung" sowie dem Eigenbetrieb "Volkshochschule, Jugend, Freizeit" ein buntes Kaleidoskop unterschiedlicher Aufgabenbereiche. Hinzu kommen noch die "Antikorruptions- und Behindertenbeauftragten", der Personalrat als Vertretungsorgan der Mitarbeiter und schließlich und endlich das Gleichstellungsbüro.
Letzteres konnte im Jahr 2014 gemeinsam mit dem Kreis Geburtstag feiern, und mit dem 25ten gleich einen besonderen. Entfacht wurde damals die Diskussion um die Einrichtung des Gleichstellungsbüros im Sommer 1988 durch eine diesbezügliche Initiative des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).
Laut den Vorstellungen des DGB sollte auch im Werra-Meißner-Kreis "... ab 1989 eine sogenannte Gleichstellungsstelle (Frauenbeauftragte) geschaffen werden, die auf Kommunalebene mit dem Ziel arbeitet, die Frauendiskriminierung abzubauen. Sie soll - so der DGB - daraufhin wirken, dass verfassungsrechtliche Gebot der Gleichstellung von Mann und Frau zu erfüllen".
Im Vergleich zu den übrigen hessischen Landkreisen hinkte der Werra-Meißner-Kreis in Sachen Gleichstellung damals deutlich hinterher und war, als die dann als "Kreisfrauenbüro" bezeichnete Stelle im Herbst 1989 mit Ilona Friedrich als der ersten "Kreisfrauenbeauftragten" schließlich geschaffen wurde, der vorletzte Landkreis in Hessen, der diesen Schritt vollzog.
Seitdem ist mehr als ein Vierteljahrhundert vergangen und nicht nur die deutsche Landkarte, sondern auch die bundesrepublikanische Gesellschaft hat sich signifikant verändert. In diesem Kontext hat sich auch viel hinsichtlich des 1988 vom DGB auch für den Kreis angemahnten "verfassungsrechtlichen Gebotes der Gleichstellung von Mann und Frau" getan - immerhin steht im Jahr 2014 mit Angela Merkel seit 2005 eine Frau an der Spitze der Bundesregierung, ist Ursula von der Leyen Bundesverteidigungsministerin und gibt es mit Angela Fischer in Witzenhausen und Ilona Rohde-Erfurth in Neu-Eichenberg zwei Frauen auf den Chefsesseln von Rathäusern im Werra-Meißner-Kreis.
So positiv und ermutigend solche "Leuchttürme" einer Entwicklung hin zur gesellschaftlichen Gleichstellung der Geschlechter auch sind, mehr als der berühmte "Tropfen auf den heißen Stein" sind sie aktuell allerdings immer noch nicht. So bleibt auch dem seit 2006 in "Gleichstellungsbüro" umbenannten ehemaligen Kreisfrauenbüro und Thekla Rotermund-Capar, der damaligen Gleichstellungsbeauftragten des Werra-Meißner-Kreises, noch ein großes Bündel unterschiedlichster Arbeitsschwerpunkte, um diesem Ziel ein Stück weit näher zu kommen. Seit Anfang 2024 übernimmt Claudia Muth mit ihrem Team diese Aufgabe.
Dazu gehören für die Arbeit des Gleichstellungsbüros neben vielen anderen Arbeitsbereichen insbesondere das wichtige Thema "Häusliche Gewalt", das seit Schaffung des Gleichstellungsbüros nichts von seiner Brisanz verloren hat und auch heute leider immer wieder im "Runden Tisch gegen häusliche Gewalt" auf der Tagesordnung steht.
Immer mehr Raum nimmt als großes Zukunftsthema die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein - "... die Aktivierung der stillen Reserve. Damit meint Thekla Rotermund-Capar, Mütter wieder zurück ins Berufsleben zu führen. Dass dies oft nicht leicht sei, liege am mangelnden Selbstwertgefühl vieler Frauen, dass gestärkt werden soll", wozu auch die Forderung nach gleichem Gehalt für gleiche Arbeit gehört.
Über drei Jahrzehnte war die Kreisverwaltung in die klassische Ämterstruktur gegliedert - ob Kreisbauamt, Kreisgesundheitsamt, Kreissozialamt, Kreisjugendamt, Rechtsamt oder Hauptamt, all diese "Amts" Bezeichnungen implizierten für die Bürger immer auch ein gehöriges Stück an staatlicher Obrigkeit und hatten oftmals auch ein gerüttelt Maß an Unbeweglichkeit zur Folge.
Grundsätzlich ist in der Bundesrepublik Deutschland der Verwaltung auf allen Ebenen - und damit natürlich auch im Rahmen der Landkreise - die Funktion der Aufgabenerfüllung zugeordnet. Die dafür notwendigen politischen Leitentscheidungen trifft das Parlament in Form von Gesetzen und deren Ausführungsbestimmungen. Dieses Procedere hat ganz entscheidend zu den unbestrittenen Stärken der deutschen Verwaltung beigetragen und ursächlich deren Rechtsstaatlichkeit, Leistungsverlässlichkeit und die prinzipielle Gleichbehandlung aller Bürger begründet.
Andererseits ist daraus unmerklich eine immer größere "Regelungswut" entstanden, mit einem System von Kontrolle und Gegenkontrolle und Beteiligungsrechten unzähliger verschiedener Behörden. Dadurch wurde die Beachtung der Vorschrift wird immer mehr zum Selbstzweck und Flexibilität wie auch Ergebnisorientierung blieben auf der Strecke.
Irgendwann kam der Moment, ab dem niemand mehr diese "gesetzgebend" handelnde Verwaltung dazu zwang, auch die Effizienz und Effektivität ihres Handelns in Betracht zu ziehen. Diese Problematik ist von den Verantwortlichen des Kreises Mitte der 90er Jahre erkannt und in eine Diskussion um "neue Steuerungsmodelle" in der Verwaltung eingebracht worden.
"Alle Maßnahmen", so Siegfried Rommel, der damalige "Büroleitende Beamte" des Werra-Meißner-Kreises in seinem Beitrag zum 25. Kreisgeburtstag 1999, "welche die Verwaltung des Kreises zur Zeit durchführt und für die Zukunft plant (Budgetierung, Produktbildung, Kosten-Leistungs-Rechnung, Verstärkung des Wettbewerbs, Outsourcing, Informations- und Kommunikationstechniken etc.) haben insbesondere das Ziel die Leistungen für den Bürger stärker bedarfsbezogen und wirtschaftlicher zu erbringen."
Um dies zu bewirken", so Rommel weiter, "soll die Verwaltung des Werra-Meißner-Kreises in einem länger andauernden Prozeß von der bisher aufgabenorientierten Verwaltung zu einer produktorientierten Verwaltung umgewandelt werden. Diese Verschiebung zur Nachfrageorientierung bewirkt, dass das `Dienstleistungsunternehmen´ WMK künftig ein Produkt erzeugt, das vom Bürger nachgefragt wird."
Gewollter Nebeneffekt dieser Neuorientierung war natürlich auch eine stärkere Transparenz auf der Kostenseite, die bislang nur in Ansätzen vorhanden war: Den Bürgern musste in Zukunft klar sein, welche Kosten die von ihnen beim Kreis in Anspruch genommenen Leistungen verursachten.
Oft heißt es, "Alles hat seine Zeit" und noch öfter hört man, "Alles braucht seine Zeit". Beide Aussagen galten uneingeschränkt auch für die Modernisierung der Verwaltung unseres Kreises. Einerseits war sie unabdingbar, andererseits so komplex und hatte auch eine ganze Reihe politische Hürden zu nehmen, dass es bis in die zweite Hälfte des ersten Jahrzehnts im neuen Jahrtausend dauerte, ehe sie erfolgreich abgeschlossen war.
Anfang 2007 war dann die Neugliederung der Kreisverwaltung abgeschlossen und aus den früher siebzehn Ämtern waren acht Fachbereiche mit insgesamt 315 Mitarbeitern geworden. Hinzu kam der bereits 1997 aus der allgemeinen Kreisverwaltung ausgegliederte und seinerzeit noch selbständige "Eigenbetrieb Gebäudemanagement" mit Sitz im ehemaligen Witzenhäuser Landratsamt, der mit seinen 156 Mitarbeitern 42 Schulgebäude im Kreisgebiet verwaltete.
Allerdings waren im Laufe der Zeit die Argumente für die Existenz des Eigenbetriebes - u. a. die schnellere Auftragsvergabe für die Modernisierung der Schulen Ende der 90er Jahre - durch die Umstellung der Verwaltung auf die doppische Buchführung weggefallen, so dass das Gebäudemanagement 2013 wieder regulärer Teil der Kreisverwaltung und dem Fachbereich 7 "Bauen und Umwelt" zugeordnet wurde.
Mit dieser Neuorganisation vollendeten Landrat Stefan Reuß und sein erster Beigeordneter Henry Thiele den noch unter dem Gespann Dieter Brosey und Theodor Leyhe begonnenen Umbau der Verwaltung. Die acht Fachbereiche bündelten verschiedene Ämter mit erhöhter Eigenverantwortung wie u. a. Budgetverwaltung und Personalwirtschaft. Die größten Fachbereiche sind Jugend, Familie, Senioren und Soziales sowie die frühere staatliche Verwaltung (Recht, Kommunalaufsicht, Wahlen, Straßenverkehrsbehörde mit KFZ-Zulassung und Gefahrenabwehr).
Zugeordnet sind die Fachbereiche im Jahr 2014 den Dezernaten LR (Landrat Reuß) und EKB (Erster Kreisbeigeordneter Dr. Wallmann). Zwischen den Dezernenten und den Fachbereichsleitern gibt es eine neue Ebene, wozu die Büroleitung, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, der Stab Demographische Entwicklung und die Gefahrenabwehr zählen. Die Bezeichnung Amt hat grundsätzlich ausgedient - mit Ausnahme vielleicht des Terminus "Landratsamt", der immer noch über allem schwebt.
Eine bemerkenswerte Sondereinrichtung stellt noch das "Jobcenter Werra - Meißner" mit Sitz in Eschwege und Witzenhausen dar, dass im Zuge der Arbeitsmarktreformen Hartz IV nach langwierigen Verhandlungen zwischen dem Werra-Meißner-Kreis und den Arbeitsagenturen in Kassel und Bad Hersfeld entstanden ist, im Februar 2005 seine Arbeit aufnahm und bis heute die früheren Bezieher von Arbeitslosen- und Sozialhilfe (heute: Bürgergeld) betreut.
Dinge, die (auch) bewegten
Die Vorzüge des Kreises nach innen und außen klar herausstellen, ein Wir-Gefühl entwickeln und sich "pro-Werra-Meißner" zu verhalten - so lauteten kurz zusammengefasst die Wünsche, die Landrat Dieter Brosey am 6. Juni 1988 in der Eschweger Stadthalle an die Gäste seiner ersten Amtseinführung richtete. "Drei Punkte", so Brosey in seiner Rede, "machen einen Kreis wie den unseren lebenswert: Eine moderne, zukunftsweisende Wirtschaftsstruktur mit ausreichenden und sicheren Arbeitsplätzen, eine hohe Wohn- und Lebensqualität sowie niedrige Lebenshaltungskosten."
Für manch internen wie externen Betrachter mag die Aufzählung dieser Vorzüge an die lauten Rufe des Wanderers im dunklen Wald erinnern, der damit seine Angst in den Griff bekommen möchte. Gründe dies anzunehmen, gaben den Menschen im Kreis insbesondere die Gutachten zahlreicher externer Institute wie z. B. der "Bertelsmann - Stiftung", des "Prognos-Instituts", des "Instituts neue soziale Marktwirtschaft" oder der "Gesellschaft für Konsumforschung (GfK)" in periodisch wiederkehrenden Abständen zur Genüge.
Seit Ende der 90er Jahre erscheint der Werra-Meißner-Kreis in schönster Regelmäßigkeit in diesen Gutachten - meist ging und geht es darin um den ebenso bedeutungsschweren wie schwer zu fassenden Begriff der "Zukunftsfähigkeit" - entweder am Ende oder im hinteren Drittel des deutschlandweiten Ranking oder wird, wie in der Studie der GfK vom Dezember 2013, als Hessisches Kaufkraft - Schlusslicht präsentiert.
Schlagzeilen wie "Kreis mit roter Laterne" (Institut für neue soziale Marktwirtschaft, Nov. 2006), "Region rutscht ins Chancen - Minus" und "Kreis bleibt auf der Strecke" (beide Prognos-Institut, März 2007 und Nov. 2010) oder "Kaufkraft: Landkreis Schlusslicht in Hessen" (GfK, Dez. 2013) gehörten schon fast zum Standardrepertoire der heimischen Medien, wenn diese über die diversen Studien berichteten.
Bei einem exemplarischen Blick auf den Prognos Zukunftsatlas 2010 in dem der Werra-Meißner-Kreis unter den 412 Kreisen und kreisfreien Städten Deutschlands den Platz 370 belegt und in der zweitschlechtesten Kategorie eingeordnet wird - "ein Kreis mit hohen Zukunftsrisiken" - wird allerdings deutlich, dass die Aussagekraft der Erhebung nicht immer der Realität entspricht und daher mit der gebotenen kritischen Distanz zu bewerten ist.
Nicht nur, dass genauere Angaben über den Erhebungszeitraum fehlen, sondern auch inhaltlich muss der Studie zumindest ein gewisses Maß an Oberflächlichkeit bescheinigt werden.
Untersucht wurden in jeweils verschiedenen Aspekten der Arbeitsmarkt (Platz 319), der demografische Faktor (Platz 379), Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit (Platz 375) und der Wohlstand (Platz 311).
Insgesamt flossen 29 unterschiedliche Kriterien in die Erhebung ein, wobei die Indikatoren, die den "Ist - Zustand" beschreiben als Stärken zusammengefasst wurden (Platz 360) und Angaben, die eine Entwicklung nachzeichnen als "Dynamik" (Platz 393). Daraus berechnete Prognos die Gesamteinordnung, bei der auch die Anbindung an die Autobahn ( 20 Minuten bis zur nächsten Auffahrt - Platz 339) ein Rolle spielte.
Und hier nun ist genau der Punkt, wo man den Prognos-Analytikern zumindest Oberflächlichkeit vorwerfen kann. Zwanzig Minuten bis zur nächsten Autobahn-Auffahrt mag vielleicht von Eschwege aus zutreffend sein, aber keineswegs von Sontra, Herleshausen, dem Ringgau, Hess. Lichtenau oder gar den Nordkreis mit Witzenhausen und Neu-Eichenberg, von wo aus in fünf bis zehn Minuten sowohl die A 7 in Nord - Süd als auch die A 38 in östlicher Richtung erreichbar sind und somit fast "vor der Haustür" liegen.
Zu dieser Studie aus dem November 2010 äußerte sich auch Landrat Stefan Reuß in einem Pressegespräch mit der Werra - Rundschau, das an dieser Stelle in Auszügen wiedergegeben werden soll:
"WR: Wieder einmal ein Ranking der Regionen - überrascht Sie das Gesamtergebnis für den Werra-Meißner-Kreis?
Stefan Reuß: Es ist immer wieder das Gleiche, da die Indikatoren, die angewendet werden nur sehr eingeschränkte Urteile zulassen und bekannt ist, dass diese zum Teil auch in ihrer Aussagekraft fragwürdig sind. Insofern sind bestimmte Ergebnisse überhaupt nicht überraschend.
WR: Folgt man der Studie, so ist der Werra-Meißner-Kreis ein Kreis mit hohem Zukunftsrisiko. Teilen Sie diese Ansicht?
Stefan Reuß: Das wird uns nun seit Jahren bescheinigt und wir müssen immer wieder sagen, dass die Indikatoren bestimmter Bereiche die Zukunft überhaupt nicht erfassen. So belegt z. B. eine Studie aus dem Frühjahr dieses Jahres, dass wir als Region sehr gut durch die Wirtschafts- und Finanzkrise gekommen sind, weil wir einen guten Branchenmix haben. Unsere Wachstumszahlen in diesem Jahr zeigen auch, dass die Wirtschaft wächst, die Arbeitslosigkeit stark gesunken ist, die Bevölkerungsabwanderungsrate halbiert wurde. Die Vielzahl der im Kreis eingeleiteten Maßnahmen greifen und beginnen sich positiv auszuwirken. Die Studie hat dies noch nicht berücksichtigt. Also: Ich teile diese Ansicht nicht."
In Frage gestellt wurde die "Zukunftsfähigkeit", sprich Existenz des Werra-Meißner-Kreises, indes weniger durch die Prognosen diverser weit entfernter Institute, sondern vielmehr durch Bestrebungen in Politik, Wirtschaft und kommunalen Spitzenverbänden, die insbesondere um die Jahrtausendwende in der Schaffung großflächiger "Regionalkreise" das Allheilmittel zur Lösung aller Probleme im kommunalen Bereich sahen.
Begonnen hatte diese Diskussion in Südhessen Ende der 90er Jahre und schwappte dann gen Norden, so dass Landrat Dieter Brosey sich zum 25. Geburtstag des Werra-Meißner-Kreises genötigt sah, solchen Plänen eine nachdrückliche Absage zu erteilen. "Eine neue Gebietsreform", so der Landrat damals, "kann jedoch in unserem Kreis und in anderen ländlichen Kreisen Nordhessens niemand wollen."
Damit war diese Diskussion allerdings noch lange nicht beendet, denn zwei Jahre später startete der Hessische Städte- und Gemeindebund eine erneute Initiative zur Bildung von hessenweit fünf Regionalkreisen. Dabei sollte es in Nordhessen nur noch einen Kreis geben, gebildet aus den Kreisen Werra-Meißner, Kassel, Schwalm-Eder und Waldeck-Frankenberg mit Sitz in Kassel.
Auch diese Initiative stieß auf den vehementen Widerstand der nordhessischen Landkreise und Dieter Brosey fasste seine und die Gemütslage seiner Amtskollegen wie folgt zusammen: "Der Landkreistag wird das Eckpunktepapier des Städte- und Gemeindebundes genauso ablehnen, wie ich dies tue. Dieses Papier ist unausgegoren und im Grunde ein Papier, das nur aus den Interessen des Ballungsraumes Rhein-Main erklärbar ist. Aus nordhessischer Sicht ist dieses Papier rundum anzulehnen, weil es gegen die Interessen der nordhessischen Flächengemeinden und Landkreise gerichtet ist."
Einen dritten Vorstoß in Richtung Regionalkreis Nordhessen gab es ebenfalls im März 2001, dieses Mal vorgetragen von der IHK Kassel, dem Spitzenverband der nordhessischen Wirtschaft. Ausgehend von einem Zusammenschluss der Stadt Kassel und des Landkreises zur "Gebietskörperschaft Region Kassel" sollte, so zumindest angedacht im Planspiel der IHK, bis zum Jahr 2012 ein "Regionalverband Nordhessen" unter Einschluss der Landkreise Waldeck-Frankenberg, Schwalm-Eder, Werra-Meißner und Hersfeld-Rotenburg entstehen.
Zu den Aufgaben der neuen Gebietskörperschaft sollten alle kreisübergreifenden Aufgaben wie Tourismus, Abfallbeseitigung und Regionalplanung ebenso gehören wie die Vorbereitung des "Regionalkreises Nordhessen", der bis 2016 gebildet sein sollte. Auch diese Pläne verschwanden wieder in der Schublade und wurden erst am Jahresanfang 2007 wieder reaktiviert - allerdings abermals ohne Erfolg. Bislang blieb die seit der Gebietsreform 1974 mit viel Engagement aufgebaute neue Gebietsstruktur glücklicherweise unangetastet, denn nicht immer liegt in der schieren Größe die Garantie des Erfolges.
Zu denken geben sollte allen Verfechtern der "Regionalkreis - Idee" die Renaissance, die die historischen KFZ-Schilder der vor der Gebietsreform bestehenden "Altkreise" überall in Deutschland gerade erleben. Im Werra-Meißner-Kreis und in seiner unmittelbaren Nachbarschaft sind dies in Niedersachsen HMÜ (für den ehemaligen Kreis Münden), in Thüringen das HIG (für Heiligenstadt) und in Nordhessen in bunter Reihe ROF (Rotenburg/F.), HOG (Hofgeismar), WOH (Wolfhagen) und natürlich vor allem das WIZ für Witzenhausen.
