Verwaltungsgeschichte der Kreise Eschwege und Witzenhausen 1821-1945
Autor: Dr. Karl Kollmann
Die kurhessische Verwaltungsreform von 1821 und die Gründung der Landkreise Eschwege und Witzenhausen
Von der Kreisgründung 1821 bis zur bürgerlichen Revolution 1848
Kurfürst Wilhelm II. (1777-1848) hatte nach dem Tode seines Vaters Wilhelm I. (1742-1821) am 27. Februar die Herrschaft im Kurfürstentum Hessen übernommen und setzte sogleich eine Reorganisation des Militärs (wobei das Fallen des obligaten Haarzopfes ein markantes Detail darstellte) und eine neue Organisation der Staatsverwaltung im sogenannten Organisationsedikt vom 29. Juni 1821 um. An diesem Tag erließ er eine Verordnung, "die Umbildung der bisherigen Staatsverwaltung betreffend". In der Präambel heißt es:
"In der Ueberzeugung, daß bei der von Uns beabsichtigten Beförderung der wahren Wohlfahrt Unseres Landes alle Unsere verschiedenen Staatsbehörden, nach dem vollen Maase ihrer Kräfte Uns zu unterstützen, erst als dann vermögen werden, wenn der Wirkungskreis einer jeden Stelle völlig deren Bestimmung entsprechend gebildet, der Geschäftsgang einfach und für jeden Verwaltungszweig gleichförmig, auch die Leitung aus einem, die Uebersicht des Ganzen gewährenden, Centralpunkte möglich gemacht seyn wird, haben Wir eine neue Organisation der Staatsverwaltung beschlossen, und verordnen zu dem Ende wie folgt."
Es wurden vier Provinzen gebildet: Niederhessen nebst der Grafschaft Schaumburg, Oberhessen mit der Herrschaft Schmalkalden und Hanau. Die Provinz Niederhessen wurde in zehn Kreise neu eingeteilt. Eine Verordnung vom 30. August 1821 legte die neue Gebiets-Einteilung fest. Von Bedeutung ist die zukünftige Trennung von Justiz und Verwaltung. Die Kreise waren in sogenannte Justizämter eingeteilt.
Der Kreis Witzenhausen wurde aus den Ämtern Witzenhausen und Großalmerode, der Stadt Witzenhausen mit dem Amt Ludwigstein sowie den Ämtern Lichtenau und Allendorf gebildet und zählte damals 25.057 Einwohner. Der Kreis Eschwege wurde aus dem bisherigen Kurfürstlichen Amt Eschwege, dem Fürstlich Rotenburgischen Amt Eschwege sowie aus den Ämtern Bischhausen, Bilstein, Germerode, Wanfried und Netra gebildet und zählte 34.551 Einwohner. Beide Kreise zusammen hatten somit 59.608 Einwohner. Im gesamten Kurfürstentum Hessen lebten damals 578.501 Menschen, davon 23.296 in der Residenzstadt Kassel.
Im Organisationsedikt vom 29. Juni 1821 wurde auch die Personalausstattung der neuen Behörden festgelegt. Wörtlich heißt es dazu: "Die Geschäfte der Verwaltung des Innern in jedem Kreise werden durch einen Kreisrath besorgt, welcher hauptsächlich der Regierung, zugleich aber auch den neben denselben fortbestehenden höheren Behörden des Innern untergeordnet ist. Ihm wird ein Sekretär, welcher nöthigenfalls dessen Stelle vertritt, nebst einem oder zwei Schreibern und einem Landbereiter, beigegeben, auch wird hinsichtlich der Militär- Angelegenheiten durch das General-Kriegs-Departement für die etwa weiter erforderliche Beihülfe gesorgt."