Seit September 2013 besteht die Möglichkeit, anstatt des bisher allein möglichen ESW auch das vor 1974 im Kreis Witzenhausen gebräuchliche WIZ als Kenzeichen zu wählen, wovon weit über eintausend Bürger des Werra-Meißner-Kreises bislang Gebrauch gemacht haben. Damit stellen sie nicht die Existenz des Werra-Meißner-Kreises in Frage, sondern dokumentieren sowohl ihre historische Identität als auch den Wunsch nach überschau- und damit beherrschbaren Strukturen.
Und dass unser Kreis diese Strukturen in reichem Maße besitzt, ist in den vergangenen Jahrzehnten allerorten und in vielen Initiativen deutlich geworden. Ob es sich nun z. B. um den kreisweiten Freiwilligentag handelt, der seit 2008 unter dem Motto "Ein Kreis - ein Tag, gemeinsam für uns" einmal im Jahr in vielen Gemeinden demonstrativ die ehrenamtlichen Leistungen der Bürger für ihre Region an einem ausgewählten Beispiel ins Licht der Öffentlichkeit rückt, die "Bürgerstiftung Werra-Meißner", die seit ihrer Gründung vor einem Jahrzehnt auf 105 Stifter angewachsen ist und 99 Projekte im Kreis betreut hat oder den "Werra-Meißner-Tag", der in diesem Jahr zum vierten Mal veranstaltet wird - überall kommt das regionale Zusammengehörigkeitsgefühl zum Ausdruck.
Sogar einen geographischen Mittelpunkt gibt es: Dieser liegt in der Gemarkung der Gemeinde Meißner in Sichtweite des Meißners, unweit von Kloster und Bergwildpark Germerode und ist Ende September 2010 von Landrat Stefan Reuß und den Symbolfiguren der Städte und Gemeinden des Kreises offiziell als solcher markiert worden.
Verbunden werden die Menschen und Gemeinden des Kreises zudem durch vielerlei traditionelle Heimatfeste und zusätzliche, nicht minder attraktive, moderne Veranstaltungen und Events. Beim Eschweger Johannisfest, den Erntefesten in Bad Sooden-Allendorf und Witzenhausen, dem Schützenfest in Wanfried, der Kesperkirmes in Witzenhausen und den Heimatfesten in Großalmerode und Hess. Lichtenau trifft man zum Feiern nicht nur die Einheimischen, sondern darüber hinaus den "halben Kreis".
Innovative Veranstaltungen wie der "Werrataltag" oder der "Deutsche Königinnentag" sind Ende der 90er Jahre in Witzenhausen entstanden und haben seitdem schon in vielen Städten und Gemeinden Station gemacht. In einer eigenen Liga spielt seit vielen Jahren schon das "Open Flair", das mittlerweile zu den bekanntesten Open-Air Festivals in Deutschland gehört.
Weichenstellungen für die Zukunft
Auf der Agenda der politischen Diskussion stand dauerhaft das Thema Abfall. Am 1. Oktober 1995 hat der im Januar 1993 gegründete "Zweckverband Abfallwirtschaft Werra-Meißner-Kreis (ZVA)" die Arbeit aufgenommen. Dem Verband, der für den Kreis und alle Mitgliedsgemeinden sämtliche Aufgaben der Abfallentsorgung übernommen und seinen Sitz in Meißner - Weidenhausen hat, gehören die meisten Städte und Gemeinden des Kreises und der Kreis selbst als Mitglieder an.
Zum gleichen Zeitpunkt (1995) hat der Werra-Meißner-Kreis flächendeckend die Biotonne eingeführt und dadurch einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz geleistet, denn durch die Kompostierung der Bioabfälle anstatt der Deponielagerung konnte eine enorme Verringerung der Methangasemission erreicht werden.
Bemerkenswert ist auch die Nutzung von Deponiegas, das in der Kreisdeponie in Weidenhausen entsteht. "Dieses wird im Kreis", wie Henry Thiele, erster Kreisbeigeordneter 2001-2011 in einem Aufsatz über Abfallwirtschaft und Klimaschutz erklärt, "seit 1995 über horizontale Gasdrainagen und vertikale Gasbrunnen gefasst und (...) in ein Blockheizkraftwerk (BHKW) mit einem Gas-Otto-Motor eingespeist.(...) Die über den Eigenbedarf hinausgehende Energie wurde mit einem Erlös von jährlich bis zu 210.000 Euro ins öffentliche Netz eingespeist. Bis Ende 2010 wurden fast zwei Millionen Euro Erlös durch die Stromeinspeisung erzielt."
Darüber hinaus hat der Werra-Meißner-Kreis in Kooperation mit privaten Partnern in den letzten Jahren eine vorbildliche Kreislaufwirtschaft bei der Verwertung des Restmülls organisiert, der seit 2009 in direkter Nachbarschaft zur Deponie zu Sekundärbrennstoff verarbeitet und im Kraftwerk der Witzenhäuser Papierfabrik DS Smith Packaging (ehemals SCA) zu Betriebsenergie verwertet wird.
Die Firma SCA hatte sich vor dem Hintergrund stetig steigender Energiekosten Anfang des neuen Jahrtausends dazu entschlossen, ihre Energieversorgung im Werk Witzenhausen vollständig auf Ersatzbrennstoffe umzustellen, ein neues Kraftwerk zu bauen und damit langfristig auch Arbeitsplätze zu schaffen bzw. zu erhalten. Unterstützt wurde der Konzern dabei durch die Kreisverwaltung, obwohl sich in und um Witzenhausen erheblicher politischer Widerstand artikulierte.
Der Kraftwerksbau entwickelte sich zu einem politisch äußerst brisantem Themenkomplex, an dem sich jahrelange massive Auseinandersetzungen entzündeten, die schließlich im Januar 2005 in einen Bürgerentscheid mündeten. Mit großer Mehrheit stimmten die Witzenhäuser für den Bau des Kraftwerks und gaben dadurch auch grünes Licht für die folgenden Aktivitäten im Bereich der Deponie Weidenhausen.
Als vorläufig letzte Neuerung im Bereich von Abfall- und Energiewirtschaft steht das im Jahr 2011 erstellte Klimaschutzkonzept für den Werra-Meißner-Kreis, das, gefördert durch das Bundesministerium für Umweltschutz, Naturschutz und Reaktorsicherheit, von den Städten und Gemeinden des Kreises (mit Ausnahme der Stadt Witzenhausen) und dem Kreis selbst erarbeitet wurde. Zur Umsetzung wurde am 1. August 2011 die "Werratal Energie- und Umweltgesellschaft mbh" (WEGE) gegründet, die ab 2014 von einer eigens beim Kreis eingestellten "Klimamanagerin" unterstützt wurde.
"Abfallwirtschaft und Klimaschutz", so Henry Thiele am Schluss seines bereits oben zitierten Aufsatzes, "sind im Werra-Meißner-Kreis seit langem und auch zukünftig zentrale Themen. Klimaschutzziele und Klimaanpassungsstrategien werden immer auch unter dem Gesichtspunkt einer positiven Entwicklung regionaler Wertschöpfung, also unter sozioökonomischen Aspekten, entwickelt und umgesetzt."
Zentrale Themen für die Zukunft sind mit Sicherheit auch die weitere Energieversorgung im Zeichen der Energiewende, die Anbindung des Werra-Meißner-Kreises an schnelleres Internet und die Haushaltskonsolidierung von Kreis und Kommunen bis zum Jahr 2018. Letzteres liegt allerdings nicht mehr ausschließlich in der Hand der heimischen Akteure - hier gibt in den Zeiten des "kommunalen Schutzschirms" das Land Hessen den Takt vor.
Die Diskussion um die Energiewende ist aktuell in vollem Gange und wird nicht nur durch prinzipielle Fragen bestimmt, sondern gerade auch im Werra-Meißner-Kreis durch regional bedeutsame Einzelaspekte wie z. B. die Standortfrage möglicher Windräder oder die Linienführung von 380 KV Starkstromleitungen dominiert.
Eine richtungweisende Entscheidung im Energiebereich ist bereits gefallen: Gemeinsam mit elf weiteren nord- und mittelhessischen bzw. südniedersächsischen Landkreisen sowie der Stadt Göttingen hat der Werra-Meißner-Kreis Ende 2013 den Stromversorger EON - Mitte zurückgekauft und ihn unter dem ehemaligen Namen EAM rekommunalisiert. Der Kaufpreis des durch die Banken vorfinanzierten Kaufs lag bei 620 Mill. Euro, von denen der WMK rund 24 Mill. Euro zu tragen hat, und wird langfristig über Netzgewinne und Dividenden aufgebracht.
Die neuen kommunalen Eigentümer wollen, wie der Pressesprecher des Landkreises Kassel betonte, "... ein offensives Signal für die erneuerbaren Energien vor Ort geben. Wir wollen deutlich machen, dass wir bei der Energiewende vorankommen wollen."
Auch in einer weiteren wichtigen und zukunftsweisenden Sachentscheidung setzt der Werra-Meißner-Kreis auf die Kooperation mit den Nachbarkreisen. Gemeinsam mit den Kreisen Waldeck-Frankenberg, Schwalm-Eder, Hersfeld-Rotenburg und dem Landkreis Kassel unterzeichnete Landrat Stefan Reuß am 17. Februar 2014 in Witzenhausen die Verträge zur Gründung der "Breitband Nordhessen GmbH."
Durch diese bundesweit einmalige Kooperation haben die Kreise eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte in der Region auf den Weg gebracht, durch das in den kommenden Jahren ein flächendeckendes Glasfasernetz in Nordhessen installiert werden soll. Als Grund für dieses 173 Mio. Euro teure Großprojekt geben die beteiligten Kreise die in vielen ihrer ländlichen Teile unzureichende Internet - Versorgung an, die insbesondere für gewerbliche Nutzer einen erheblichen Standortnachteil darstellt.
Um einer Abwanderung von Unternehmen und jungen Familien vorzubeugen, sind die Landkreise bereit, die Risiken dieses Großprojektes, das bis spätestens 2022 fertig gestellt sein soll, zu tragen. Etwa 30 Mio. Euro müssen die fünf Kreise selbst aufbringen, die Restsumme ist als Kredit bei der Wirtschafts- und Strukturbank Hessen beantragt. Als "Meilenstein und überlebenswichtig für den ländlichen Raum" bezeichnet das Regionalmanagement Nordhessen den Internetausbau und Landrat Reuß spricht von "... einem der wichtigsten Zukunftsprojekte für unseren Kreis und Nordhessen".
Mit dem 3. Oktober 1990 hatte sich das Koordinatensystem, in dem sich der Werra-Meißner-Kreis bis dato eingerichtet hatte, endgültig verschoben. Damit war nach nur zwei Jahren erfüllt worden, was Landrat Dieter Brosey im Rahmen seiner Amtseinführung am 6. Juni 1988 formuliert hatte. "Hauptproblem des Kreises", so der Verwaltungschef in seiner Antrittsrede, "werde auch in Zukunft die Lage unmittelbar an der innerdeutschen Grenze sein, die beste Strukturpolitik daher eine vernünftige Deutschland und Ostpolitik (...) Der Kreis müsse seine natürliche zentrale Lage mitten in Deutschland und Europa wiedererhalten."
Niemand in der gut gefüllten Eschweger Stadthalle, in der sich neben den Abgeordneten auch zahlreiche Besucher - insbesondere die Bürgermeister der sechzehn Städte und Gemeinden des Kreises - eingefunden hatten, um der Amtseinführung des neuen Landrates beizuwohnen, hätte sich an diesem Tag vorstellen können, in welcher atemberaubenden Geschwindigkeit die DDR und der gesamte sogenannte "Ostblock" verschwinden und der Werra-Meißner-Kreis sich dadurch plötzlich tatsächlich in der Mitte Deutschlands und Europas wiederfinden würde.
Die Euphorie war groß, die Hoffnungen in die Zukunft fast noch größer. Und tatsächlich schien die neue Zeit auch das zu halten, was man sich von ihr versprochen hatte: Der Einzelhandel boomte, viele neue Mitbürger aus der ehemaligen DDR ließen sich in den Städten und Dörfern des Kreises nieder, milderten dadurch den Bevölkerungsverlust der vergangenen Jahre ein ganzes Stück weit und stärkten zudem das kommunale Steueraufkommen sowie die Finanzkraft der Gemeinden.
"Aufbruch zu neuer Zeit", überschrieb Landrat Dieter Brosey am 30. Dezember 1989 sein Grußwort zum bevorstehenden Jahreswechsel und drückte in ihm aus, was sich viele Menschen an Werra und Meißner von der neuen Wirklichkeit erhofften: "Für unseren Kreis bietet die Öffnung der Grenzen große Chancen in der wirtschaftlichen Entwicklung. Diese Chancen müssen wir nutzen, unser Kreis ist über Nacht ein hochinteressanter Gewerbestandort geworden, nicht mehr am Rande der EG, sondern mitten in Europa. Dies wird für die Struktur im Kreis Aufschwung bringen und gilt auch für den Fremdenverkehr mit Möglichkeiten der Einbeziehung von Eichsfeld und Thüringer Wald."
Niemand konnte in jenen euphorischen Tagen der Wendezeit voraussehen, dass sich die politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Realität der nun folgenden Epoche deutlich prosaischer zeigen würde, als es die Blütenträume des Novembers 1989 erhoffen ließen.
Für unseren Kreis galt es indes erst einmal Abschied nehmen, und das in doppelter Hinsicht. Einmal voller Freude und mit lachenden Augen von Stacheldraht, Todesstreifen, Schießbefehl und den Wachtürmen der innerdeutschen Grenze und - diesmal sicherlich mit einer gehörigen Portion an Nachdenklichkeit - vom Zeitalter der Zonenrandförderungen und der ausgeglichenen Kreishaushalte.
Dieser Haushalt ist ein ganz magerer Hering
Neben dem Wegfall der Zonenrandförderung war es vor allem die Entwicklung der Kreisfinanzen, die den Verantwortlichen die Sorgenfalten ins Gesicht trieb. Glänzten schon die Kreise Eschwege und Witzenhausen nicht durch besonders üppige finanzielle Ausstattung, so blieb dieses Manko leider auch dem neuen Großkreis erhalten.
Die ersten fünfzehn Jahre des Werra-Meißner-Kreises musste man mit einer Finanzlage leben, die dauerhaft sparsames Haushalten ebenso voraussetzte wie wohlüberlegtes Handeln im Investitionsbereich nötig machte. Ungeachtet aller pekuniären Schwierigkeiten gelang es aber mit ganz wenigen Ausnahmen in all den Jahren dennoch, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen und gleichzeitig die notwendigen Investitionen in den Bereichen Verkehr, Schulen, Krankenhäuser und Abfallbeseitigung zu tätigen.
Dies sollte sich ab 1990 grundlegend ändern: Mit dem Haushaltsansatz dieses Jahres, der erstmals seit 1976 wieder einen Fehlbetrag auswies (1,751 Mill. DM), war die Zeit der ausgeglichenen Haushalte vorbei. Mit diesem ersten Haushalt nach der Grenzöffnung sollte eine unruhige Epoche voller finanzieller Probleme beginnen, in der beim Kreis vieles auf den Prüfstand gestellt und verändert wurde und deren Ende auch heute noch nicht absehbar ist.
Lässt man die durchgängig roten Zahlen der vergangenen Jahre Revue passieren wird erkennbar, dass es eine weder linear ansteigende noch absteigende Kurve in den Defizithöhen gibt. So lag. z. B. der Fehlbetrag im Jahr 1994 bei 2,4 Mill. DM und provozierte den FDP-Abgeordneten zu der als Überschrift für dieses Kapitel gewählten Zeile vom dem "Haushalt, der ein "ganz magerer Hering" sei, stieg dann innerhalb von zwei Jahren auf über 14 Mill. DM, was Landrat Brosey vor dem Kreistag von einer "todernsten Lage" sprechen ließ.
Nach einer gewissen Stabilisierung in den Folgenjahren und Defizitzahlen von 9 Mill. (1997) bzw. 11,6 Mill. DM (1998) bescherte das Jahr 1999 dem Kreis mit einem Minus von 17,7 Mill. DM den bis dato negativen Ausreißer. Nach der abermaligen leichten Stabilisierung auf niedrigem Niveau, brachte das Jahr 2004 einen erneuten Schock: Die "rasante Talfahrt" der Kreisfinanzen ging nahezu ungebremst weiter und erreichte mit einem Defizit von 12,9 Mill. Euro ihren bisherigen Höhepunkt bzw. in diesem Fall Tiefstand.
Über 15,5 Mill. Euro für 2005 stieg der Fehlbetrag auf 16,5 Mill. Euro im Jahr 2006 - ein abermaliger neuer Tiefpunkt war erreicht. In den drei Folgejahren gestaltete sich die Haushaltslage dann wieder deutlich besser und das Haushaltsloch wurde kleiner: Das Minus sank erst auf 11 Mill. Euro (2007), dann auf 6,5 Mill. Euro (2008) und erreichte mit lediglich noch 2,3 Mill. Euro (2009) den niedrigsten Stand seit 1994.
Diese Entwicklung gab Anlass zu Optimismus und Landrat Stefan Reuß konnte am 12. Februar 2008 erstmals öffentlich davon reden, dass sich "die finanzielle Lage des Kreises deutlich gebessert" hätte. Insbesondere der Haushalt des Jahres 2008 stellte sich im Nachhinein noch einmal deutlich positiver dar als gedacht und bei Vorlage des Jahresabschlusses im Frühjahr 2010 war der Fehlbetrag auf nur noch knapp eine halbe Million Euro gesunken.
Die Freude über die sich stabilisierenden Kreisfinanzen währte allerdings nur kurz, denn die aufbrechende weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise verschonte auch den Werra-Meißner-Kreis nicht und machte deren Haushaltserholung erst einmal wieder zunichte. "Der Kreishaushalt verschlechtert sich durch Wirtschaftskrise dramatisch", titelte die Lokalpresse angesichts eines erwarteten Defizits von 17 Mill. Euro für 2010 - und das war beileibe noch nicht das Ende der Fahnenstange.
Im Haushaltsjahr 2011 musste der Werra-Meißner-Kreis das bislang größte Haushaltsdefizit in seiner Geschichte verkraften: Mit 19,4 Mill. Euro blieb man nur knapp unterhalb der Marke von 20 Mio. und die Handlungsmöglichkeiten des Kreises wurden immer geringer. Großartigen Gestaltungsspielraum besaß man eigentlich schon seit Mitte der neunziger Jahre nicht mehr, was Landrat Dieter Brosey schon im November 1995 - angesichts eines erwarteten Haushaltsdefizits von 14 Mill. DM - zu drastischen Formulierungen greifen ließ. "Manchmal fragen wir uns", so der Verwaltungschef in der Haushaltsdebatte vor dem Kreistag, "wofür wir überhaupt noch einen Kreistag haben - wir können ja doch nichts mehr entscheiden, nur noch die laufenden Kosten bedienen."
Die Einbringung und Diskussion des Haushalts ist auch immer in ganz besonderer Weise "die Stunde des Parlaments". Hier hat die Regierung Gelegenheit, die Ziele ihrer Politik darzustellen und im Gegenzug kann die Opposition mittels einer "Generalabrechnung" einen Gegenentwurf präsentieren. Dabei ist das Procedere in jedem Parlament ähnlich - gleich ob Bundes-, Land- oder wie in unserem Fall, eben der Kreistag. So sind denn auch im Kreistag des Werra-Meißner-Kreises in aller Regel während der alljährlichen Haushaltsdebatten die unterschiedlichen politischen Meinungen mit besonderer Vehemenz und teilweise drastischer Wortwahl ausgetauscht worden.
Betrachtet man die Einzelposten des Kreisetats auf der Ausgabenseite, so fällt sehr schnell ins Auge, dass der Sozialbereich, aufgeteilt in die Einzeletats "Sozialleistungen", "Kinder, Soziales und Familie" und die "Umlage an den Landeswohlfahrtsverband" fast die Hälfte aller Ausgaben ausmacht. Hinzu kommen, neben diversen kleineren Posten, die Zuschüsse an den Eigenbetrieb Gebäudemanagement und die Personalausgaben als nochmals größere Einzeletats.
Die Einnahmenseite wird dominiert von der "Kreis- und Schulumlage", die die Städte und Gemeinden an den Kreis entrichten sowie den "Schlüsselzuweisungen" des Landes, die zusammen weit über die Hälfte der Gesamteinnahmen ausmachen.
Sowohl die Ausgaben - als auch die Einnahmenseite sind nur bedingt durch politische Entscheidungen des Kreises beeinflussbar, sondern unterliegen ganz wesentlich anderweitigen Einflüssen, wie z. B. der Anstieg der Ausgaben für Transfer - und Hartz IV - Leistungen im Haushalt 2010 deutlich macht. Aufgrund der schlechten Wirtschaftslage war dieser Einzeletat um 2 Mio. Euro gegenüber 2009 angestiegen - in Kombination mit den massiv verringerten Schlüsselzuweisungen des Landes war das im Jahr 2010 ein Grund dafür, dass das Minus so dramatisch aus dem Ruder lief.
Da half es auch wenig, dass der Kreis seinerseits die Kommunen stärker zur Kasse bat und die Kreisumlage erhöhte - "der eine Arme fasst dem anderen Armen ins leere Portemonnaie", kommentierte dies Lothar Quanz (SPD) während der Haushaltsdebatte - die Möglichkeit, den Haushalt ausschließlich durch eigene Anstrengungen zu sanieren, besteht nur in Ansätzen.
In dieser Situation ist es auch wenig tröstlich, dass der Kreis mit seinen Finanzproblemen nicht alleine steht. So schlugen schon im Mai 2004 alle nordhessischen Landkreise nebst der Stadt Kassel wegen ihrer Finanzmisere öffentlich Alarm, warnte der Deutsche Städtetag im Februar 2010 davor, dass deutschlandweit die "Kommunen vor dem Kollaps" stünden und ließen die "Rathaus-Chefs" des Werra-Meißner-Kreises im Januar 2010 gemeinsam "Dampf ab".
Seitdem ist viel ausführlich und kontrovers diskutiert worden, hat sich die Wirtschaft wieder erholt und ist vor allem vom Land das Programm "Kommunaler Schutzschirm" zur Teilentschuldung der hessischen Kommunen und Landkreise aufgelegt worden. Diesem Programm, das von den beteiligten Kreisen und Kommunen einen gewissen Teil der aufgelaufenen Schulden übernimmt, ist auch der Werra-Meißner-Kreis mit großer Mehrheit des Kreistages am 7. Dezember 2012 beigetreten und erhielt vom Land die Zusage über 19,6 Mio. Euro Schuldenübernahme. Im Gegenzug verpflichteten sich Kreis und Kommunen bis spätestens 2018 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen.
Neben der Überprüfung aller nur denkbaren Einsparpotenziale und der sogenannten "freiwilligen Leistungen" können allerdings insbesondere die Kommunen im Kreis ihre Haushaltskonsolidierung nur durch deutlich erhöhte Steuern und Abgaben erreichen. Ob sich die Erhöhung von Grund- und Gewerbesteuern, Kindergarten und Parkgebühren sowie den Eintritten in öffentliche Einrichtungen nicht letztendlich als Nachteile für die Region als Wohn- und Gewerbestandort herausstellen werden, muss die Zukunft erweisen.
Kräfte bündeln - Wirtschaftsförderung, Tourismusmarketing und Landwirtschaft
Am 1. Januar 1974 waren im Werra-Meißner-Kreis in 5.773 Betrieben in Industrie, Handwerk und Landwirtschaft insgesamt 27.026 Personen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, davon 21.444 in Industrie und Handwerk.
Zum Jahresbeginn 2012 gab es im Kreis 6.462 IHK - zugehörige Betriebe mit 26.599 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Die Gesamtzahl der Beschäftigten ist also während des betrachteten Zeitraumes weitgehend gleich geblieben - die Struktur der Beschäftigung hat sich allerdings deutlich verändert.
Hervorstechend dabei ist vor allem der dramatische Bedeutungsverlust der Landwirtschaft. Gab es 1974 im Kreisgebiet noch insgesamt 4.045 bäuerliche Betriebe mit 5.584 Beschäftigten, so hat sich diese Zahl auf nur noch 138 Betriebe mit 457 reduziert, d. h. über 90 % der landwirtschaftlichen Arbeitsplätze des Jahres 1974 sind seitdem verloren gegangen.
Ebenso rückläufig, wenn auch nicht in diesen Dimensionen, ist die Zahl der Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe. Waren 1974 noch 13.322 Personen im Werra-Meißner-Kreis ihm industriellen Bereich beschäftigt, so ist diese Zahl bis 2012 auf 8.698 Arbeitnehmer zurückgegangen, die, und das kommt noch hinzu, das gesamte sogenannten "produzierende Gewerbe (einschl. Bau)" umfasst.
In den vergangenen fünf Jahrzehnten sind nicht nur völlig neue Berufsfelder und Berufe entstanden - man denke in diesem Zusammenhang nur an die Bereiche Information und Kommunikationstechnik bzw. Verkehr und Logistik - sondern die Arbeitsrealität selbst ist durch einen tiefgreifenden Strukturwandel radikal verändert worden. Um diesen neuen Herausforderungen gewachsen zu sein, es notwendig neue Wege zu gehen.
Nachdem es in der zweiten Hälfte der 80er Jahre vielerorts bereits erfolgversprechende Ansätze gebündelter Wirtschaftsförderung und Entwicklung mit Partnern aus Politik und Wirtschaft gegeben hatte, starteten Mitte Mai 1988 auch im Werra-Meißner-Kreis die hiesigen Wirtschaftsjunioren die Initiative zur Gründung einer "Wirtschaftsfördergesellschaft Pro Werra - Meißner".
Durch eine solche Institution sollte ihrer Meinung nach das in der Region ansässige Potenzial gebündelt und aktiviert werden, "... so dass Defizite abgebaut, Stärken gefördert und gemeinsame Maßnahmen ergriffen werden, die unseren Kreis nach außen und innen positiver darstellen. Mit dem Randlagen - Gejammer müsse ebenso Schluss sein wie mit dem ständigen Sich - unter - Wert - verkaufen. Nötig sei der Schulterschluss des Landkreises, der Kommunen und aller Wirtschaftseinrichtungen im Werra-Meißner-Kreis unter der gemeinsamen Marschrichtung Pro Werra-Meißner."
Formuliert wurde diese Forderung als Ergebnis einer Klausurtagung in Bad Sooden-Allendorf, in deren Verlauf Unternehmen, Kammern, Verbände, die Bürgermeister der Städte Eschwege, Bad Sooden-Allendorf und Witzenhausen sowie der designierte Landrat Dieter Brosey die grundsätzliche Absicht bekundeten, sich gemeinsam im Bereich der Wirtschaftsförderung neu aufzustellen.
Zwar veränderten der Fall der innerdeutschen Grenze und die Wiedervereinigung kurze Zeit später die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Kreises grundlegend, aber die Notwendigkeit gezielter und nachhaltiger Wirtschaftsförderung verlor dadurch nichts von ihrer Dringlichkeit. So stand dann auch die "Wirtschaftsfördergesellschaft Werra - Meißner (WFG)" - am 16. November 1989 als Gesellschaft des Kreises und, mit Ausnahme von Weißenborn, fünfzehn seiner Kommunen gegründet - unmittelbar nach ihrer Gründung vor großen Herausforderungen.
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hatten sich tiefgreifend verändert und stellten sich so ganz anders dar, als es noch vor anderthalb Jahren in der o. a. Klausurtagung skizziert worden war. So attestierte z. B. Siegfried Rauer, der im Sommer 1990 berufene Geschäftsführer der WFG auf der ersten Beiratssitzung der Gesellschaft im September 1990 dem Werra-Meißner-Kreis "hervorragende Entwicklungspotenziale (...) auf der erstaunlich guten Entwicklung der heimischen Betriebe lasse sich für die Zukunft aufbauen". Ähnlich positiv äußerte sich auch Landrat Dieter Brosey, der besonders die überproportionale Steigerung der Beschäftigungszahlen hervorhob, die mit 2,7 % im Werra-Meißner-Kreis den hessenweiten Spitzenwert darstellten.
Und in der Tat, überall waren die Hoffnungen auf ein Aufblühen der Region ebenso groß wie die fast mit den Händen zu greifende Aufbruchsstimmung. Das von den Wirtschaftsjunioren noch im Mai 1988 monierte "Randlagen - Gejammer" gehörte der Vergangenheit an und zum neuen Platz in der "Mitte Deutschlands" kam ab Juli 1990 noch die Währungsunion und die damit verbundene Sonderkonjunktur, von der besonders Einzelhandel, KFZ - Gewerbe und Baubranche profitierten.
Für eine Reihe von Unternehmen eröffneten sich zudem durch den Wegfall der Randlage neue Perspektiven. Die jetzt wieder unbegrenzt vorhandene Möglichkeit, neue Absatzmärkte auch in Mittel- und Ostdeutschland zu erschließen und sie von hier aus zu bedienen, veranlasste sowohl neue als auch alteingesessene Unternehmen zu erheblichen, vor allem baulichen Investitionen. Sorge bereitete allerdings nach wie vor die Arbeitslosenquote, die im Spätsommer 1990 kreisweit immer noch bei 9,5 % lag.
Der kurzfristige Nachfrageboom mit seinen günstigen Effekten war allerdings relativ schnell vorbei und machte schon ab 1991 einer "... Stagnation auf hohem Niveau mit rückläufiger Tendenz" Platz. Hinzu kam, dass sich mit dem sogenannter "Fördergefälle" - Wegfall der Zonenrandförderung in Hessen und hohe Förderung in Thüringen - ein neues und nicht unerhebliches Problem für unsere Region auftat. Viele Unternehmen, die mit einer Betriebsansiedelung im Werra-Meißner-Kreis geliebäugelt hatten, gingen lieber ins benachbarte Thüringen und selbst einige heimische Unternehmen schlossen hier die Tore, nur um ihre Produktion in den neuen Ländern förderbegünstigt wieder aufzunehmen. Hinzu kam der schon angesprochene Strukturwandel, der erst im neuen Jahrtausend nach dem Verschwinden traditioneller Industriezweige (Möbel, Zigarren, Textil) seinen Abschluss fand.
Dem standen allerdings auch positive Entwicklungen in der Ansiedelung neuer und vor allem der Sicherung bzw. Erweiterung bestehender Unternehmen gegenüber. Und dies nicht nur lokal begrenzt, sondern in allen Teilen des Kreises. Zu nennen sind hier, um nur einige Beispiele zu nennen, die Firmen Stiebel-Eltron, Friedola, Bode, REGE, H. Angers & Söhne, Seeger Engineering AG und SCA, die nicht nur ihre Produktionspalette erweiterten und dadurch neue Arbeitsplätze schufen, sondern auch weit über die Region hinaus bzw. sogar weltweit hohes Ansehen genießen.
Erfreulich auch, dass durch eine beachtliche Zahl an Existenzgründungen im ersten Jahrzehnt nach der Grenzöffnung annähernd eintausend neue Arbeitsplätze geschaffen werden konnten - hier versuchte der Kreis über die WFG durch den Aufbau eines "Gründer und Innovationszentrums", das im November 2001 in Witzenhausen eingeweiht werden konnte, unterstützend zu wirken.
Auch auf finanzieller Ebene war man bestrebt, die Gründung neuer Unternehmen zu unterstützen. So wurde im Mai 1999 in Kooperation mit der Sparkasse Werra - Meißner und den Genossenschaftsbanken des Kreises ein "Wagniskapitalfonds" ins Leben gerufen, mit dem sich bei aussichtsreichen Unternehmensgründungen fehlendes Eigenkapital durch haftendes Beteiligungskapital der WFG ersetzen ließ und so den Gründerfirmen die Möglichkeit eröffnete, zusätzliches Fremdkapital zu erschließen.
Die WFG, die das erste Jahrzehnt ihrer Arbeit als ausschließlich kommunale Gesellschaft geleistet hatte, wurde zur Jahrtausendwende "runder gemacht", wie es Landrat Dieter Brosey auf der Gesellschafterversammlung im Juli 1999 formulierte. Gemeint war die organisatorische Erweiterung der WFG hin zu den Institutionen der Wirtschaft im Kreis. Sinnbildliches Zeichen dafür war die Erweiterung des Aufsichtsrates mit Vertretern von IHK und Kreishandwerkerschaft sowie den Repräsentanten der heimischen Kreditinstitute.
Unter der Maxime "Wirtschaftsförderung könne nur erfolgreich sein, wenn die Kräfte gebündelt werden" machte man aber nicht nur personell sondern auch räumlich mit dem "Zentrum der Wirtschaft" in Eschwege deutlich, welch hohen Stellenwert der Bereich Wirtschaftsförderung in der Agenda des Kreises hatte.
Als gemeinsame Geschäftsstelle von WFG und IHK - im August 2000 kam noch der Verein für Regionalentwicklung und später auch die "Werratal Tourismus Marketing GmbH" sowie die Werratal Energie- und Umweltgesellschaft hinzu - war dieses "gemeinsame Haus der Wirtschaft", wie es IHK - Hauptgeschäftsführer Walter Lohmeier während der Einweihung formulierte, "... ein sehr selbstbewusstes Signal in Richtung der Wirtschaft, aber auch der Wirtschaft, sich präsent zu machen. Die gemeinsame Einrichtung werde neue Akzente setzten bei der Zusammenarbeit. Wirtschaftsförderung ist eine Gemeinschaftsaufgabe, was hier in fabelhafter Weise sichtbar wird."
Wie notwendig eine noch intensivere Wirtschaftsförderung durch eine kompetente und rundum vernetzte Schaltstelle für die Region war, hatte die zweite Hälfte der 90er Jahre gezeigt. "Lage im Kreis dramatisch", "Werra-Meißner-Ort übertrifft 20 %", "Höchste Quote seit Jahrzehnten", "Rasanter Anstieg in zehn Jahren", "Mit 15,5 % neuer Rekord": Diese (unvollständige) Auswahl an Schlagzeilen der lokalen Presse aus den Jahren 1996 und 1997 dokumentieren die damalige Lage am heimischen Arbeitsmarkt - die Arbeitslosigkeit im Werra-Meißner-Kreis befand sich 1993 im zweistelligen prozentualen Bereich und hatte ab Mitte des Jahrzehnts mit Quoten von 15-17 % bis dahin nicht für möglich gehaltene Höchststände erreicht.
Die Gründe dafür waren vielschichtig. Neben der gesamtwirtschaftlichen Situation und dem schon angesprochenen Strukturwandel incl. zahlreicher Betriebsverlagerungen bzw. Schließungen, gab es auch eine Vielzahl hausgemachter Gründe, die den Werra-Meißner-Kreis zum "Arbeitsplatz - Sorgenkind" werden ließen.
Zu nennen sind in diesem Zusammenhang das Fördergefälle nach Thüringen, das neue Betriebsansiedelungen außerordentlich erschwerte, dann betriebsimmanente Faktoren wie nicht mehr wettbewerbsfähige Technik und veraltete Maschinen, überkommene Arbeitsstrukturen und fehlende Rückgriffe auf die Kreativität der Mitarbeiter.
Anknüpfungspunkte für eine zielgerichtete Wirtschaftsförderung waren also genug vorhanden. Mit zahlreichen Initiativen und Projekten auf Kreisebene wie u. a. der "Perspektive 5o+", "Bioregion im Werratal", "Berufs- und Bildungsmesse Perspektiven" und überregionalen gemeinsamen Marketingaktivitäten mit anderen Institutionen - hier ist in erster Linie das Regionalmanagement Nordhessen zu nennen - konnte der seit 2002 erkennbare Trend zur Verbesserung der Arbeitsmarktsituation im Kreis unterstützt werden.
Aktuell stellt sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt uneingeschränkt positiv dar: Mit einer Quote von 6,4 % für das Jahr 2013 ist die Arbeitslosigkeit seit Mitte der 90er Jahre um über 10 % zurückgegangen - wenn sich bislang auch noch nicht alle Blütenträume erfüllt haben, so ist der eingeschlagene Weg offensichtlich richtig gewesen.
Zu diesem Weg gehören nicht nur die Neuansiedelung von Betrieben, erfolgreiches Außenmarketing und die Initiierung neuer Betätigungsfelder. Ebenso dazu gehört die Stärkung der bestehenden Unternehmen durch zielgerichtete Beratung und Unterstützung bei der Herstellung positiver Außenwirkung. Ein Paradebeispiel für Letzteres ist der im Jahr 2004 vom Werra-Meißner-Kreis und der heimischen Kreditwirtschaft ins Leben gerufene "Innovationspreis Werra - Meißner", der seitdem im zweijährigen Turnus an Unternehmen mit besonders innovativen und erfolgreichen Geschäftsfeldern verliehen wird.
Die Präsentation von eingegangenen Bewerbungen und Preisträgern bietet dabei jedes Mal einen Blick auf die Leistungs- und Zukunftsfähigkeit der heimischen Wirtschaft und ist dadurch zu einem ganz wichtigen Schaufenster der Wirtschaft des Werra-Meißner-Kreises geworden. "Wer hätte das gedacht?", kommentierte die Lokalpresse die Verleihung des ersten Innovationspreises, zu dem 41 Betriebe ihre Bewerbungen eingereicht hatten, "... im Werra-Meißner-Kreis sind die Unternehmen mit Sicherheit nicht minder erfindungsfreudig als anderswo. Bislang arbeiteten die Ideenschmieden weitgehend im Verborgenen. Warum nur hielten die Firmen mit ihren sehenswerten Erfolgen bislang hinter dem Berg? (...) Gut, dass die Verleihung des Innovationspreises Werra-Meißner dafür sorgt, dass die innovativen Betriebe und die Menschen, die dafür stehen, der Öffentlichkeit bekannter werden. Das dient mit Sicherheit als Ansporn für weitere (...) zukunftsträchtige Entwicklungen. Und es fördert auch das Selbstbewusstsein der (...) Region."
Der Stärkung bestehender Unternehmen dient auch die Initiative "Tu`s hier", ein Zusammenschluss unterschiedlichster Betriebe und Wirtschaftsunternehmen aus dem gesamten Kreisgebiet. Ihr vordringlichstes Ziel ist die Schaffung eines Bewusstseins dafür, dass viele Produkte und Dienstleistungen in hervorragender Qualität und wettbewerbstauglichem Preis/Leistungsverhältnis in den Städten und Gemeinden des Kreises sozusagen "vor der Haustür" angeboten werden und - bei Wahrnehmung dieses Angebotes - der regionale Wirtschaftskreislauf zum Nutzen aller gestärkt wird.
Angesiedelt ist "Tu`s hier" beim "Verein für Regionalentwicklung" (VfR), der 1995 gegründet wurde und dem auch der Werra-Meißner-Kreis, neben zahlreichen interessierten Bürgern, Verbänden und Kommunen aus dem ganzen Kreisgebiet, federführend angehört. Der VfR hat in den fast zwanzig Jahren seines Bestehens im und für den Kreis bereits eine Menge Positives initiiert und bewegt und u. a. das "Regionale Entwicklungskonzept Werra-Meißner" auf den Weg gebracht, das als Leitfaden für eine eigenständige Regionalentwicklung von besonderer Bedeutung ist.
In diesen Rahmen gehört auch der Gesamtkomplex Tourismus, der nicht nur zu einem wesentlichen Baustein nachhaltiger Regionalentwicklung, sondern auch zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor des Werra-Meißner-Kreises geworden ist und darüber hinaus als eine der "Zukunftsindustrien" in der Region gilt. Nach dem "Fremdenverkehrsverband Werra-Meißner" und dem Nachfolgeverein "Werra - Meißner - Touristik e. V." firmiert der Tourismus im Kreis seit dem Juli 2007 als "Werratal Tourismus Marketing GmbH" (WTMG).
Der GmbH, die räumlich im "Zentrum der Haus der Wirtschaft" in Eschwege angesiedelt ist, gehören neben dem Kreis selbst mit Ausnahme der Stadt Hess. Lichtenau alle Kommunen des Werra-Meißner-Kreises und die Gemeinde Nentershausen an.
Unter der Dachmarke "Werratal-Erlebnisland Werra-Meißner" hat die WTMG seit ihrer Gründung schon einiges hinter, aber noch viel mehr vor sich. "Wir sind ein gutes Stück vorangekommen, haben aber noch längst nicht alles realisiert", so das Fazit der Geschäftsführerin Claudia Krabbes anlässlich des fünfjährigen Bestehens der GmbH.