Dem Kreisrat fiel eine Fülle von Aufgaben zu. Dazu gehörten: die Erstellung und Fortführung einer statistischen Beschreibung, die Wahrung der Hoheits- und Landesgrenzen, die Sicherheits- und Ordnungspolizei, die Armen- und Sittenpolizei, Straßenpolizei und Straßenbau, Gesundheitspolizei, Schul- und Erziehungswesen, Förderung von Landwirtschaft, Gewerbe und Handel, Lenkung und Beaufsichtigung der Gemeinde-Verwaltungen, Aufsicht über milde Stiftungen, Miltärangelegenheiten wie Rekrutierung und Einquartierung, Überwachung der "besonderen Verhältnisse der Israeliten" sowie "alle übrigen vorkommenden Geschäfte der allgemeinen Landesverwaltung". Nach Erlass der kurhessischen Gemeindeordnung vom 23. Oktober 1834 reduzierte sich dies auf eine bloße Aufsicht über die neu geschaffenen gemeindlichen Organe der Selbstverwaltung. Dem Kreisrat standen zunächst nur ein Sekretär als Vertreter, zwei Schreiber und ein Kreisbereiter zur Seite, der sozusagen im Außendienst tätig war.
Die Kreisräte wurden nach Veröffentlichung am 29. September 1821 ernannt und dürften ihren Dienst kurz darauf angetreten haben.
Erster Amtsinhaber in Eschwege wurde Friedrich Meisterlin (25.021780-29.061847), vorher Amtmann in Veckerhagen; er wechselte schon Anfang 1823 in derselben Funktion nach Hofgeismar, wurde Ende April 1824 zum Finanzkammerrat in Kassel ernannt und stieg im September 1835 zum Direktor der Ober-Finanzkammer auf. Die Ernennung des bisherigen Amts-Aktuars Cranz aus Bischhausen zum Kreissekretär in Eschwege erfolgte am 14. November 1821. Am 30. Januar 1822 erfolgte die Ernennung des bisher im 3. Linien-Infanterie-Regiment gestandenen Bataillonsschreibers Kehr zum Kreisbereiter. Am 3. April 1822 wurde der Candidat der Rechte Dirks zum Kreisamts-Praktikanten ernannt. Am 24. September 1823 zeichnete in Vertretung der Kreissekretär Cranz. Bei der Geburt von dessen Sohn am 9. März 1824 fungierte der Kammerrath Friedrich Meisterlin als Pate. Cranz wurde am 22. Mai 1824 zum Kreisrat in Homberg befördert.
Meisterlins Nachfolger Kreisrat Johann Christian Schmitten starb am 2. September 1829 in Eschwege im Alter von 54 Jahren 9 Monaten und 2 Tagen. Seine neun Kinder drückten in einem Nachruf im Wochenblatt für die Provinz Niederhessen ihre tief empfundene Trauer aus, zumal der Tod der Mutter auch noch nicht lange zurücklag.
Der Nachfolger Friedrich Gottlieb Rohde (14.12.1777-27.11.1863) trat sein Amt wohl schon 1829 an und hatte vorher das gleiche Amt in Melsungen inne; 1835 ging er in dieser Funktion nach Marburg bis zu seiner Pensionierung 1848. Im Juni und Juli 1835 wurde der Landrat durch den Kreissekretär Renner vertreten. Dieser wurde Ende März 1837 nach Schmalkalden versetzt. Erst nach einem Jahr, im April 1838, wurde die Stelle erneut ausgeschrieben und am Jahresende mit Thomas Boch aus Hanau neu besetzt.
Am 23. Oktober 1834 wurde eine neue Gemeindeordnung für das Kurfürstentum verfasst, womit den Gemeinden mehr Selbständigkeit zugestanden wurde. Die darin vorgeschriebenen Wahlen der Gemeindebehörden fanden meist erst 1835 statt. Mit Bezug auf die Rangordnung vom 26. November 1834 verordnete Kurprinz Friedrich Wilhelm Anfang Dezember 1834, dass die Kreisräte künftig die Bezeichnung "Landräthe" führen sollten.
Elard Wilhelm von Ende (7.3.1800 Netra - 19.9.1843 Eschwege) zeichnete am 22. Juli 1835 mit "v. A.", erhielt seine Bestellung zum Landrat aber erst im November 1835. Er war schon seit 1831 in Eschwege als Justizbeamter tätig gewesen und blieb Landrat bis zu seinem Tode im Jahr 1843. Er wohnte zunächst am Marktplatz, später Hinter den Scheuern. Ab Ende 1842 war er bereits aus gesundheitlichen Gründen verhindert und wurde von Kreissekretär Boch vertreten. Ende Juni 1843 ging der Kreissekretär Thomas Boch nach Hofgeismar und der dortige Kreissekretär Carl Wilhelm wechselte nach Eschwege, um die Aufgaben des erkrankten Landrats mit wahrzunehmen. Nach dessen Tod übernahm er eine Zeit lang dessen Geschäfte; am 19. Dezember 1843 zeichnete er z. B. für den Landrat verantwortlich.
Der Bau-Eleve Carl Ruhl wurde Ende März 1841 zum Bau-Commissar für den Kreis Eschwege bestellt. Am 15. Mai 1844 wurde der bisherige Landrat von Hofgeismar, Georg Philipp Giesler (geb. 22.5.1779 Melsungen), im Alter von 65 Jahren nach Eschwege versetzt. Kreissekretär Rohde unterzeichnete die Verfügungen der Behörde aber noch am 5. Juni 1844, und spätestens ab August versah Giesler die Amtsgeschäfte. Er ließ sich im Februar, März und April 1845 durch Rohde vertreten. Mit Verfügung vom 15. März 1845 wurde Rohde zur Regierung in Kassel versetzt; auf ihn folgte Anfang Mai Otto Süs, bisher Kreisamts-Praktikant in Rinteln. In der Folgezeit vertrat er den Landrat sehr häufig, bis dieser am 15. Mai 1847 auf eigenes Ansuchen in den Ruhestand versetzt wurde. Danach unterzeichnete Süs als "Kreisamts-Verweser"; er wurde Anfang 1849 zum zweiten Verwaltungsbeamten in Kassel befördert.
Mit Beginn des Jahres 1848 wurde der bisherige Regierungssekretär Carl August Friedrich Groß (19.10.1812 Zierenberg- 3.2.1892 Eschwege) zum Landrat des Kreises Eschwege bestellt.
In Witzenhausen beginnt die Reihe mit Wilhelm Karl Philipp Bockwitz (12.11.1784 - 23.9.1857). Er war vorher Amtmann in Volkmarsen gewesen, verließ Witzenhausen 1832 und war später Landrat und Regierungsrat in Kassel. Mit Verfügung vom 1. Dezember 1821 wurde der bisherige freiwillige Jäger Johann Ludwig Merrem von Hanau zum Kreissekretär in Witzenhausen ernannt. Am 30. Januar 1822 erfolgte die Ernennung des bisherigen Landbereiters Salzmann zu Großalmerode zum Kreisbereiter.
Am 23. Februar 1822 wurde Kreisrat Bockwitz erstmals wegen der anstehenden Militäraushebungen mit einer amtlichen Bekanntmachung tätig. Am 7. April 1822 rief er die nicht erschienenen Militärpflichtigen zur Meldung auf, und am folgenden Tag gab er den Fund einer weiblichen Leiche in der Werra bei Kleinvach bekannt. Anfang Mai 1832 wurde Bockwitz die Stelle des Kreisrats in Kassel übertragen.
Auf ihn folgte Karl Michael Heuser (8.6.1788 Niederaula - 17.6.1846 Witzenhausen), der zuvor Kreisrat in Wolfhagen gewesen war. Der Kreissekretär Ferdinand König wurde Ende März 1845 von Witzenhausen nach Kassel versetzt. Auf ihn folgte Anfang Juni Ludwig Carl von Oeynhausen aus Hünfeld, der bis auf weiteres die Stelle vertrat. Im November 1847 wurde er als Assessor zur Regierung in Kassel versetzt.