Ein wichtiger, wenn auch nicht unumstrittener, Schritt war seinerzeit die Einführung der Dachmarke "Werratal", mit der man seitdem zielgerichtet in die bundesweite Vermarktung der Region gegangen ist. Das touristische Pfund, mit dem das "Erlebnisland Werra-Meißner" dabei wuchern kann, ist der landschaftlich reizvolle Raum im Flussdreieck von Werra, Fulda und Weser.
In einer Mittelgebirgslandschaft, in der Berge, Burgen, Wald und Wasser zu jeder Jahreszeit immer neue Eindrücke bieten, Fauna und Flora in selten gewordenen Arten zu finden sind und die Landschaft kaum zersiedelt ist, gibt es beste Voraussetzungen für erholsamen Natururlaub und abwechslungsreiche Freizeitgestaltung.
Stark im Mittelpunkt steht dabei das Naturerlebnis selbst, denn über 40 % des Kreisgebietes sind meist großflächig mit zusammenhängenden Mischwäldern bedeckt, die zu über 80 % unter Natur- bzw. Landschaftsschutz stehen. Große Bedeutung kommt dabei dem durch viele Rad- und Wanderwege hervorragend erschlossenen Naturpark Meißner - Kaufunger Wald zu, der zu den schönsten Naturlandschaften Deutschlands zählt.
Als der Park 1962 gegründet und als Zweckverband organisiert wurde, sind ca. 45.000 ha unserer Region in ihm aufgenommen worden - damit war er der drittkleinste hessische Naturpark. Nach der Parkerweiterung im Jahr 2007 auf rund 93.000 ha ist er mittlerweile der drittgrößte Naturpark in Hessen, zu dessen Gebiet neben dem Meißner und dem Kaufunger Wald auch die Söhre sowie große Teile des Werratals mitsamt der "Hessischen Schweiz" und dem Ringgau gehören. Zahlreiche Infopunkte an markanten Stellen, gut ausgeschilderte Wanderwege und attraktive Produkte in Form geführter Erlebniswanderungen, der Naturparkküche mit regionalen Spezialitäten, dem Bergwildpark sowie neuerdings Mohnblüte und -vermarktung schafft der Naturpark Grundlagen für nachhaltigen Tourismus in der Region und steigende Wertschöpfung für die Wirtschaft.
Gemeinsam mit den benachbarten Naturparken in Thüringen und Niedersachsen (Naturpark Eichsfeld - Hainich - Werratal, Naturpark Hainich und Naturpark Münden) ist so ein "grünes Herz" mitten in Deutschland entstanden, das für Besucher jeder Altersstufe immer attraktiver wird.
Neben dem wachsenden Netz an qualitätsgeprüften Premiumwanderwegen unterschiedlicher Länge (5-22 km) und Schwierigkeitsgrade, die die schönsten Orte des Kreises für die steigende Zahl der Wanderbegeisterten erschließen, berühren auch mehrere Fernwanderwege wie etwa der neue Werra-Burgen-Steig oder der Barbarossaweg unsere Region und steigern so die Attraktivität des Werra-Meißner-Kreises als touristisches Ziel.
Sehr gut erschlossen präsentiert sich auch das kreisweite Radwegenetz mit dem 300 km langen "Werratal-Radweg" als Zugpferd. Dieser Fernradweg, der die Quellen der Werra am thüringischen Rennsteig mit dem Zusammenfluss von Werra und Fulda zu Weser in Hann. Münden verbindet, gehört mittlerweile zu einem den beliebtesten Radwege Deutschlands und wird bundesweit vom "Werratal-Touristik e. V." in Bad Salzungen vermarktet.
Dieser hessisch - niedersächsisch - thüringische Tourismus Verein ist 1996 unter starker Beteiligung des Werra-Meißner-Kreises und einer ganzen Reihe kreisangehöriger Städte und Gemeinden gegründet worden und hat seitdem wesentlich dazu beigetragen, länderübergreifend den Tourismus in der Mitte Deutschlands zu stärken.
Neben Wandern, Radfahren und, mit Abstrichen, auch dem Kanu - Tourismus auf der Werra als Standbeinen des Aktivurlaubes, kann der Werra-Meißner-Kreis mit einer Fülle begleitender touristischer Angebote aufwarten. Dazu gehören u. a. zahlreiche Museen, die vom Verein für Regionalentwicklung im Museumsverbund vermarktet werden, die sehens- und erlebenswerten Fachwerkstädte mit ihrem historischen Häuserensemble und nicht zuletzt die immer intensiver als Freizeitorte genutzten Werratalseen.
Ein ganz wichtiger Baustein im touristischen Angebot des Kreises ist die "Gesundheitslandschaft Werra-Meißner" mit Bad Sooden-Allendorf im Zentrum. Nicht nur, dass der traditionsreiche Kurort mit seinen Reha-Kliniken über die Hälfte der kreisweiten Übernachtungen generiert, hier bündeln sich praktisch auch alle Stränge der unterschiedlichen touristischen Schwerpunkte des Kreises.
Hier trifft der Meißner mit Frau Holle als Märchen- und Sagengestalt, der Wandervielfalt und dem Naturerlebnis auf das Werratal mit Rad- und Kanutouristen, wird die Fachwerkvielfalt der historischen Innenstädte mit dem Wellness-Erlebnis kombiniert.
Bad Sooden-Allendorf bietet mit der WerratalTherme als einziger Anlage ihrer Art im Werra-Meißner-Kreis auf 1000 m² Wasserfläche die Heilkraft der Sole in vielfältiger Weise. Dabei gehört die Bündelung der Angebote im Gesundheitswesen und Wellnessbereich zur Philosophie der Gesundheitslandschaft Werra-Meißner: Von der Vorsorge über die Akutversorgung bis zur Nachsorge mit medizinischen und pflegerischen Leistungen reicht hier das breit Angebotsspektrum.
Relativ neu im touristischen Angebot des Kreises ist das sogenannte "Werratal - Culinarium", das die kulinarischen Highlights der Region wie z. B. "Ahle Wurscht", Witzenhäuser Kirschen, Ringgauer Käse, Meißnerlamm, Schmandkuchen und Bier aus dem Werratal bündelt und ins rechte Licht rückt.
Das Gesamtkonzept des Tourismus Marketing im Werra-Meißner-Kreis war für Henry Thiele, den damaligen Ersten Kreisbeigeordneten und gleichzeitig Gründungsgeschäftsführer der neuen WTMG im Juli 2007 wie ein "Theaterstück", mit dem man die "touristischen Potenziale der Region heben könne(...) Die schöne Landschaft ist dabei quasi die Kulisse. Aber kein Mensch geht wegen einer schönen Kulisse ins Theater. Da gebe es schließlich noch die Orte mit ihren touristischen Angeboten als Darsteller und eine Handlung, die wesentlich von der Regie vorangetrieben werde. Die Regie, das soll die Aufgabe der in Gründung befindlichen Marketing GmbH sein", brachte er das Konzept auf den Punkt.
Rund 177.000 Gäste (mit 761.000 Übernachtungen) haben sich 2012 von diesem "Theaterstück" überzeugen lassen - zwar nur unwesentlich mehr als 2008, aber deutlich mehr als in den Jahren vor der Gründung der WTMG. Zur Erreichung des Ziels, das sich die GmbH bei ihrer Gründung setzte, nämlich wie in den 80er und frühen 90er Jahren wieder "Übernachtungsmillionär" zu werden, bedarf es allerdings noch erheblicher Anstrengungen.
Folgt man den aktuellen Berechnungen des Regionalmanagements Nordhessen, wird der gesamtwirtschaftliche Stellenwert des Tourismus für den Werra-Meißner- Kreis deutlich, denn diese 761.000 Übernachtungen haben, in Euro umgerechnet, ein Umsatzvolumen von annähernd 100 Mio. Euro.
Ein solches Umsatzvolumen kann die heimische Landwirtschaft nicht, oder anders ausgedrückt, nicht mehr aufweisen. Dennoch ist sie im Werra-Meißner-Kreis nach wie vor ein eminent wichtiger Wirtschaftszweig, der - wie z. B. auch in den Tourismus - in viele Lebens- und Arbeitsbereiche ausstrahlt.
Bei einem kurzen Rückblick in das Gründungsjahr des Kreises finden wir über die heimische Landwirtschaft folgende Aussage: "Für den neuen Werra-Meißner-Kreis wird auch zukünftig die Landwirtschaft eine überragende Bedeutung behalten.
Dies nicht nur aus Sicht der Produktivität und der wirtschaftlichen Leistung, sondern zunehmend im Hinblick auf die Erhaltung einer geordneten Kulturlandschaft. Die Wirtschaftsfläche beträgt rund 100.000 ha. Es ist eine landwirtschaftliche Nutzfläche von 46.300 ha vorhanden, und davon werden 28.370 ha ackerbaulich und 16.200 ha als Dauergrünland genutzt. Sehr große Teile des Kreises, etwa 42.000 ha, sind Waldfläche; selbst für das waldreiche Hessen stellt dies einen hohen prozentualen Anteil an der Gesamtfläche dar."
Hinzu kamen noch ca. 1.000 ha sogenannte "Grenzertragsböden", deren Nutzung höhere Aufwendung erforderte als der zu erwartende Ertrag ausmachte und ungefähr 3.200 ha Öd- oder Unland.
Zwanzig Jahre später hatte sich die landwirtschaftliche Nutzfläche um 7.300 ha oder rund 16 % auf 39.000 ha verringert. Zwei Drittel dieser Fläche wurden als Ackerland genutzt - besonders im Werratal und in den Niederungen um die Wehre - der Rest als Weide- und Grünland am Westrand des Meißners, dem Ringgau und dem Sontraer Land. An diesen Zahlen hat sich bis heute nur wenig geändert: Sowohl in den Jahren 2009 als auch 2012 wurden etwas mehr als 38.000 ha des Kreisgebietes landwirtschaftlich genutzt, wobei jeweils 23.800 ha als Ackerland und 14.200 ha als Grünland bewirtschaftet wurden.
Dabei hat sich das Verhältnis der angebauten Feldfrüchte zueinander nur wenig verändert. Sowohl 1974 als auch in den Jahren 1995, 2009 und 2012 dominierten die gängigen Getreidearten Winter- und Sommergerste sowie Winter- und Sommerweizen mit jeweils gut 60 % der Anbaufläche. Die restlichen 40 % teilten sich hauptsächlich Ölfrüchte und Ackerfutter - alle anderen Anbauformen wie Obstbau und Baumkulturen, Hackfrüchte und Gartenbau waren, und sind, zumindest von der genutzten Flächen, ohne größere Bedeutung.
Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang noch der Kirschenanbau als Sonderkultur im Werratal und Witzenhausen und Bad Sooden-Allendorf sowie dem unteren Gelstertal bis Hundelshausen, der sich bis 1573 zurückverfolgen lässt und über die reine Obstvermarktung hinaus eine nicht unerhebliche Bedeutung im Außenmarketing und Tagestourismus besitzt.
Deutlichere Veränderungen sind im Bereich der Tierhaltung festzustellen. In diesem Segment liegt der der Schwerpunkt im Werra-Meißner-Kreis auf Rindviehhaltung und Schweinemast, wobei insbesondere die Rinderhaltung den typischen Produktionszweig landwirtschaftlicher Betriebe in Mittelgebirgslagen wie der hiesigen darstellt.
Gab es Anfang der 70er Jahre des vorigen Jahnhunderts noch annähernd 39.000 Rinder im heutigen Kreisgebiet, so hat sich diese Zahl ebenso kontinuierlich wie drastisch verringert. Über 24.000 im Sommer 1995 - ein Minus von knapp 40 % - schrumpfte die Zahl des Rindviehs auf 14.664 (2009), um aktuell bei 13.225 Tieren angelangt zu sein, was einen Rückgang von zwei Dritteln des ursprünglichen Tierbestandes bedeutet.
Rückläufig war insbesondere die Milchviehhaltung, was allerdings nicht zwangsläufig eine Minderung der Milcherzeugung in gleichem Ausmaß bedeutete, denn die Milchlieferung ist von einem ganz speziellen Quotensystem abhängig. Den Bauern des Werra-Meißner-Kreises standen lange Zeit rund 50 Mio. Liter Milch pro Jahr als Liefermenge zu, die sich dann auf 48,4 Mio. Liter reduzierten, um schließlich in jüngster Zeit noch einmal um 2,5 Mio. Liter abzunehmen.
Diese Liefermengen konnten trotz einer immer geringeren Anzahl von Tieren erbracht werden - von 14.799 (1971) über 8.113 (1995) bis hin zu 6.629 Milchkühen im Jahr 2009. Die letzte Erhebung aus dem Jahr 2012, die dem Zweiten Bericht zur Lage der Landwirtschaft zu Grunde liegt, sieht die Zahl der Milchkühe im Werra-Meißner-Kreis bei 6.075, Tendenz weiter fallend.
Nicht ganz so gravierend gestaltete sich der Rückgang im Bereich der Schweinehaltung. Wurden Anfang Dezember 1972 noch insgesamt 45.500 Mastschweine gezählt - ohne Ferkel bis acht Wochen, Zuchtsauen und Eber - so verringerte sich diese bis 1995 auf 28.500, um schließlich 2009 auf 17.821 zu sinken - mithin ein Verlust von knapp 60 % des Schweinebestandes von 1972.
Seitdem ist der hier der Bestand konstant, was u. a. auch an der intensiveren Vermarktung des Produktes "Ahle Wurscht" liegen mag, die nicht nur regional von Bedeutung ist, sondern in den letzten Jahren durch intensiveres Marketing einen erheblich größeren Bekanntheitsgrad erlangt hat. In diesem Bereich ist auch der Werra-Meißner-Kreis tätig und stellt durch das "Werratal Culinarium" seit einiger Zeit die Verbindung zwischen heimischer Landwirtschaft, entsprechenden Urlaubsangeboten und den Endverbrauchern im gesamten Bundesgebiet her.
Besonders deutlich wird der Wandel im Bereich der Landwirtschaft bei einem Blick auf Zahl und Struktur der Betriebe. Im Jahr 1971 wurden auf der Fläche des heutigen Werra-Meißner-Kreises noch insgesamt 4.546 Betriebe gezählt, die eine Fläche von 41.414 ha bewirtschafteten - statistisch gesehen hatte also jeder Betrieb 9,6 ha zur Verfügung. Ein knappes Vierteljahrhundert später hatte sich die Zahl der Betriebe um 2.828 oder 62 % auf nur noch 1.781 vermindert, die allerdings mit 39.000 ha nur eine geringfügig kleinere Fläche zur Verfügung hatten. Die durchschnittliche Betriebsgröße war auf 22,7 ha gewachsen, was dem Zweieinhalbfachen von 1971 entsprach.
Damit war dieser Prozess bei weitem noch nicht beendet. Die aktuelle Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe im Werra-Meißner-Kreis liegt bei 1.009 (1.062 in 2009), wovon 307 (319 in 2009) als Haupterwerbsbetriebe gelten und 702 (743 in 2009) die Landwirtschaft im Nebenerwerb betreiben. Dabei bewirtschaften die Betriebe im Haupterwerb mit 29.041 ha rund 75 % der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche des Kreises - der Anteil der Nebenerwerbsbetriebe an der landwirtschaftlichen Fläche des Kreises beträgt nur 25 % und liegt damit deutlich unterhalb des Bundesdurchschnitts von 36 %.
Dabei haben die Haupterwerbsbetriebe ihre die genutzte Fläche auf durchschnittlich 95 ha gesteigert, was deutlich über dem hessischen Durchschnitt liegt (74 ha in 2011) und den Konzentrationsprozess weiter fortsetzt. Im Gegensatz dazu stagniert die durchschnittliche Fläche der Nebenerwerbsbetriebe bei 13 ha und liegt damit weit unter dem Hessenschnitt, der bei 24 ha liegt.
Überdurchschnittlich abgenommen hat vor allem die Zahl der Kleinstbetriebe unter 5 ha auf aktuell 295, die zusammen nur 808 ha bewirtschaften. Wenn dies auch nur noch 2 % der landwirtschaftlichen Flächen insgesamt ausmacht, so sind diese Betriebe vor allem bedeutsam "... in Hinblick auf Biodiversität in den Gemarkungen von Bedeutung: Je mehr unterschiedliche Betriebe Flächen bewirtschaften, um so vielgestaltiger ist die Landnutzung (Kulturen, Nutzungszeitpunkte, räumlicher Wechsel von intensiver und extensiver Nutzung), was sich positiv auf die Artenvielfalt auswirkt."
Hinsichtlich der betrieblichen Schwerpunkte lässt sich festhalten, dass die Landwirtschaft im Werra-Meißner-Kreis in etwa dem hessischen Landesdurchschnitt entspricht. Dabei ist die Spezialisierung weniger stark ausgeprägt und der Verbund zwischen Ackerbau und Tierhaltung stellt die charakteristische Betriebsform dar. Die Intensität der Produktion ist eher gering und geht mit einer relativ niedrigen Viehdichte einher.
Im Jahr 2012 hatte die Landwirtschaft des Werra-Meißner-Kreises laut dem "Lagebericht" folgendes Gesicht:
- 175 reine Ackerbaubetriebe, davon 68 im Haupterwerb, bewirtschafteten 11.310 ha Fläche und damit 42 % der Gesamtackerfläche. Die Ackerbaubetriebe im Haupterwerb verfügen dabei über eine durchschnittliche Fläche von 120 ha. Ihr Anteil an der Gesamtzahl der Betriebe beträgt 26 %.
- 246 Verbundbetriebe, davon 132 im Haupterwerb, bewirtschafteten 16.854 ha Fläche. Davon arbeiteten 155 Betriebe als Viehhaltungsverbund (80 Milchviehbetriebe), die restlichen 91 wirtschafteten als Pflanzenbauverbund mit dem Pflanzenbau als Schwerpunkt.
- 242 Futterbaubetriebe, davon 81 im Haupterwerb, bewirtschafteten 8.505 ha Fläche und damit 48 % des Grünlandes. Unter den 81 Haupterwerbsbetrieben waren 45 Milchviehhalter, 16 Mutterkuhhalter sowie 16 Rinderhalter und Schäfereien.
- 17 Veredelungsbetriebe, davon 14 im Haupterwerb, bewirtschafteten 1.160 ha Fläche. Auf Veredelung spezialisierte Betriebe (Schweine, Masthähnchen, Legehennen) spielen im Werra-Meißner-Kreis nur eine untergeordnete Rolle.
Der ökologische Landbau, der mit dem Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften der Universität Kassel in Witzenhausen ein international renommiertes wissenschaftliches Zentrum besitzt, hat jenseits aller wissenschaftlichen Forschung auch die praktische Landwirtschaft im Werra - Meißner erweitert und verändert.
In dem bereits erwähnten Buch zum Kreisgeburtstag 1999 fristete der ökologische Landbau noch ein relativ bescheidenes Randdasein: Auf insgesamt fünf Seiten "Landwirtschaft" beschäftigten sich ganze dreizehn Zeilen mit dem ökologischen Landbau. "1995 wirtschafteten 34 Betriebe nach den Regeln des ökologischen Landbaus", begann der Absatz, um dann fortzufahren, "Sehr oft haben sich diese Betriebe - wie auch einige konventionell wirtschaftende - neue Vermarktungswege (Wochenmärkte, Hofläden. Lieferservice u. a.) erschlossen und liefern ihre frischen und hochwertigen Produkte direkt an den Endverbraucher. Sie tun dies in der Regel sehr engagiert und erfolgreich, obgleich die Voraussetzungen für diese Vermarktungsform im dünn besiedelten und kaufkraftschwachen Werra-Meißner-Kreis nicht besonders günstig sind."
In den vergangenen fünfundzwanzig Jahren ist eine Menge geschehen und die Zahl der ökologisch wirtschaftenden Betriebe hat sich bis 2012 auf 77 erhöht und damit mehr als verdoppelt. Zentren des ökologischen Landbaus sind die Region Witzenhausen mit zwanzig und Bad Sooden-Allendorf mit dreizehn Betrieben. Knapp 8 % der landwirtschaftlichen Betriebe im Kreisgebiet wirtschaftet mittlerweile ökologisch und nutzt dabei insgesamt 3.596 ha Fläche, die zu zwei Drittel als Grünland und einem Drittel als Ackerland dient.