1848 und die Folgen: Demokratisches Zwischenspiel
Im Zusammenhang mit der Märzrevolution 1848 wurde auch die kurhessische Verwaltung umgestaltet. Durch Gesetz vom 31. Oktober 1848 und Verfügung vom 22. Dezember 1848 trat an die Stelle des Kreisamts ein Verwaltungsamt. Die Verwaltungsämter Eschwege und Witzenhausen bildeten nun einen Verwaltungsbezirk mit dem Sitz in Eschwege. Die Neuordnung wurde schon nach zweieinhalb Jahren per Verordnung vom 7. Juli 1851 revidiert. Das Kreisamt wurde als Landratsamt wiederhergestellt und übernahm die Aufgaben des Kreisamts und der Polizeikommissionen. Die Veränderungen schlagen sich auch in der Stellenbesetzung nieder. Zum Referenten des Bezirks Eschwege wurde Anfang 1849 der Regierungsrat Adrian von Specht ernannt. Kurz darauf folgten die Ernennungen von Bickell zum Repositar und Probator sowie zu Kanzlisten die bisherigen Regierungskanzlisten Simon aus Fulda und Ital aus Kassel. Landrat Groß wurde Anfang 1849 zum ersten, der Kreisamts-Praktikant Ignatz Wilhelm Stöhr aus Fulda zum zweiten Verwaltungsbeamten bestellt.
Laut Ausschreiben des Innenministeriums vom 29. Januar 1849 wurden die Verwaltungsämter unter "thunlichstem Anschlusse an die seitherige Kreiseintheilung" gebildet. Das Verwaltungsamt Eschwege umfasste die Ämter Eschwege I und II, Abterode, Bischhausen, Netra und Wanfried; zum Verwaltungsamt Witzenhausen zählten die Ämter Witzenhausen, Allendorf, Großalmerode und Lichtenau. Beide bildeten zusammen den Bezirk Eschwege. Der Bezirksrat für den oberen Verwaltungsbezirk Eschwege wählte am 9. Februar 1849 zu Mitgliedern des Bezirks-Ausschusses: Amtmann Wilke zu Netra, Gutsbesitzer Pfeiffer zu Ermschwerd, Fabrikant Mangold zu Witzenhausen, Advokat Block zu Allendorf, Gutsbesitzer Euler zu Bischhausen und Fabrikant Gottlieb zu Waldkappel. Der aus sechs Mitgliedern bestehende Bezirksrat war beratend für den Landrat tätig und bestand bis zu Beginn der Preußischen Zeit 1867. Ab 7. April 1849 erschien an jedem Sonnabend für den oberen Verwaltungsbezirk Eschwege an Stelle des Wochenblattes für die Provinz Niederhessen als offizielles Blatt das "Wochenblatt für den Verwaltungs-Bezirk Eschwege", unter Aufsicht und Leitung des Bezirks-Vorstandes. Die Bekanntmachungen wurden vom Bezirksdirektor Otto Heinrich Julius Leopold Volmar unterzeichnet, nicht mehr vom Landrat.
In der Nacht vom 31. Januar auf den 1. Februar 1849 wurde in das Kreisamt in Eschwege eingebrochen und der "kreisamtliche Depositenkasten", der stark mit Eisen und Schlössern bewehrt war, samt seinem Inhalt von 113 Thalern 22 Silbergroschen und 1 Heller gestohlen.
Landrat Carl Wilhelm Bickell (18.12.1796 - 30.11.1864) wurde am 15. März 1848 zum Landrat in Witzenhausen berufen, nachdem er vorher Kreissekretär in Marburg gewesen war. Zur selben Zeit kam Eduard von Baumbach, vorher in Melsungen, als Kreissekretär nach Witzenhausen. Als "Dienstfahrzeug" dienten dem Landrat offenbar zwei Pferde; im Juni 1851 wollte er zwei alte verkaufen und zwei neue anschaffen.