Die durchschnittliche Flächenausstattung lag 2012 bei 47 ha, Landwirtschaft im Haupterwerb betrieben 40 % der Öko - Betriebe. Die meisten ökologisch wirtschaftenden Betriebe hielten Rinder (25 Mutterkuhhalter und 7 Milchviehhalter) oder Schafe, so dass hier Futterbau- und Verbundbetriebe überdurchschnittlich vertreten waren. Besonders bedeutsam ist im Werra-Meißner-Kreis die ökologische Schafhaltung, auf deren 17 Betriebe mit 4.316 Tieren mehr als die Hälfte des gesamten heimischen Schafbestandes kam.
Im Kielwasser der Universität Kassel ist im Kreis eine hohe Konzentration von Bio - Betrieben entstanden, die von der WFG als "Bio - Region Werratal" vermarktet werden. Im Februar 2013 gehörten 92 Anbieter dazu, die vom Honig über Rindfleisch, Getreide, Schafen bis hin zu Käse, "Ahler Wurscht", mobilen Hühnerställen und Seifen ein breit gefächertes Angebot repräsentieren.
Der Werra-Meißner-Kreis ist also in den vergangenen Jahren immer mehr zum "Paradies für Bio - Freunde" geworden, wie die WR am 8. Februar 2013 titelte. Zum Ausdruck kommt dies u. a. auch darin, dass zahlreiche heimische Betriebe im Kontext mit der Uni - Kassel regelmäßig das Land Hessen auf der Weltleitmesse "Bio - Fach" in Nürnberg vertreten und damit den Kreis als überaus zukunftsfähig in diesem stetig wachsenden Segment der Landwirtschaft präsentieren.
Trotz aller teils einschneidender Veränderungen zeigt sich die Landwirtschaft im Werra-Meißner-Kreis robust, flexibel und damit zukunftsfähig. Dabei ist sie, wie es Horst Kupski, der damalige Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Werra-Meißner ausdrückte, "... mehr als nur die Herstellung von Lebensmitteln und nachwachsenden Energierohstoffen, sondern auch der Erhalt und die Pflege der Kulturlandschaft. Ohne Bewirtschaftung verbuschen Flächen, das erhöht die Attraktivität der auch touristisch vermarkteten Landschaft nicht."
Immer älter, immer weniger - den demografischen Wandel gestalten
Dünn besiedelt war unsere Region schon immer. Dies galt für die Jahrzehnte vor dem Zweiten Weltkrieg ebenso wie für die erste Nachkriegszeit bis zur Gründung des Werra-Meißner-Kreises. Zwar erhöhten sich durch Flüchtlingszuzüge und Heimatvertriebene die Einwohnerzahlen der damaligen Kreise Eschwege und Witzenhausen nach 1945 erheblich, aber mit 123.500 "Werra-Meißnerianern" zählte man zur Geburtsstunde des neuen Kreises am 1. Januar 1974 neben dem Vogelsbergkreis in Mittelhessen sowie dem Odenwaldkreis ganz im Süden des Landes zu den bevölkerungs- und auch wirtschaftsschwächsten Landstrichen Hessens.
Daran hat sich seit damals nichts geändert. Bereits in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts konnte, bedingt durch die problematische wirtschaftliche Lage an der innerdeutschen Grenze, ein schleichender aber stetiger Bevölkerungsrückgang nicht verhindert werden.
Die im Schnitt relativ hohe Arbeitslosigkeit - Mitte der 80er Jahre lag sie im Werra-Kreis-Kreis bei 11,4 % und damit um 4 % höher als der vergleichbare Hessenwert von 7,4 % - tat ein Übriges und immer mehr Menschen kehrten auf der Suche nach zukunftssicheren Arbeitsplätzen dem Werra-Meißner-Land den Rücken. Noch war dies eine bloße Wanderungsbewegung, durch welche die Bevölkerung im Kreis bis zum November 1989 um rund 11.000 Personen bzw. knapp 9 % schrumpfte und kurz vor der Grenzöffnung mit 111.991 ihren niedrigsten Wert seit 1974 erreichte.
Dann kam die Grenzöffnung, die, wie im Jubiläumsbuch zum 25. Kreisgeburtstag angemerkt, "... deutlich positiven Einfluss auf die Bevölkerungsentwicklung hatte" und die Zahl der Einwohner bis 1993 auf wieder rund 117.903 ansteigen ließ. Seitdem ist die Bevölkerungszahl allerdings stetig im Sinken begriffen und über 107.156 im Jahr 2007 und 100.600 am 30. Juni 2013 aktuell bereits unter die 100.000 Einwohner Grenze gerutscht.
An dieser Marke soll mit dem Bevölkerungsrückgang, laut der Studien und Prognosen unterschiedlichster Institute, des statistischen Landesamtes und - dies erst jüngst - des hessischen Rundfunks, noch lange nicht Schluss sein. Die Voraussagen sind allerorten bescheiden, besonders alarmierend aber im aktuellen sogenannten "Demografie-Atlas" von hr-online vom Januar 2014.
Hier verliert der Werra-Meißner-Kreis bis 2030 mit 20 % der Bevölkerung so viele Menschen, wie kein anderer Landkreis in Hessen und wird dann nur noch knapp über 80.000 Einwohner haben. Nicht optimistischer stimmt auch der Blick in die etwas entferntere Zukunft: Bis zum Jahr 2050 sollen im Land an Werra und Meißner nur noch etwas über 62.000 Menschen leben - rund 40 % weniger als 2014 und nur noch die Hälfte der Einwohner des Jahres 1974.
Allerdings sind weder die Prognosen noch die skizzierte Entwicklung neu. Das Problem einer schrumpfenden Bevölkerung einerseits und, über die reine Abwanderung hinaus, deren gleichzeitige Veränderung der Altersstruktur andererseits steht unter der Bezeichnung "Demografischer Wandel" schon seit geraumer Zeit in vielen davon betroffenen Landstrichen auf der Tagesordnung.
Der Blick auf eine willkürliche Auswahl von Schlagzeilen der Presse im Werra-Meißner-Kreis aus den vergangenen zehn Jahren zeigt, dass die Problematik der abnehmenden und gleichzeitig alternden Bevölkerung zu einem ganz wichtigen Thema innerhalb der kreisweiten Öffentlichkeit geworden ist: "Der Kreis vergreist" (Juli 2004), "Eine Stadt verschwindet" (November 2004), "Die alternde Stadt" (Februar 2006), "Die Zeit des Abschieds - demographischer Kollaps kommt" (Oktober 2006), "Zahlen die Angst machen - Dörfer sollen nicht zu Wüstungen werden" (Februar 2009), "Dramatische Zahlen für den Kreis" (März 2009), "Kreis rutscht unter 100.000 Einwohner" (November 2013).
Sehr früh schon waren sich die politisch Verantwortlichen der Brisanz des Themas bewusst und handelten. Innerhalb der Verwaltung wurde eine Stabsstelle Demografie geschaffen, hinzu kamen ein "Forum demografischer Wandel" mit Vertretern aus allen gesellschaftlichen Bereichen und ein Regionalforum mit vielen ehrenamtlichen Kommunalpolitikern. Der Kreis hat seit 2004 nicht nur die Herausforderungen angenommen, sondern auch seine "Hausaufgaben" gemacht und quer durch Politik, Verwaltung und Gesellschaft tragfähige Strukturen und Netzwerke aufgebaut.
"Wenn der Werra-Meißner-Kreis nicht eines Tages als Landschaftsmuseum von sich reden machen will, muss dem Phänomen des Bevölkerungswandels gezielt entgegengewirkt werden" - diese klaren Worte des Kasseler Professors Ulf Hahne, formuliert auf dem 2. Regionalforum des Kreises Anfang Oktober 2006, fielen bereits auf fruchtbaren Boden und die zusätzlich aufgestellten Forderung des Wissenschaftlers, sowohl in den Städten und Gemeinden wie auch im Kreis Leitbilder und Profile zu schärfen, wurde von allen Beteiligten des Forums unterstützt.
Diese seinerzeit postulierten Forderungen Hahnes, der als Leiter des Fachgebiets für nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung an der Universität Kassel bestens mit der Problematik vertraut ist, kann man getrost als Leitlinie für all das bezeichnen, was der Kreis seitdem zur Bewältigung des demografischen Wandels unternommen hat.
Einen großen Schritt nach vorn im Rahmen dieser Anstrengungen brachte das Jahr 2009: Ende April wurde neben dem Landkreis Ostfriesland auch der Werra-Meißner-Kreis aus 35 westdeutschen Bewerbern als Modellregion für das Programm "Demografischer Wandel - Region schafft Zukunft" der Bundesregierung ausgewählt.
Der damalige Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Wolfgang Tiefensee (SPD), der auf einer Pressekonferenz in Berlin Modellregionen und Programm vorstellte, begründete die Entscheidung für den Werra-Meißner-Kreis damit, "... dass der Kreis innerhalb der Gruppe von 35 westdeutschen Bewerbern mit den besten strategischen Ansätzen aufwarten konnte. Er bescheinigte dem Kreis konkret umsetzungsfähige Projekte und einen starken Rückhalt in der Region."
Zu diesen umsetzungsfähigen Projekten, die bis Ende 2010 vom Bund mit 870.000 Euro bezuschusst wurden, zählten insbesondere Vorhaben zur Stärkung regionaler Wertschöpfung (Projekt "Mitten drin statt außen vor") und Ausschöpfung vorhandener Wirtschaftsressourcen (Projekt "Zukunft im Focus - hier will ich investieren"). Darüber hinaus wurden auch Projekte, bei denen es um Wohnen, Versorgung und Betreuung älterer Menschen sowie einen generationenübergreifenden Ansatz ging mit dem Ziel unterstützt, Dorfkerne zu stärken und die Versorgung der Menschen auf dem Lande zu verbessern.
In diesem Zusammenhang sind vor allem die Projekte zur Verbesserung von Nahversorgung und dörflicher Kommunikation zu nennen, die mit den neuen Dorfläden bzw. Dorfzentren in Datterode und Gertenbach beispielgebend umgesetzt wurden und als Startprojekte die Initialzündung zu vergleichbaren Initiativen in anderen Orten geben können.
Den zweiten wichtigen Schritt nach vorn gab es durch den 2009 fertig- und Anfang 2010 vorgestellten ersten Demografiebericht des Kreises, der sich intensiv mit allen nur möglichen Facetten des Themas auseinandersetzte. Dabei ging es vor allem darum, dessen "... vielfältige Auswirkungen auf Wirtschaft, Arbeit, soziale und technische Infrastruktur, Verkehr, Stadt- und Dorfentwicklung, Finanzen sowie Haushalts- und Familienstrukturen gestalten zu können."
Impliziert war mit dem Bericht natürlich keine bloße Bestandsaufnahme, sondern er sollte mit seinen Handlungsempfehlungen als Grundlage für strategische Planungen und, dies vor allem, umsetzbare Projekte und Maßnahmen dienen. Dazu wurden insgesamt dreizehn Arbeitsfelder vorgestellt, die von "Kinder, Jugend und Familie" über "Senioren", "Regionale Entwicklung", "Wirtschaft" und "Nahverkehr" bis hin zu "Bürgerschaftliches Engagement" und "Gesundheit" reichten.
Alle diese Handlungsfelder beinhalten neben der Beschreibung der Ausgangssituation die Beantwortung der Frage, was im Hinblick auf die Veränderungen durch den demografischen Wandel in Zukunft zu tun ist. Grundsätzlich begreift der Werra-Meißner-Kreis den Wandel nicht nur als Problem, sondern auch als Chance, um sich "... als Wohnstandort für Familien mit Kindern, als Lebensort für ältere Menschen, als Ferienregion und als Standort zur Erzeugung von erneuerbaren Energien und Energieeffizienztechnologien zu positionieren und setzt in diesen Handlungsfeldern auf Qualität, Bündelung von Ressourcen und Vernetzung der Akteure und Angebote."
So entstand das "Netzwerk demografischer Wandel im Werra-Meißner-Kreis", das alle Akteure zusammengefasst hat und kontinuierlich weiter arbeiten kann. Wichtig ist dabei auch, dass neben den unterschiedlichsten Einzelprojekten und Handlungsfeldern kreisweite Zusammenschlüsse wie etwa das "Bündnis für Familie" oder die "Bürgerstiftung Werra-Meißner" hier aktiv mitwirken und der Kreis als solcher im März 2014 mit der Zusammenfassung der Dienststelle "Dorf- und Regionalentwicklung" und der Stabsstelle "Demografischer Wandel" zum "Stab Demografie, Dorf und Regionalentwicklung" in Witzenhausen ein zusätzliches Zeichen gesetzt hat.
Damit geht der Werra-Meißner-Kreis auch nach dem Ende des geförderten Programms "Region schafft Zukunft" den eingeschlagenen Weg weiter und wird sich mit eigenen Haushaltsmitteln - der Kreistag hat mit großer Mehrheit dafür 150.000 Euro bereit gestellt - und dem Programm "Region hat Zukunft" den Herausforderungen des Demografischen Wandels weiterhin stellen.
Für diese Herangehensweise an die Demografiefrage, die ja auch im eigentlichen Sinn die Frage nach der Zukunftsfähigkeit des Kreises beinhaltet, erhalten die Akteure von vielen Seiten, insbesondere aber aus der Wirtschaft, gute Noten. Stellvertretend sei hier die IHK Kassel - Marburg genannt, die 2012 den "Kreis auf einem guten Weg" sah und 2013 noch einmal verdeutlichte, dass sich "die Chancen für den Kreis vergrößern."
Sanierungsfall Krankenhäuser
Eines der Handlungsfelder im oben erwähnten Demografiebericht befasst sich mit dem Thema "Gesundheit" und fordert "eine flächendeckende Grundversorgung im Gesundheitsbereich (...) als Voraussetzung dafür, dass sowohl mit Familien mit Kindern als auch ältere Menschen in den Kommunen wohnen können und wohnen bleiben". Obwohl sie in diesem Zusammenhang nicht direkt angesprochen werden, so bilden doch die kreiseigenen Krankenhäuser in Eschwege und Witzenhausen die beiden tragenden Säulen der flächendeckenden Grundversorgung im Werra-Meißner-Kreis.
Nachdem Ende 1988 Sanierung und teilweiser Neubau des Kreis- und Stadtkrankenhauses in Witzenhausen abgeschlossen war, konnte man auf ein Jahrzehnt Bautätigkeit und Gesamtkosten von über 60 Mio. DM zurückblicken. Das Haus in Witzenhausen war zu einem modernen medizinischen Dienstleistungszentrum mit 201 Patientenbetten geworden.
Im Kreiskrankenhaus Eschwege waren die 80er Jahre hauptsächlich durch den Beginn umfangreicher Brandschutzmaßnahmen und die Vorplanungen für eine grundlegende Sanierung und Erweiterung des Funktions- und Bettentraktes gekennzeichnet, die insgesamt mit ca. 137 Mio. DM zu Buche schlugen. Obwohl das Land auch hier durch umfangreiche Fördermittel erheblich zur Finanzierung des Gesamtkomplexes beitrug, hatte der Kreis doch einen beachtlichen Eigenanteil zu schultern.
Nach der Inbetriebnahme des Erweiterungsbaus im Jahr 1998 konnte mit der Sanierung des Altbaus begonnen werden - komplett fertig gestellt war das Kreiskrankenhaus schließlich mit der Einweihung des neuen Bettenhauses 2004 bzw. der Eröffnung des Neubaus der Psychiatrie ein Jahr später.
Nach dieser räumlichen und technischen Sanierung bzw. Modernisierung - im Bereich der Radiologie hatte sowohl in Eschwege als auch Witzenhausen modernste Technik in Gestalt von Computertomographie Einzug gehalten und in Eschwege gab es seit 1998 zudem einen Kernspintomographen - hatten beide Krankenhäuser allen Grund, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Doch es sollte anders kommen. Deutschlandweit befand sich das Gesundheitswesen im Umbruch und immer neue Reformen hatten vordringlich das Ziel, die stetig steigenden Kosten zu dämpfen. Gerade auch die kleineren Krankenhäuser in ländlichen Regionen, zu denen die Kliniken in Eschwege und Witzenhausen fraglos gehörten, waren enormen Kostendruck von Seiten der Krankenkassen und Wettbewerbsdruck der deutlich größeren Mitbewerber in den Oberzentren Kassel und Göttingen ausgesetzt.
Weder der ausgezeichnete medizinische Ruf der beiden Häuser noch die selbstgesetzte Verpflichtung der Verantwortlichen, "... in einem ständigen Anpassungsprozess die Krankenhäuser zu humanen, leistungsfähigen und bürgernahen Gesundheitszentren auszubauen und fortzuentwickeln" bewahrte die Krankenhäuser davor, im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends in heftige Turbulenzen zu geraten.
Wie viele andere Krankenhäuser auch, litten die beiden Häuser im Werra-Meißner-Kreis seit der Jahrtausendwende unter einer fatalen Dreifachbelastung: Sie erhielten weniger Geld bei wachsenden Aufgaben und sahen sich zudem einem stärkeren Konkurrenzkampf ausgesetzt. Es galt auch im Gesundheitswesen "die Kräfte zu bündeln" zusammenzurücken und durch die so entstehenden Synergieeffekte Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit auszubauen.
Für eine regelrechte Fusion war die Zeit noch nicht gekommen und so entschloss man sich für das Konstrukt der "Gesundheitsholding Werra - Meißner", die als gemeinsame Dachgesellschaft die beiden weiterhin eigenständig bleibenden Krankenhäuser leiten sollte. Den Grundsatzbeschluss dazu fasste der Kreistag im September 2003, der ein halbes Jahr später, am 22. März 2004, mittels Änderung der Gesellschaftsverträge der Krankenhaus GmbHs in Eschwege vertraglich besiegelt und in Kraft gesetzt wurde.
"Wichtig sei", wie der damalige SPD - Kreistagsabgeordnete und dann Landrat Stefan Reuß im Zuge der Kreistagsdiskussion erklärte, "die Synergieeffekte durch Zusammenarbeit zu nutzen. Im Gegensatz zu anderen Landkreisen entziehe man sich nicht durch Verkauf der Kliniken der Verantwortung, sondern sorge durch eine weiterhin kommunale Trägerschaft für den Erhalt der Gesundheitsversorgung."
Die Geschäftsführer der Krankenhäuser in Eschwege und Witzenhausen, Heinz-Walter Eisenhuth und Heinrich Lampe, wurden zu gleichberechtigten Geschäftsführern der neuen Holding, die sich Mitte Dezember 2005 der Presse gegenüber als "gut aufgestellt" präsentierte. Durch die neu gegründete Gesellschaft PRN (Prävention, Reha und Nachsorge) wurde u. a. auch die Orthopädie Hess. Lichtenau in den Holding-Verbund einbezogen.
Kern der damals im Entstehen begriffenen "Gesundheitslandschaft Werra-Meißner", die neben der Orthopädie in Hess. Lichtenau auch die Reha-Kliniken und das übrige medizinische Potenzial in Bad Sooden-Allendorf mit einbeziehen sollte, waren die Krankenhäuser in Eschwege und Witzenhausen, die, baulich runderneuert, mit ihren fast 1.100 Mitarbeitern von ihren Geschäftsführern der Öffentlichkeit als "Top Häuser" präsentiert wurden.
Binnen Jahresfrist stellte sich die Situation plötzlich ganz anders dar und alle hochfliegenden Pläne verschwanden in den Schubladen. Ende Oktober 2006 wurde von Seiten der politisch Verantwortlichen öffentlich eingestanden, dass die Situation der Krankenhäuser "dramatisch" sei und der "Werra-Meißner-Kreis und den Erhalt der Kliniken kämpft".
So ganz überraschend kam diese Feststellung von Seiten der Politik allerdings nicht, denn schon im Februar 2006 hatten an beiden Standorten die Beschäftigten in einem sogenannten "Sanierungstarifvertrag" auf Teile ihres Gehaltes verzichtet und im Gegensatz eine Arbeitsplatzgarantie bis Ende 2009 erhalten. Allerdings musste auch die Politik einräumen, dass "... die Dramatik und Geschwindigkeit der schwierigen Entwicklung so nicht vorhersehbar" gewesen seien.