Für das Kurfürstliche Verwaltungsamt unterzeichnet am 7. / 9. Mai 1849 v. Bischoffshausen.
Im Zuge der Verwaltungsreform 1848 wurden Anfang 1849 der Landrat Carl Wilhelm Bickell als Landrat zum ersten und der Kreissekretär Eduard von Baumbach zum zweiten Verwaltungsbeamten bestellt. Ende 1849 wurde für den oberen Verwaltungsbezirk Eschwege eine Spar- und Vorschusskasse gegründet, deren Wirksamkeit mit dem 1. Januar 1850 beginnen sollte.
Nach Auflösung der Ständeversammlung im August 1850 verhängte Kurfürst Friedrich Wilhelm am 7. September 1850 den Kriegszustand über das Kurfürstentum Hessen, um den drohenden "anarchischen Zuständen" zu begegnen, die nicht zuletzt durch "die fort und fort sich steigernde verbrecherische Frechheit der Tagespresse" geschürt würden. Dies führte auch in unserer Region zu Veränderungen. Der Eschweger Bezirksdirektor Volmar wurde im Oktober 1850 zum Geheimen Rath und Vorstand des Finanzministeriums ernannt; letztere Aufgabe gab zur selben Zeit der Staatsminister Hassenpflug wieder ab. Für den Bezirksvorstand unterschrieb nun von Specht. Um Ruhe und Ordnung in seinem Lande sicher zu stellen, rief der Kurfürst am 28. Oktober 1850 Bundestruppen zu Hilfe. Am 4. November 1850 tagte der Bezirksrat des oberen Verwaltungsbezirks Eschwege mit einer langen Tagesordnung, die keinen Einfluss der aktuellen Ereignisse erkennen lässt. Zum Jahresende sah sich der "Civil-Commissar des deutschen Bundes für die kurhessischen Angelegenheiten", von Leiningen, veranlasst, den Eschweger Bezirksdirektor von Specht darauf hinzuweisen, welche Zeitungen inzwischen verboten waren; angeblich war deren Verbreitung im Raum Eschwege "nicht vollständig gehindert worden".
Im April 1851 wurde der Erste Verwaltungsbeamte Carl August Friedrich Groß nach Rotenburg versetzt, während seine Stelle der Erste Verwaltungsbeamte Otto Klingelhöfer, bisher in Ziegenhain, einnahm. Am 1. August 1851 machte die jüdische Gemeinde Eschwege bekannt, dass das Gemeindehaus in der Berggasse ab 1. Oktober "durch das Eingehen der Bezirksdirectionen" wieder zur Verfügung stehe; offenbar war es von der Bezirksverwaltung angemietet worden.
Auf Beschluss des Innenministeriums vom 13. September 1851 wurden die Bezirkswochenblätter wieder durch Provinzial-Wochenblätter ersetzt, welche mit dem 20. September 1851 ihren Anfang nahmen. Es erschienen ab nun jeweils ein Wochenblatt für die Landkreise Eschwege und Witzenhausen. Gleichzeitig wurde der Regierungsrat und bisherige Vorsitzende des Bezirksrates Jacob Wilhelm Adrian von Specht zum Landrat in Eschwege ernannt. Landrat Carl Wilhelm Bickell wurde von Witzenhausen nach Wolfhagen versetzt; an seine Stelle trat der Regierungs-Assessor Ludwig Carl von Oeynhausen aus Hanau, der 1845-1847 hier schon als Kreissekretär tätig gewesen war.
1851-1866
Damit waren die beiden Landkreise wieder verwaltungsmäßig getrennt. Die Bezirksräte bestanden weiter, nun aber auf beide Kreise verteilt; für den Kreis Eschwege wurden im November 1851 neue Mitglieder gewählt. Im April 1852 wurde die Stelle des Kreissekretärs in Witzenhausen mit Wilhelm von Bischoffshausen zunächst provisorisch besetzt.