Eine Entwicklung war in Gang gesetzt, deren erste Etappe am 5. Dezember 2008 mit dem Verkauf der Krankenhäuser an die in Kassel beheimatete "Gesundheit Nordhessen AG" für einen, wie die Presse es formulierte, "... sensationell niedrigen Preis von 2,2 Mio. Euro" endete. Die "Gesundheit Nordhessen AG", ein ebenfalls kommunales Gesundheitsunternehmen mit Stadt und Landkreis Kassel als Träger, hatte sich gegen die privaten Mietbieter Asklepios, Rhön-Klinikum und die Agaplesion AG durchgesetzt - letztere hatte schon seit dem Sommer 2007 erheblichen Einfluss auf die Geschicke der Häuser, denn ihre Tochtergesellschaft DFG Beratungs- und Betriebsgesellschaft war geschäftsführend für die Holding zuständig.
Bevor es zu dieser Verkaufsentscheidung kommen konnte - die im Kreistag übrigens durch eine breite Mehrheit von 40 der 57 Abgeordneten quer durch alle Fraktionen getragen wurde - hatte es einen zweijährigen, teilweise turbulenten und schmerzhaften Diskussionsprozess über die Kliniken gegeben, die dabei, so Landrat Stefan Reuß während der Kreistagssitzung am 5. Dezember 2008, "... am Rande des Abgrunds standen."
Da zudem die bisherigen Geschäftsführer im Frühsommer 2007 fast zeitgleich in Pension gingen, musste zudem eine neue Klinikleitung etabliert und das trudelnde Schiff "Gesundheitsholding Werra - Meißner" über Wasser gehalten werden. Dabei ging auch die Furcht vor weiterem Bettenabbau und, als Folge dessen, einem radikalen Personalschnitt um. Erste Schätzungen sprachen von einer Reduzierung auf 220 Betten in Eschwege und auf 100 in Witzenhausen - hier war der Betrieb allerdings schon auf 163 Betten zurückgefahren worden. Dass in diesem Szenario auch über eine Schließung des Witzenhäuser Krankenhauses spekuliert wurde, lag auf der Hand.
Um die Liquidität zu sichern bewilligte der Kreistag Mitte Juni 2007 5 Mio. Euro Soforthilfe und zum ersten Juli des gleichen Jahres wurde eine neue Geschäftsführung mit der Sanierung und weiteren Modernisierung der beiden Krankenhäuser beauftragt.
Zum Zeitpunkt des Verkaufs hatte die Arbeit der neuen Geschäftsführung bereits Früchte getragen, der Fehlbedarf im Geschäftsjahr 2007 war deutlich gesunken, Schulden konnten abgebaut sowie der Umsatz um 4,4 % gesteigert werden: Die Gesundheitsholding befand sich nachhaltig "... auf dem Weg der Besserung" und Landrat Stefan Reuß war "... erfreut über einen wichtigen Schritt zur wirtschaftlichen Gesundung der Kliniken, wie man ihn in dieser Deutlichkeit nicht erwartet hatte".
Niemand hatte allerdings damit gerechnet, dass der bereits beschlossene Verkauf im letzten Moment noch scheitern würde. Grund dafür war das Eingreifen des Bundeskartellamts, das Anfang April 2009 den Verkauf der Krankenhäuser an die Gesundheit Nordhessen "... formal untersagte, da hierdurch eine marktbeherrschende Stellung im Werra-Meißner-Kreis und der Region Kassel entstehen würde".
Die Folge war ein Wiederaufleben der eigentlich bereits beendeten Diskussionen, die nun noch zusätzlich um die Variante bereichert wurden, letztendlich doch vielleicht sogar eigenständig zu bleiben. Untermauert wurde dieser Ansatz durch eine sich immer weiter verbessernde Wirtschaftlichkeit von Kliniken und Holding, die im Geschäftsjahr 2008 über 650.000 Euro Gewinn erwirtschaftet hatten.
Im September 2009 wurden dann auch die Verträge mit der Geschäftsführung bis 2012 verlängert - "mit dieser personellen Weichenstellung" so Landrat Stefan Reuß vor dem Aufsichtsrat, "könne der erfolgreiche Weg der Konsolidierung und Sanierung der Krankenhäuser fortgesetzt werden."
Einen wesentlichen Anteil an diesem erfolgreichen Weg hatten auch die Mitarbeiter, die noch im Jahr 2009 einem bis 2017 befristeten sogenannten "Zukunftssicherungsvertrag" zustimmten und dadurch bis 2015 auf 3,5 % ihres Gehaltes verzichteten. Die Situation der Häuser hatte sich deutlich verbessert und ein Verkauf war plötzlich nicht mehr die einzige mögliche Zukunft.
Die Situation verbesserte sich weiter, und dies sowohl wirtschaftlich als auch auf der medizinischen Ebene. Seit Mitte des Jahrzehnts war bereits das Klinikum in Eschwege "Akademisches Lehrkrankenhaus" der Universitätsklinik Göttingen, im Januar 2012 kam auch das Witzenhäuser Haus hinzu und beide Standort gingen als Bestandteil der Göttinger Ärzteausbildung eine enge Kooperation mit dem Universitätsklinikum ein. Diese und eine ganze Reihe weiterer positiver Entwicklungen, ließen den Wunsch eines Verkaufs der Krankenhäuser immer kleiner werden.
Im Mai 2010 stimmte der Kreistag einstimmig für die Verschmelzung der beiden Krankenhäuser zum "Klinikum Werra-Meißner". Die Witzenhäuser Stadtverordnetenversammlung folgte im Juni und im Oktober folgte als letzter organisatorischer Schritt die Auflösung des "Zweckverbandes Stadt- und Kreiskrankenhaus Witzenhausen. Das neue Klinikum Werra - Meißner war sozusagen "betriebsbereit."
Ende Januar 2011 dann das offizielle Ende der Verkaufsabsichten: "Die Krankenhäuser in Eschwege und Witzenhausen", so der Kreis in einer Pressemitteilung, "werden unter dem Dach des Klinikums Werra - Meißner weiter einen selbständigen Weg gehen. Man suche nach einem neuen Profil und setze auf den Ausbau an den Standorten Eschwege und Witzenhausen."
Im Sommer 2011 präsentierte die Gesundheitsholding Werra-Meißner mit einem Jahresüberschuss von 1,9 Mill. Euro das beste Jahresergebnis seit ihrer Gründung und dass - durch fünfzig Neueinstellungen - die Zahl der Mitarbeiter an beiden Standorten mittlerweile auf 1076 angewachsen ist. Diese positive Entwicklung setzte sich, wenn auch leicht abgeschwächt, in 2012 weiter fort und sowohl die verantwortliche Geschäftsführung mit Prof. Ulrich Vetter und Christoph Maier als auch der Aufsichtsrat mit Landrat Stefan Reuß konnten voller Zufriedenheit und gleichzeitiger Zuversicht feststellen: "Die Krise ist vorbei."
Einen ganz wesentlichen Beitrag haben dazu die Mitarbeiter der beiden Häuser geleistet, die nicht nur den Zusammenschluss der beiden Häuser "... weitgehend reibungslos vollzogen, sondern auch durch ihren Gehaltsverzicht maßgeblich zur guten Bilanz des Klinikums beigetragen haben".
Nun gab es auch wieder Spielraum für die an beiden Standorten dringend notwendigen Investitionen, die, nach der erneuten Vertragsverlängerung, von der auch zukünftig in der Verantwortung stehenden Geschäftsführung umgesetzt werden sollen.
In Witzenhausen steht bis 2016 für 9,5 Mio. Euro der in den 70er Jahren gebaute "Neue" Krankenhausteil zur Modernisierung an - der Altbau soll abgerissen bzw. vermietet werden. In Eschwege ist es die Erweiterung und Aufstockung der Psychiatrie, die mit 4,5 Mio. Euro zu Buche schlägt.
Nicht vergessen werden sollen in dieser doch turbulenten Entwicklung des letzten Jahrzehnts die Leistungen des medizinischen Fachpersonals, die dafür gesorgt haben, dass die organisatorischen und finanziellen Probleme den guten Ruf der Krankenhäuser nicht beeinträchtigen konnten. Ein herausragendes, weil bundesweit publiziertes, Beispiel dafür ist der Qualitätsvergleich bei Gallenoperationen, den die AOK an 1.096 deutschen Kliniken vornehmen ließ. Danach findet sich das Klinikum Werra-Meißner unter den 30 besten Krankenhäusern deutschlandweit.
"Außergewöhnlich ist diese Nachricht auch deshalb", so der HNA - Kommentar vom 22. November 2011, "weil sich die Analyse der AOK auf den Zeitraum zwischen 2007 und 2009 bezieht. Damals war die finanzielle Situation der Krankenhäuser in Eschwege und Witzenhausen dramatisch. In einer solchen Zeit herausragende Ergebnisse zu erzielen, spricht für die Arbeit der Belegschaft. Deswegen ist die Auszeichnung ein Erfolg der Mitarbeiter. Glückwunsch."
Dem ist an dieser Stelle nichts hinzuzufügen.
Einheit und Vielfalt
Der Werra-Meißner-Kreis hatte jahrelang die gleichen Probleme zu bewältigen wie viele der modernen sogenannten "Patchwork-Familien": Durch die beiden Vorgängerkreise war alles doppelt vorhanden und musste auf die Notwendigkeiten nur noch einer Verwaltungseinheit abgestimmt werden.
Dies war eine schwierige Operation, denn hier ging es auch um die Traditionen der historisch gewachsenen Institutionen, räumliche Zuordnungen, persönliche Befindlichkeiten und lokale Präferenzen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass viele Organisationen Jahrzehnte gebraucht haben, um sich unter dem Dach des neuen Kreises zusammenzufinden - einige Verbände wie z. B. das Deutsche Rote Kreuz, der VdK oder die Arbeiterwohlfahrt haben diesen Schritt bis heute nicht vollzogen. Ebenfalls weiterhin ausschließlich auf "Altkreis-Ebene" aktiv sind bislang auch die christlichen Kirchen, die für ihre Arbeit ebenfalls bislang noch keine Notwendigkeiten sahen, sich den politischen Strukturen anzupassen.
Beispielhaft für den unterschiedlichen Umgang mit der Problematik "Großkreis" soll der Weg geschildert werden, den die Organisationen der Landwirtschaft, der Arbeitnehmer, des Sports und der Feuerwehren gegangen sind, ehe sie sich alle als Teil des größeren politischen Gebildes eingerichtet haben.
Wenige bis überhaupt keine Probleme mit der neuen Gebietsstruktur hatten die Verbände der heimischen Landwirtschaft, die sich in Gestalt der beiden Kreisbauernverbände Eschwege und Witzenhausen bereits am 19. Februar 1974 zum Kreisbauernverband Werra-Meißner zusammenschlossen und die gemeinsame Geschäftsstelle in der Kreisstadt Eschwege einrichteten. Dies fiel umso leichter, da die beiden vorher selbstständigen Kreisbauernverbände nicht nur fast zeitgleich im Jahr 1948 gegründet wurden, sondern bereits damals durch eine gemeinsame Geschäftsstelle in Eschwege verwaltet wurden. Zum Kreisbauernverband Werra-Meißner gehören in 130 Ortsverbänden fast eintausend Landwirte, die zusammen 34.000 ha Fläche bewirtschaften.
Der Kreisbauernverband hat sich zu einem modernen und leistungsfähigen Dienstleister für seine Mitglieder - die Geschäftsstelle des KBV ist gleichzeitig auch der Sitz der des Bodenverbandes, der Landtechnischen Fördergemeinschaft Werra-Meißner, des Kreisverbandes der Jagdgenossenschaften und der Kreisgruppe Werra-Meißner der hessischen Waldbesitzer - und einem unverzichtbaren Bestandteil des öffentlichen Lebens im Kreis entwickelt.
Sehr früh in einen gemeinsame Kreisverband gebracht wurden auch die beiden Kreisverbände des Deutschen Gewerkschaftsbundes, der allerdings nur bis 1996 eigenständig blieb, ehe er im größeren Verbund des damals neuen DGB-Kreises Hersfeld-Rotenburg/Werra-Meißner aufging. Aber dieses Konstrukt hatte nur wenige Jahre Bestand und am 7. April 2002 wurde der DGB-Kreisverband Werra-Meißner im Witzenhäuser Bürgerhaus neu gegründet und vertritt seitdem die Interessen der Arbeitnehmer in der Region.
Auch im Sport haben sich nahezu alle früher auf Altkreisebene eigenständigen Verbände schon lange auf der Grundlage des Werra-Meißner-Kreises neu aufgestellt - die Palette reicht hierbei von den Fußballern über die Reiter bis hin zu den Tischtennisspielern. Etwas länger gedauert hat indes die Neuorganisation des Sportkreises Werra-Meißner e. V. als der Spitzenorganisation des heimischen Sports.
Erst 34 Jahre nach der Gebietsreform konstituierte er sich am 23. Februar 2008 nach langer und intensiver Vorbereitung in Bad Sooden-Allendorf als Dachorganisation von 240 Vereinen mit insgesamt 40.000 Mitgliedern und einer eigenen Service- und Geschäftsstelle an der Bad Sooden-Allendorfer Rhenanus-Schule.
Noch länger, und vor allem deutlich beschwerlicher, war der Weg hin zu einem gemeinsamen Kreisverband der Feuerwehren. Bereits kurz nach vollzogener Gebietsreform gab es erste Versuche, aus den zwei Verbänden der Altkreise einen neuen des Werra-Meißner-Kreises zu bilden. Damals war es vor allem Landrat Eitel O. Höhne, der immer wieder die Notwendigkeit einer solchen Fusion betonte. Stärker als die vor allem von der Politik forcierten frühen Fusionsbestrebungen waren allerdings die innerverbandlichen Widerstände, die damals dem Bau eines gemeinsamen "Werra-Meißner-Dachs" für die heimischen Feuerwehren verhinderten.
Deutlich weiter kam man dann in einem zweiten Versuch, der kurz nach dem 125-jährigen Geburtstag der beiden Verbände Anfang des neuen Jahrtausends unternommen wurde. Fast wäre schon damals die Fusion vollzogen worden, aber nachdem sich der Witzenhäuser Kreisverband 2003 in der entscheidenden Abstimmung mit denkbar knapper Mehrheit dagegen entschieden hatte, war auch dieser Versuch gescheitert.
Danach wurde das Verhältnis der beiden Verbände einer harten Belastungs- und Bewährungsprobe unterzogen und es sollte noch einmal fünf Jahre dauern, ehe man sich erneut an einen Tisch und das Projekt Fusion wieder auf die Tagesordnung setzte. Diesmal allerdings sollte es gelingen - schließlich sind ja, wie das Sprichwort es sagt, auch aller guten Dinge drei - und am 21. Januar 2010 fusionierten die beiden Verbände zum Kreisfeuerwehrverband Werra-Meißner. Nachdem im Mai 2010 mit der FF Friedrichsbrück auch die letzte noch fehlende 133. Feuerwehr in den neuen Verband eingetreten war, hatte der Kreisfeuerwehrverband endlich alle heimischen Wehren unter seinem Dach versammelt.
Deutlich schneller, aber auch nicht ohne Geburtswehen, fusionierten die beiden Kreissparkassen Eschwege und Witzenhausen zur Sparkasse Werra-Meißner. Immerhin sollte es siebzehn Jahre dauern, ehe nach der Geburtsstunde des Werra-Meißner-Kreises 1974 schließlich am 1. Januar 1991 auch die gleichnamige Sparkasse das Licht der Welt erblickte. Eigentlich hätte man denken können, dass dieser Zusammenschluss zügiger von statten gehen würde, waren die beiden Sparkassen Eschwege und Witzenhausen doch als "Kreissparkassen" unmittelbare Institutionen der beiden Landkreise und daher für eine rasche Fusion geradezu prädestiniert.
Aber auch hier war eine ganze Reihe, vor allem psychologischer, Hürden zu überspringen, ehe am 2. November 1990 die Fusion formal vollzogen werden konnte. "Einstimmig hat der Kreistag des Werra-Meißner-Kreises", berichtete die Lokalpresse am Tag darauf, "in seiner gestrigen Sitzung die Fusion der Sparkassen in Eschwege und Witzenhausen gebilligt, die ab 1. Januar 1991 als "Sparkasse Werra-Meißner" ihre Zukunft gemeinsam gestalten. (...) Dem Beschluss des Kreistages waren eingehende Beratungen der Vorstände beider Sparkassen vorausgegangen, die den zuständigen Gremien empfohlen hatten, die Verschmelzung in die Wege zu leiten. (...) Durch die Fusion stellt sich für die beiden Sparkassen im Kreisgebiet die Aufgabe, der sich abzeichnenden Wettbewerbsverschärfung mit ihren folgen aus einer Position der Stärke heraus frühzeitig zu begegnen und ihre Kräfte zu bündeln."
Ein Zusammenschluss beider Kassen lag indes auch in den Jahren zuvor sozusagen immer wieder "in der Luft", gelangte aber nie über den Stand bloßer Gedankenspiele hinaus. Besonders zum Jahresende 1977 wurde die Diskussion durch einen Antrag des DGB befeuert, der sich vehement für die weitere Eigenständigkeit der Witzenhäuser Kreissparkasse aussprach. Dahinter stand die Befürchtung des Verlusts von Arbeitsplätzen "durch eine Umwandlung der jetzt eigenständigen Sparkasse in eine Nebenstelle."
Ähnlich argumentierte damals die Witzenhäuser Politik, die in den ersten Jahren des neuen Kreises nur schwer den Verlust der Kreisstadtfunktion verwinden konnte immer wieder eine dadurch hervorgerufene Schwächung der Kirschenstadt beklagte. Auch von Sparkassenseite selbst gab es noch kein gesteigertes Interesse an einem Zusammengehen mit Eschwege: "Wenn wir die Fusion gewollt hätten", so Direktor Kurt Jahn im Dezember 1977, "hätten wir sie schon lange haben können (...) Wir können gut allein weiter existieren."
Erst die Liberalisierungspläne des damaligen EG - Finanzbinnenmarktes und der sich damit verschärfende Konkurrenzdruck insbesondere auf kleinere Banken - zu denen die Witzenhäuser Kreissparkasse mit einer Bilanzsumme von 500 Mio. DM im Jahr 1990 fraglos gehörte - ließen die Verantwortlichen ab dem Sommer 1990 den Weg in Richtung "Sparkasse Werra - Meißner" einschlagen, der trotz neu aufflammender Witzenhäuser Ängste dann sowohl von den damaligen Sparkassenvorständen als auch den Kreisgremien konsequent beschritten wurde und sich mittlerweile als goldrichtig herausgestellt hat.
Schon im Jubiläumsjahr 1994 - das Sparkassenwesen im Werra-Meissner - Kreis konnte auf eine 150-jährige Geschichte zurückblicken - zeigte die Fusion ihre positiven Auswirkungen: "Nach der Fusion (...) zur Sparkasse Werra - Meißner erfüllt das moderne Bankinstitut, das wie vor 150 Jahren eine kommunale Einrichtung geblieben ist, wie eh und je seine wichtigste Aufgabe: Die Aufnahme von Spargeldern und die Bedienung der unmittelbaren Region mit den für die wirtschaftliche Entwicklung notwendigen Krediten. Inzwischen 1,66 Milliarden DM an Kundeneinlagen, 1,34 Milliarden an Kunden ausgegebene Kredite und 2,15 Milliarden Geschäftsvolumen belegen eine unglaubliche Entwicklung, die vor 150 Jahren begonnen hatte."
Diesen Weg ist das "fest in Bevölkerung und Wirtschaft verankerte Institut" seitdem unbeirrt weitergegangen und kann für das Geschäftsjahr 2013 1,1 Mrd. Euro an Kundeneinlagen, 1,1 Mrd. Euro Kreditsumme und 1,7 Mrd. Euro Bilanzsumme vorweisen, was fast einer Verdoppelung der Bilanzsumme von 1994 gleich kommt.
Mit ihren 401 Mitarbeitern (davon 31 Auszubildende) gehört die Sparkasse Werra-Meißner nicht nur zu den größten Arbeitgebern im Kreis, sondern ist auch mit siebzehn modernen Geschäftsstellen sowie der Überlandsparkasse, die mittlerweile neun Orte regelmäßig anfährt, kreisweit in der Fläche präsent.
Die Unterstützung regionaler Vereine, Verbände und Initiativen durch die Sparkasse ist traditionell sehr intensiv. So wurde z. B. im Jubiläumsjahr 1994 eine Stiftung mit dem Grundkapital von einer Million DM gegründet, aus deren jährlichen Erträgen seitdem insbesondere soziale und kulturelle Aktivitäten gefördert werden und allein im Geschäftsjahr 2013 sind darüber hinaus über eine Viertelmillion Euro in Form von Spenden und Unterstützungen in das öffentliche Leben des Werra-Meißner-Kreises geflossen.
Am Schluss seiner Festrede zum 150. Geburtstag der Sparkasse betonte Heinrich Keller, der damalige Direktor zum Schluss, dass die "... Sparkasse Werra-Meißner das bleiben wolle, was sie sei: Ein beachtlicher wirtschaftlicher Faktor und ein vertrauensvoller Partner ihrer Kunden, der sich durch Bürgernähe und Verbundenheit mit der Region auszeichne."
An dieser Philosophie des kommunalen Kreditinstituts hat sich auch zwei Jahrzehnte später nichts geändert. "Wir leben vom Vertrauen unserer Kunden" so Frank Nickel, der heutige Sparkassenchef im Rahmen der Bilanzvorstellung für das Geschäftsjahr 2013, "und das dürfen wir nie und nimmer enttäuschen. Wir werden uns in Zukunft noch stärker davon leiten lassen, welche Produkte unsere Kunden benötigen und welche Bedürfnisse sie haben. Und wir werden bemüht sein, die Leistung qualitativ hochwertig und günstig zu erstellen."
Noch beschwerlicher war der Weg und vor allem ein ganzes Jahrzehnt später wurde er beschritten, an dessen Ende die heimischen Genossenschaftsbanken, die neben der Sparkasse das zweite Standbein des Bankwesens im Kreis bilden, den Zusammenschluss zur "Volks- und Raiffeisenbank Werra-Meißner" vollzogen.
Traditionell dichtmaschig und kleinteilig war das Netz der Genossenschaftsbanken im ländlich strukturierten Werra-Meißner-Kreis. Neben der Volksbank Hess. Lichtenau, die als einzige ihrer Art den Gesamtkreis abdeckte, gab es noch die Raiffeisenbanken in Witzenhausen, Eschwege, Wehretal und Hess. Lichtenau. Zwar spielten die besonderen lokalpolitischen Befindlichkeiten, die beim Zusammenschluss der Sparkassen so dominierend gewesen waren, im Bereich der Genossenschaftsbanken nur eine marginale Rolle, aber die wirtschaftlichen Turbulenzen, in die eine der beteiligten Banken im Vorfeld der Fusion geraten waren, wirkten sich auf das geplante Zusammengehen zugleich erschwerend als auch beschleunigend aus.
Fast zeitgleich hatte das Fusionskarussel 1998 an Fahrt gewonnen. Auf der einen Seite schlossen die Volksbank Hess. Lichtenau und die Raiffeisenbank Witzenhausen einen Kooperationsvertrag, dessen erklärtes Ziel die Verschmelzung der beiden Institute darstellte, auf der anderen Seite waren die Raiffeisenbanken in Eschwege, Hess. Lichtenau und Wehretal schon einen Schritt weiter und hatten sich bereits zusammengeschlossen.
Bis zum Sommer 2000 war man sich bei allen Beteiligten einig und die neue "VR Bank Werra-Meißner-Meißner", gebildet aus den Partnern Volksbank Hess. Lichtenau/Raiffeisenbank Witzenhausen sowie der Raiffeisenbank Eschwege - Hess. Lichtenau - Wehretal hatte Gestalt angenommen. Das zur Fusion nötige Votum der Vertreterversammlungen war mit 99 % ebenso vorhersehbar wie deutlich und die neue kreisweite Genossenschaftsbank mit Kundeneinlagen von 1,1 Mrd. DM, einer Kreditsumme von rund 1 Milliarde DM und der Gesamtbilanzsumme von knapp 1,6 Mrd. DM war aus dem Taufbecken gehoben.
"Die Dreier - Fusion der Genossenschaftsbanken im Werra-Meißner-Kreis war eine schwere Geburt", kommentierte die Lokalpresse am 22. Juli 2000, "im Landes- und Regionalvergleich kam sie eher spät, angesichts der zunächst schleppenden Diskussion in unserem Kreis dann doch überraschend schnell. Nun ist die Volks- und Raiffeisenbank Werra-Meißner dabei, sich zu etablieren. Der Name ist noch gewöhnungsbedürftig."
Mittlerweile ist die "schwere Geburt" lange vergessen und der damals noch gewöhnungsbedürftige Name längst in den Sprachschatz des Werra-Meißner-Kreises eingegangen. Das liegt nicht nur am wirtschaftlichen Erfolg der neuen Bank - die Bilanzsumme erreichte im Geschäftsjahr 2012 mit 970 Mill. Euro fast die Milliardengrenze - sondern auch an der regionalen Verwurzelung im Werra-Meißner-Kreis.
Ähnlich wie die Sparkasse ist auch die VR Bank Werra-Meißner bestrebt, der Region durch die Unterstützung zahlreicher kultureller, sozialer und gemeinnütziger Initiativen etwas von dem Vertrauen zurückzugeben, das die Menschen in sie setzen - und das "hilfsbereit, engagiert, regional, zuverlässig", eben mit Herz für die Region.
Die Einheit und Vielfalt des Werra-Meißner-Kreises repräsentieren auch die Organisationen der heimischen Wirtschaft. Zu nennen sind hier vor allem die Kreishandwerkerschaft sowie die Industrie- und Handelskammer Kassel - Marburg, die mit dem Regionalausschuss Werra-Meißner das gewählte Vertretungsorgan der im Kreis ansässigen Betriebe darstellt.
Ähnlich dem Kreisbauernverband gelang es bei den Handwerkern sehr schnell, die beiden selbständigen Altkreis - Kreishandwerkerschaften Eschwege und Witzenhausen sinnvoll miteinander zu verbinden. Nach nur einem Jahr Übergangszeit konnte die neue Kreishandwerkerschaft Werra-Meißner in ihrer Eschweger Geschäftsstelle - das dortige Haus gehörte der KH bereits seit dem Jahr 1954 - die Arbeit aufnehmen.
Bis in die 90er Jahre wurde noch eine zweite Geschäftsstelle in Witzenhausen betrieben, ehe man die dortige Liegenschaft aufgrund zu hoher Unterhaltungskosten veräußern musste, "... eine Entscheidung", wie die KH auf ihrer Internetseite betont, "die wir uns nicht leicht gemacht haben."
Spezielle mit der Gebietsreform entstandene Befindlichkeiten haben die Arbeit der Kreishandwerkerschaft zu keiner Zeit nennenswert belastet. Nicht von ungefähr war man von Anfang an paritätisch besetzt, Veranstaltungen fanden und finden überall im Kreisgebiet statt. Die bislang vier Kreishandwerksmeister des Werra-Meißner-Kreises als oberste Repräsentanten der elf Innungen und ihrer 550 Einzelbetriebe kamen bis 2002 aus dem Altkreis Eschwege und seitdem aus dem Witzenhäuser Raum.
Ähnlich vertrauensvoll und problemlos gestaltete sich seit der Bildung des Kreises die Arbeit des Regionalausschusses Werra-Meißner der Industrie- und Handelskammer Kassel, der, betreut von der IHK-Service-Stelle im Eschweger "Haus der Wirtschaft", als gewählte Institution sowohl die Interessen der heimischen Wirtschaft vertritt als auch im Sinne der Kreisentwicklung immer wieder nachdenkenswerte Impulse für die öffentliche und politische Diskussion liefert.
Vom Amt zum Fachbereich - modernisierte Verwaltung
Einheit und Vielfalt, die Überschrift des vorangegangenen Kapitels könnte als Schlagzeile auch für die Verwaltung unseres Kreises stehen. Wenn man in der Öffentlichkeit von "dem Kreis" spricht, sind in der Regel der Landrat nebst Stellvertreter, mit Abstrichen Kreistag und Kreisausschuss, vor allem aber die diversen Fachbereiche - früher Ämter - der Kreisverwaltung gemeint. Mit ihnen haben die Menschen zu allererst zu tun, hier wird das politische Gebilde Werra-Meißner-Kreis für jeden ebenso praktisch wie hautnah lebendig und erfahrbar.
Besonders auf dieser Ebene waren die größten Anstrengungen erforderlich, die beiden vorher selbständigen Kreisverwaltungen Eschwege und Witzenhausen organisatorisch zu verschmelzen und eine funktionierende neue "Werra-Meißner-Struktur" zu entwickeln - begonnen bei den unterschiedlichen Standorten im Eschweger Schloss bzw. Witzenhäuser Landratsamt, fortgeführt mit dem Zuschnitt sowie der räumlichen Verteilung einzelner Ämter und beendet schließlich mit der Neustrukturierung der Gesamtverwaltung im Jahr 2007.
Dass dies problem- und relativ geräuschlos gelungen ist, spricht sowohl für das Engagement der Mitarbeiter als auch die Führungsqualitäten der bis dahin beteiligten Spitzenbeamten Eitel Höhne, Dieter Brosey und Stefan Reuß als Landräte sowie Theodor Leyhe, Henry Thiele und Dr. Rainer Wallmann als Erste Kreisbeigeordnete.
Blickte man im Jahr 2014 auf die Struktur der Kreisverwaltung, so findet man neben den acht Fachbereichen und der Verwaltungsleitung, den Bereich Öffentlichkeitsarbeit, den Bürgerreferenten und den Bereich Kultur direkt im Kontext mit der Leitungsebene.
Darüber hinaus entfaltete sich unter der Kopfzeile "Werra-Meißner-Kreise" mit dem "Stab Demographie, Dorf- und Regionalentwicklung", dem "Seniorenbüro", dem "Pflegestützpunkt", der "Naturparkstiftung", der "Sozial- und Familienstiftung" sowie dem Eigenbetrieb "Volkshochschule, Jugend, Freizeit" ein buntes Kaleidoskop unterschiedlicher Aufgabenbereiche. Hinzu kommen noch die "Antikorruptions- und Behindertenbeauftragten", der Personalrat als Vertretungsorgan der Mitarbeiter und schließlich und endlich das Gleichstellungsbüro.
Letzteres konnte im Jahr 2014 gemeinsam mit dem Kreis Geburtstag feiern, und mit dem 25ten gleich einen besonderen. Entfacht wurde damals die Diskussion um die Einrichtung des Gleichstellungsbüros im Sommer 1988 durch eine diesbezügliche Initiative des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).
Laut den Vorstellungen des DGB sollte auch im Werra-Meißner-Kreis "... ab 1989 eine sogenannte Gleichstellungsstelle (Frauenbeauftragte) geschaffen werden, die auf Kommunalebene mit dem Ziel arbeitet, die Frauendiskriminierung abzubauen. Sie soll - so der DGB - daraufhin wirken, dass verfassungsrechtliche Gebot der Gleichstellung von Mann und Frau zu erfüllen".
Im Vergleich zu den übrigen hessischen Landkreisen hinkte der Werra-Meißner-Kreis in Sachen Gleichstellung damals deutlich hinterher und war, als die dann als "Kreisfrauenbüro" bezeichnete Stelle im Herbst 1989 mit Ilona Friedrich als der ersten "Kreisfrauenbeauftragten" schließlich geschaffen wurde, der vorletzte Landkreis in Hessen, der diesen Schritt vollzog.
Seitdem ist mehr als ein Vierteljahrhundert vergangen und nicht nur die deutsche Landkarte, sondern auch die bundesrepublikanische Gesellschaft hat sich signifikant verändert. In diesem Kontext hat sich auch viel hinsichtlich des 1988 vom DGB auch für den Kreis angemahnten "verfassungsrechtlichen Gebotes der Gleichstellung von Mann und Frau" getan - immerhin steht im Jahr 2014 mit Angela Merkel seit 2005 eine Frau an der Spitze der Bundesregierung, ist Ursula von der Leyen Bundesverteidigungsministerin und gibt es mit Angela Fischer in Witzenhausen und Ilona Rohde-Erfurth in Neu-Eichenberg zwei Frauen auf den Chefsesseln von Rathäusern im Werra-Meißner-Kreis.
So positiv und ermutigend solche "Leuchttürme" einer Entwicklung hin zur gesellschaftlichen Gleichstellung der Geschlechter auch sind, mehr als der berühmte "Tropfen auf den heißen Stein" sind sie aktuell allerdings immer noch nicht. So bleibt auch dem seit 2006 in "Gleichstellungsbüro" umbenannten ehemaligen Kreisfrauenbüro und Thekla Rotermund-Capar, der damaligen Gleichstellungsbeauftragten des Werra-Meißner-Kreises, noch ein großes Bündel unterschiedlichster Arbeitsschwerpunkte, um diesem Ziel ein Stück weit näher zu kommen. Seit Anfang 2024 übernimmt Claudia Muth mit ihrem Team diese Aufgabe.
Dazu gehören für die Arbeit des Gleichstellungsbüros neben vielen anderen Arbeitsbereichen insbesondere das wichtige Thema "Häusliche Gewalt", das seit Schaffung des Gleichstellungsbüros nichts von seiner Brisanz verloren hat und auch heute leider immer wieder im "Runden Tisch gegen häusliche Gewalt" auf der Tagesordnung steht.
Immer mehr Raum nimmt als großes Zukunftsthema die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein - "... die Aktivierung der stillen Reserve. Damit meint Thekla Rotermund-Capar, Mütter wieder zurück ins Berufsleben zu führen. Dass dies oft nicht leicht sei, liege am mangelnden Selbstwertgefühl vieler Frauen, dass gestärkt werden soll", wozu auch die Forderung nach gleichem Gehalt für gleiche Arbeit gehört.
Über drei Jahrzehnte war die Kreisverwaltung in die klassische Ämterstruktur gegliedert - ob Kreisbauamt, Kreisgesundheitsamt, Kreissozialamt, Kreisjugendamt, Rechtsamt oder Hauptamt, all diese "Amts" Bezeichnungen implizierten für die Bürger immer auch ein gehöriges Stück an staatlicher Obrigkeit und hatten oftmals auch ein gerüttelt Maß an Unbeweglichkeit zur Folge.
Grundsätzlich ist in der Bundesrepublik Deutschland der Verwaltung auf allen Ebenen - und damit natürlich auch im Rahmen der Landkreise - die Funktion der Aufgabenerfüllung zugeordnet. Die dafür notwendigen politischen Leitentscheidungen trifft das Parlament in Form von Gesetzen und deren Ausführungsbestimmungen. Dieses Procedere hat ganz entscheidend zu den unbestrittenen Stärken der deutschen Verwaltung beigetragen und ursächlich deren Rechtsstaatlichkeit, Leistungsverlässlichkeit und die prinzipielle Gleichbehandlung aller Bürger begründet.
Andererseits ist daraus unmerklich eine immer größere "Regelungswut" entstanden, mit einem System von Kontrolle und Gegenkontrolle und Beteiligungsrechten unzähliger verschiedener Behörden. Dadurch wurde die Beachtung der Vorschrift wird immer mehr zum Selbstzweck und Flexibilität wie auch Ergebnisorientierung blieben auf der Strecke.
Irgendwann kam der Moment, ab dem niemand mehr diese "gesetzgebend" handelnde Verwaltung dazu zwang, auch die Effizienz und Effektivität ihres Handelns in Betracht zu ziehen. Diese Problematik ist von den Verantwortlichen des Kreises Mitte der 90er Jahre erkannt und in eine Diskussion um "neue Steuerungsmodelle" in der Verwaltung eingebracht worden.
"Alle Maßnahmen", so Siegfried Rommel, der damalige "Büroleitende Beamte" des Werra-Meißner-Kreises in seinem Beitrag zum 25. Kreisgeburtstag 1999, "welche die Verwaltung des Kreises zur Zeit durchführt und für die Zukunft plant (Budgetierung, Produktbildung, Kosten-Leistungs-Rechnung, Verstärkung des Wettbewerbs, Outsourcing, Informations- und Kommunikationstechniken etc.) haben insbesondere das Ziel die Leistungen für den Bürger stärker bedarfsbezogen und wirtschaftlicher zu erbringen."
Um dies zu bewirken", so Rommel weiter, "soll die Verwaltung des Werra-Meißner-Kreises in einem länger andauernden Prozeß von der bisher aufgabenorientierten Verwaltung zu einer produktorientierten Verwaltung umgewandelt werden. Diese Verschiebung zur Nachfrageorientierung bewirkt, dass das `Dienstleistungsunternehmen´ WMK künftig ein Produkt erzeugt, das vom Bürger nachgefragt wird."
Gewollter Nebeneffekt dieser Neuorientierung war natürlich auch eine stärkere Transparenz auf der Kostenseite, die bislang nur in Ansätzen vorhanden war: Den Bürgern musste in Zukunft klar sein, welche Kosten die von ihnen beim Kreis in Anspruch genommenen Leistungen verursachten.
Oft heißt es, "Alles hat seine Zeit" und noch öfter hört man, "Alles braucht seine Zeit". Beide Aussagen galten uneingeschränkt auch für die Modernisierung der Verwaltung unseres Kreises. Einerseits war sie unabdingbar, andererseits so komplex und hatte auch eine ganze Reihe politische Hürden zu nehmen, dass es bis in die zweite Hälfte des ersten Jahrzehnts im neuen Jahrtausend dauerte, ehe sie erfolgreich abgeschlossen war.
Anfang 2007 war dann die Neugliederung der Kreisverwaltung abgeschlossen und aus den früher siebzehn Ämtern waren acht Fachbereiche mit insgesamt 315 Mitarbeitern geworden. Hinzu kam der bereits 1997 aus der allgemeinen Kreisverwaltung ausgegliederte und seinerzeit noch selbständige "Eigenbetrieb Gebäudemanagement" mit Sitz im ehemaligen Witzenhäuser Landratsamt, der mit seinen 156 Mitarbeitern 42 Schulgebäude im Kreisgebiet verwaltete.
Allerdings waren im Laufe der Zeit die Argumente für die Existenz des Eigenbetriebes - u. a. die schnellere Auftragsvergabe für die Modernisierung der Schulen Ende der 90er Jahre - durch die Umstellung der Verwaltung auf die doppische Buchführung weggefallen, so dass das Gebäudemanagement 2013 wieder regulärer Teil der Kreisverwaltung und dem Fachbereich 7 "Bauen und Umwelt" zugeordnet wurde.
Mit dieser Neuorganisation vollendeten Landrat Stefan Reuß und sein erster Beigeordneter Henry Thiele den noch unter dem Gespann Dieter Brosey und Theodor Leyhe begonnenen Umbau der Verwaltung. Die acht Fachbereiche bündelten verschiedene Ämter mit erhöhter Eigenverantwortung wie u. a. Budgetverwaltung und Personalwirtschaft. Die größten Fachbereiche sind Jugend, Familie, Senioren und Soziales sowie die frühere staatliche Verwaltung (Recht, Kommunalaufsicht, Wahlen, Straßenverkehrsbehörde mit KFZ-Zulassung und Gefahrenabwehr).
Zugeordnet sind die Fachbereiche im Jahr 2014 den Dezernaten LR (Landrat Reuß) und EKB (Erster Kreisbeigeordneter Dr. Wallmann). Zwischen den Dezernenten und den Fachbereichsleitern gibt es eine neue Ebene, wozu die Büroleitung, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, der Stab Demographische Entwicklung und die Gefahrenabwehr zählen. Die Bezeichnung Amt hat grundsätzlich ausgedient - mit Ausnahme vielleicht des Terminus "Landratsamt", der immer noch über allem schwebt.
Eine bemerkenswerte Sondereinrichtung stellt noch das "Jobcenter Werra - Meißner" mit Sitz in Eschwege und Witzenhausen dar, dass im Zuge der Arbeitsmarktreformen Hartz IV nach langwierigen Verhandlungen zwischen dem Werra-Meißner-Kreis und den Arbeitsagenturen in Kassel und Bad Hersfeld entstanden ist, im Februar 2005 seine Arbeit aufnahm und bis heute die früheren Bezieher von Arbeitslosen- und Sozialhilfe (heute: Bürgergeld) betreut.
Dinge, die (auch) bewegten
Die Vorzüge des Kreises nach innen und außen klar herausstellen, ein Wir-Gefühl entwickeln und sich "pro-Werra-Meißner" zu verhalten - so lauteten kurz zusammengefasst die Wünsche, die Landrat Dieter Brosey am 6. Juni 1988 in der Eschweger Stadthalle an die Gäste seiner ersten Amtseinführung richtete. "Drei Punkte", so Brosey in seiner Rede, "machen einen Kreis wie den unseren lebenswert: Eine moderne, zukunftsweisende Wirtschaftsstruktur mit ausreichenden und sicheren Arbeitsplätzen, eine hohe Wohn- und Lebensqualität sowie niedrige Lebenshaltungskosten."
Für manch internen wie externen Betrachter mag die Aufzählung dieser Vorzüge an die lauten Rufe des Wanderers im dunklen Wald erinnern, der damit seine Angst in den Griff bekommen möchte. Gründe dies anzunehmen, gaben den Menschen im Kreis insbesondere die Gutachten zahlreicher externer Institute wie z. B. der "Bertelsmann - Stiftung", des "Prognos-Instituts", des "Instituts neue soziale Marktwirtschaft" oder der "Gesellschaft für Konsumforschung (GfK)" in periodisch wiederkehrenden Abständen zur Genüge.
Seit Ende der 90er Jahre erscheint der Werra-Meißner-Kreis in schönster Regelmäßigkeit in diesen Gutachten - meist ging und geht es darin um den ebenso bedeutungsschweren wie schwer zu fassenden Begriff der "Zukunftsfähigkeit" - entweder am Ende oder im hinteren Drittel des deutschlandweiten Ranking oder wird, wie in der Studie der GfK vom Dezember 2013, als Hessisches Kaufkraft - Schlusslicht präsentiert.
Schlagzeilen wie "Kreis mit roter Laterne" (Institut für neue soziale Marktwirtschaft, Nov. 2006), "Region rutscht ins Chancen - Minus" und "Kreis bleibt auf der Strecke" (beide Prognos-Institut, März 2007 und Nov. 2010) oder "Kaufkraft: Landkreis Schlusslicht in Hessen" (GfK, Dez. 2013) gehörten schon fast zum Standardrepertoire der heimischen Medien, wenn diese über die diversen Studien berichteten.
Bei einem exemplarischen Blick auf den Prognos Zukunftsatlas 2010 in dem der Werra-Meißner-Kreis unter den 412 Kreisen und kreisfreien Städten Deutschlands den Platz 370 belegt und in der zweitschlechtesten Kategorie eingeordnet wird - "ein Kreis mit hohen Zukunftsrisiken" - wird allerdings deutlich, dass die Aussagekraft der Erhebung nicht immer der Realität entspricht und daher mit der gebotenen kritischen Distanz zu bewerten ist.
Nicht nur, dass genauere Angaben über den Erhebungszeitraum fehlen, sondern auch inhaltlich muss der Studie zumindest ein gewisses Maß an Oberflächlichkeit bescheinigt werden.
Untersucht wurden in jeweils verschiedenen Aspekten der Arbeitsmarkt (Platz 319), der demografische Faktor (Platz 379), Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit (Platz 375) und der Wohlstand (Platz 311).
Insgesamt flossen 29 unterschiedliche Kriterien in die Erhebung ein, wobei die Indikatoren, die den "Ist - Zustand" beschreiben als Stärken zusammengefasst wurden (Platz 360) und Angaben, die eine Entwicklung nachzeichnen als "Dynamik" (Platz 393). Daraus berechnete Prognos die Gesamteinordnung, bei der auch die Anbindung an die Autobahn ( 20 Minuten bis zur nächsten Auffahrt - Platz 339) ein Rolle spielte.
Und hier nun ist genau der Punkt, wo man den Prognos-Analytikern zumindest Oberflächlichkeit vorwerfen kann. Zwanzig Minuten bis zur nächsten Autobahn-Auffahrt mag vielleicht von Eschwege aus zutreffend sein, aber keineswegs von Sontra, Herleshausen, dem Ringgau, Hess. Lichtenau oder gar den Nordkreis mit Witzenhausen und Neu-Eichenberg, von wo aus in fünf bis zehn Minuten sowohl die A 7 in Nord - Süd als auch die A 38 in östlicher Richtung erreichbar sind und somit fast "vor der Haustür" liegen.
Zu dieser Studie aus dem November 2010 äußerte sich auch Landrat Stefan Reuß in einem Pressegespräch mit der Werra - Rundschau, das an dieser Stelle in Auszügen wiedergegeben werden soll:
"WR: Wieder einmal ein Ranking der Regionen - überrascht Sie das Gesamtergebnis für den Werra-Meißner-Kreis?
Stefan Reuß: Es ist immer wieder das Gleiche, da die Indikatoren, die angewendet werden nur sehr eingeschränkte Urteile zulassen und bekannt ist, dass diese zum Teil auch in ihrer Aussagekraft fragwürdig sind. Insofern sind bestimmte Ergebnisse überhaupt nicht überraschend.
WR: Folgt man der Studie, so ist der Werra-Meißner-Kreis ein Kreis mit hohem Zukunftsrisiko. Teilen Sie diese Ansicht?
Stefan Reuß: Das wird uns nun seit Jahren bescheinigt und wir müssen immer wieder sagen, dass die Indikatoren bestimmter Bereiche die Zukunft überhaupt nicht erfassen. So belegt z. B. eine Studie aus dem Frühjahr dieses Jahres, dass wir als Region sehr gut durch die Wirtschafts- und Finanzkrise gekommen sind, weil wir einen guten Branchenmix haben. Unsere Wachstumszahlen in diesem Jahr zeigen auch, dass die Wirtschaft wächst, die Arbeitslosigkeit stark gesunken ist, die Bevölkerungsabwanderungsrate halbiert wurde. Die Vielzahl der im Kreis eingeleiteten Maßnahmen greifen und beginnen sich positiv auszuwirken. Die Studie hat dies noch nicht berücksichtigt. Also: Ich teile diese Ansicht nicht."
In Frage gestellt wurde die "Zukunftsfähigkeit", sprich Existenz des Werra-Meißner-Kreises, indes weniger durch die Prognosen diverser weit entfernter Institute, sondern vielmehr durch Bestrebungen in Politik, Wirtschaft und kommunalen Spitzenverbänden, die insbesondere um die Jahrtausendwende in der Schaffung großflächiger "Regionalkreise" das Allheilmittel zur Lösung aller Probleme im kommunalen Bereich sahen.
Begonnen hatte diese Diskussion in Südhessen Ende der 90er Jahre und schwappte dann gen Norden, so dass Landrat Dieter Brosey sich zum 25. Geburtstag des Werra-Meißner-Kreises genötigt sah, solchen Plänen eine nachdrückliche Absage zu erteilen. "Eine neue Gebietsreform", so der Landrat damals, "kann jedoch in unserem Kreis und in anderen ländlichen Kreisen Nordhessens niemand wollen."
Damit war diese Diskussion allerdings noch lange nicht beendet, denn zwei Jahre später startete der Hessische Städte- und Gemeindebund eine erneute Initiative zur Bildung von hessenweit fünf Regionalkreisen. Dabei sollte es in Nordhessen nur noch einen Kreis geben, gebildet aus den Kreisen Werra-Meißner, Kassel, Schwalm-Eder und Waldeck-Frankenberg mit Sitz in Kassel.
Auch diese Initiative stieß auf den vehementen Widerstand der nordhessischen Landkreise und Dieter Brosey fasste seine und die Gemütslage seiner Amtskollegen wie folgt zusammen: "Der Landkreistag wird das Eckpunktepapier des Städte- und Gemeindebundes genauso ablehnen, wie ich dies tue. Dieses Papier ist unausgegoren und im Grunde ein Papier, das nur aus den Interessen des Ballungsraumes Rhein-Main erklärbar ist. Aus nordhessischer Sicht ist dieses Papier rundum anzulehnen, weil es gegen die Interessen der nordhessischen Flächengemeinden und Landkreise gerichtet ist."
Einen dritten Vorstoß in Richtung Regionalkreis Nordhessen gab es ebenfalls im März 2001, dieses Mal vorgetragen von der IHK Kassel, dem Spitzenverband der nordhessischen Wirtschaft. Ausgehend von einem Zusammenschluss der Stadt Kassel und des Landkreises zur "Gebietskörperschaft Region Kassel" sollte, so zumindest angedacht im Planspiel der IHK, bis zum Jahr 2012 ein "Regionalverband Nordhessen" unter Einschluss der Landkreise Waldeck-Frankenberg, Schwalm-Eder, Werra-Meißner und Hersfeld-Rotenburg entstehen.
Zu den Aufgaben der neuen Gebietskörperschaft sollten alle kreisübergreifenden Aufgaben wie Tourismus, Abfallbeseitigung und Regionalplanung ebenso gehören wie die Vorbereitung des "Regionalkreises Nordhessen", der bis 2016 gebildet sein sollte. Auch diese Pläne verschwanden wieder in der Schublade und wurden erst am Jahresanfang 2007 wieder reaktiviert - allerdings abermals ohne Erfolg. Bislang blieb die seit der Gebietsreform 1974 mit viel Engagement aufgebaute neue Gebietsstruktur glücklicherweise unangetastet, denn nicht immer liegt in der schieren Größe die Garantie des Erfolges.
Zu denken geben sollte allen Verfechtern der "Regionalkreis - Idee" die Renaissance, die die historischen KFZ-Schilder der vor der Gebietsreform bestehenden "Altkreise" überall in Deutschland gerade erleben. Im Werra-Meißner-Kreis und in seiner unmittelbaren Nachbarschaft sind dies in Niedersachsen HMÜ (für den ehemaligen Kreis Münden), in Thüringen das HIG (für Heiligenstadt) und in Nordhessen in bunter Reihe ROF (Rotenburg/F.), HOG (Hofgeismar), WOH (Wolfhagen) und natürlich vor allem das WIZ für Witzenhausen.
Seit September 2013 besteht die Möglichkeit, anstatt des bisher allein möglichen ESW auch das vor 1974 im Kreis Witzenhausen gebräuchliche WIZ als Kenzeichen zu wählen, wovon weit über eintausend Bürger des Werra-Meißner-Kreises bislang Gebrauch gemacht haben. Damit stellen sie nicht die Existenz des Werra-Meißner-Kreises in Frage, sondern dokumentieren sowohl ihre historische Identität als auch den Wunsch nach überschau- und damit beherrschbaren Strukturen.
Und dass unser Kreis diese Strukturen in reichem Maße besitzt, ist in den vergangenen Jahrzehnten allerorten und in vielen Initiativen deutlich geworden. Ob es sich nun z. B. um den kreisweiten Freiwilligentag handelt, der seit 2008 unter dem Motto "Ein Kreis - ein Tag, gemeinsam für uns" einmal im Jahr in vielen Gemeinden demonstrativ die ehrenamtlichen Leistungen der Bürger für ihre Region an einem ausgewählten Beispiel ins Licht der Öffentlichkeit rückt, die "Bürgerstiftung Werra-Meißner", die seit ihrer Gründung vor einem Jahrzehnt auf 105 Stifter angewachsen ist und 99 Projekte im Kreis betreut hat oder den "Werra-Meißner-Tag", der in diesem Jahr zum vierten Mal veranstaltet wird - überall kommt das regionale Zusammengehörigkeitsgefühl zum Ausdruck.
Sogar einen geographischen Mittelpunkt gibt es: Dieser liegt in der Gemarkung der Gemeinde Meißner in Sichtweite des Meißners, unweit von Kloster und Bergwildpark Germerode und ist Ende September 2010 von Landrat Stefan Reuß und den Symbolfiguren der Städte und Gemeinden des Kreises offiziell als solcher markiert worden.
Verbunden werden die Menschen und Gemeinden des Kreises zudem durch vielerlei traditionelle Heimatfeste und zusätzliche, nicht minder attraktive, moderne Veranstaltungen und Events. Beim Eschweger Johannisfest, den Erntefesten in Bad Sooden-Allendorf und Witzenhausen, dem Schützenfest in Wanfried, der Kesperkirmes in Witzenhausen und den Heimatfesten in Großalmerode und Hess. Lichtenau trifft man zum Feiern nicht nur die Einheimischen, sondern darüber hinaus den "halben Kreis".
Innovative Veranstaltungen wie der "Werrataltag" oder der "Deutsche Königinnentag" sind Ende der 90er Jahre in Witzenhausen entstanden und haben seitdem schon in vielen Städten und Gemeinden Station gemacht. In einer eigenen Liga spielt seit vielen Jahren schon das "Open Flair", das mittlerweile zu den bekanntesten Open-Air Festivals in Deutschland gehört.
Weichenstellungen für die Zukunft
Auf der Agenda der politischen Diskussion stand dauerhaft das Thema Abfall. Am 1. Oktober 1995 hat der im Januar 1993 gegründete "Zweckverband Abfallwirtschaft Werra-Meißner-Kreis (ZVA)" die Arbeit aufgenommen. Dem Verband, der für den Kreis und alle Mitgliedsgemeinden sämtliche Aufgaben der Abfallentsorgung übernommen und seinen Sitz in Meißner - Weidenhausen hat, gehören die meisten Städte und Gemeinden des Kreises und der Kreis selbst als Mitglieder an.
Zum gleichen Zeitpunkt (1995) hat der Werra-Meißner-Kreis flächendeckend die Biotonne eingeführt und dadurch einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz geleistet, denn durch die Kompostierung der Bioabfälle anstatt der Deponielagerung konnte eine enorme Verringerung der Methangasemission erreicht werden.
Bemerkenswert ist auch die Nutzung von Deponiegas, das in der Kreisdeponie in Weidenhausen entsteht. "Dieses wird im Kreis", wie Henry Thiele, erster Kreisbeigeordneter 2001-2011 in einem Aufsatz über Abfallwirtschaft und Klimaschutz erklärt, "seit 1995 über horizontale Gasdrainagen und vertikale Gasbrunnen gefasst und (...) in ein Blockheizkraftwerk (BHKW) mit einem Gas-Otto-Motor eingespeist.(...) Die über den Eigenbedarf hinausgehende Energie wurde mit einem Erlös von jährlich bis zu 210.000 Euro ins öffentliche Netz eingespeist. Bis Ende 2010 wurden fast zwei Millionen Euro Erlös durch die Stromeinspeisung erzielt."
Darüber hinaus hat der Werra-Meißner-Kreis in Kooperation mit privaten Partnern in den letzten Jahren eine vorbildliche Kreislaufwirtschaft bei der Verwertung des Restmülls organisiert, der seit 2009 in direkter Nachbarschaft zur Deponie zu Sekundärbrennstoff verarbeitet und im Kraftwerk der Witzenhäuser Papierfabrik DS Smith Packaging (ehemals SCA) zu Betriebsenergie verwertet wird.
Die Firma SCA hatte sich vor dem Hintergrund stetig steigender Energiekosten Anfang des neuen Jahrtausends dazu entschlossen, ihre Energieversorgung im Werk Witzenhausen vollständig auf Ersatzbrennstoffe umzustellen, ein neues Kraftwerk zu bauen und damit langfristig auch Arbeitsplätze zu schaffen bzw. zu erhalten. Unterstützt wurde der Konzern dabei durch die Kreisverwaltung, obwohl sich in und um Witzenhausen erheblicher politischer Widerstand artikulierte.
Der Kraftwerksbau entwickelte sich zu einem politisch äußerst brisantem Themenkomplex, an dem sich jahrelange massive Auseinandersetzungen entzündeten, die schließlich im Januar 2005 in einen Bürgerentscheid mündeten. Mit großer Mehrheit stimmten die Witzenhäuser für den Bau des Kraftwerks und gaben dadurch auch grünes Licht für die folgenden Aktivitäten im Bereich der Deponie Weidenhausen.
Als vorläufig letzte Neuerung im Bereich von Abfall- und Energiewirtschaft steht das im Jahr 2011 erstellte Klimaschutzkonzept für den Werra-Meißner-Kreis, das, gefördert durch das Bundesministerium für Umweltschutz, Naturschutz und Reaktorsicherheit, von den Städten und Gemeinden des Kreises (mit Ausnahme der Stadt Witzenhausen) und dem Kreis selbst erarbeitet wurde. Zur Umsetzung wurde am 1. August 2011 die "Werratal Energie- und Umweltgesellschaft mbh" (WEGE) gegründet, die ab 2014 von einer eigens beim Kreis eingestellten "Klimamanagerin" unterstützt wurde.
"Abfallwirtschaft und Klimaschutz", so Henry Thiele am Schluss seines bereits oben zitierten Aufsatzes, "sind im Werra-Meißner-Kreis seit langem und auch zukünftig zentrale Themen. Klimaschutzziele und Klimaanpassungsstrategien werden immer auch unter dem Gesichtspunkt einer positiven Entwicklung regionaler Wertschöpfung, also unter sozioökonomischen Aspekten, entwickelt und umgesetzt."
Zentrale Themen für die Zukunft sind mit Sicherheit auch die weitere Energieversorgung im Zeichen der Energiewende, die Anbindung des Werra-Meißner-Kreises an schnelleres Internet und die Haushaltskonsolidierung von Kreis und Kommunen bis zum Jahr 2018. Letzteres liegt allerdings nicht mehr ausschließlich in der Hand der heimischen Akteure - hier gibt in den Zeiten des "kommunalen Schutzschirms" das Land Hessen den Takt vor.
Die Diskussion um die Energiewende ist aktuell in vollem Gange und wird nicht nur durch prinzipielle Fragen bestimmt, sondern gerade auch im Werra-Meißner-Kreis durch regional bedeutsame Einzelaspekte wie z. B. die Standortfrage möglicher Windräder oder die Linienführung von 380 KV Starkstromleitungen dominiert.
Eine richtungweisende Entscheidung im Energiebereich ist bereits gefallen: Gemeinsam mit elf weiteren nord- und mittelhessischen bzw. südniedersächsischen Landkreisen sowie der Stadt Göttingen hat der Werra-Meißner-Kreis Ende 2013 den Stromversorger EON - Mitte zurückgekauft und ihn unter dem ehemaligen Namen EAM rekommunalisiert. Der Kaufpreis des durch die Banken vorfinanzierten Kaufs lag bei 620 Mill. Euro, von denen der WMK rund 24 Mill. Euro zu tragen hat, und wird langfristig über Netzgewinne und Dividenden aufgebracht.
Die neuen kommunalen Eigentümer wollen, wie der Pressesprecher des Landkreises Kassel betonte, "... ein offensives Signal für die erneuerbaren Energien vor Ort geben. Wir wollen deutlich machen, dass wir bei der Energiewende vorankommen wollen."
Auch in einer weiteren wichtigen und zukunftsweisenden Sachentscheidung setzt der Werra-Meißner-Kreis auf die Kooperation mit den Nachbarkreisen. Gemeinsam mit den Kreisen Waldeck-Frankenberg, Schwalm-Eder, Hersfeld-Rotenburg und dem Landkreis Kassel unterzeichnete Landrat Stefan Reuß am 17. Februar 2014 in Witzenhausen die Verträge zur Gründung der "Breitband Nordhessen GmbH."
Durch diese bundesweit einmalige Kooperation haben die Kreise eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte in der Region auf den Weg gebracht, durch das in den kommenden Jahren ein flächendeckendes Glasfasernetz in Nordhessen installiert werden soll. Als Grund für dieses 173 Mio. Euro teure Großprojekt geben die beteiligten Kreise die in vielen ihrer ländlichen Teile unzureichende Internet - Versorgung an, die insbesondere für gewerbliche Nutzer einen erheblichen Standortnachteil darstellt.
Um einer Abwanderung von Unternehmen und jungen Familien vorzubeugen, sind die Landkreise bereit, die Risiken dieses Großprojektes, das bis spätestens 2022 fertig gestellt sein soll, zu tragen. Etwa 30 Mio. Euro müssen die fünf Kreise selbst aufbringen, die Restsumme ist als Kredit bei der Wirtschafts- und Strukturbank Hessen beantragt. Als "Meilenstein und überlebenswichtig für den ländlichen Raum" bezeichnet das Regionalmanagement Nordhessen den Internetausbau und Landrat Reuß spricht von "... einem der wichtigsten Zukunftsprojekte für unseren Kreis und Nordhessen".