Im Februar 1853 wurde der Eschweger Landrat von Specht zum Regierungs-Commissar für die Grafschaft Schaumburg ernannt, im März jedoch schon zum Brunnendirektor in Bad Nenndorf berufen. Die Vertretung übernahm zunächst Kreissekretär Nordmann, bis im November 1853 der Regierungsrat Carl Friedrich von Stiernberg (22.7.1806 Hanau - 7.9.1891 Kassel) zum Landrat für den Kreis Eschwege bestimmt wurde. Im Herbst 1854 wurden die Bezirksräte auf drei Jahre neu gewählt, und zwar getrennt für beide Kreise. Im Mai 1855 wurden für die bevorstehende Landtagswahl Kommissare für die Bezirke festgelegt, wobei für die Kreise Eschwege und Witzenhausen gemeinsam der Eschweger Landrat v. Stiernberg zuständig war.
Im Juni 1855 wurde der Regierungs-Assessor Eduard von Göddaeus aus Kassel zum Landrat für den Kreis Witzenhausen bestellt. Im März 1856 wurde er zum Legationsrat und vortragenden Rat im Ministerium des Kurfürstlichen Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten ernannt. Zu seinem Nachfolger wurde im Mai der Regierungsrat Adam Heinrich Wilhelm Uloth (geb. 1.3.1804), von 1846-1850 Oberbürgermeister in Marburg und danach Landrat in Kirchhain, bestimmt, nachdem er bereits seit Jahresanfang 1856 hier tätig war; er erhielt ein Jahresgehalt von 1.100 Reichstalern.
Ende August 1856 wurde der Justizbeamte Henkel in Bischhausen zum Stellvertreter des Landrats in Eschwege für den Amtsbezirk Bischhausen "in Noth- und Eilfällen" bestellt. Der Witzenhäuser Kreissekretär Wilhelm v. Bischoffshausen ging Ende November 1856 nach Rotenburg; für ihn kam der bisherige Praktikant Richard Wilhelm Philipp Schulz aus Fulda. Zum Jahresende 1856 wurde der Justizbeamte Hoefle zu Netra zum Stellvertreter des Landrats in Not- und Eilfällen für das Justizamt Netra bestellt.
Die Kreise Eschwege und Witzenhausen im Kaiserreich (1866-1918)
Nach dem Anschluss Kurhessens an Preußen wurde aus dem bisherigen Bezirksrat der Kreistag, zu dem Vertreter der Städte und Gemeinden, der Stände und Großgrundbesitzer gehörten. Er konnte über Finanzen, Baumaßnahmen und Mitwirkung bei der Kommunalaufsicht Beschlüsse fassen. Die Kreisverfassung im Gebiet des Regierungsbezirks Kassel wurde per Verordnung vom 9. September 1867 festgelegt. Jeder Kreis bildete einen kreisständischen Verband, deren Organ die Kreisstände darstellten. Die Kreisstände versammelten sich auf Kreistagen und waren berufen, die Funktionen der bisherigen Bezirksräte im ehemaligen Kurfürstentum Hessen auszuüben, vor allem im Hinblick auf die Mitaufsicht über die Kommunalverwaltung der einzelnen Gemeinden. Die Kreisversammlung wurde gebildet aus Abgeordneten der Städte und Landgemeinden sowie von Grundbesitzern mit einem Grundsteuer-Reinertrag über 1.000 Talern. Der Landrat beruft den Kreistag, führt den Vorsitz und leitet die Verhandlung. Die Beschlüsse der Kreisversammlung hat er auszuführen. Die kommunalständische Verfassung im Gebiet des Regierungsbezirks Kassel wurde durch Verordnung vom 20. September 1867 geregelt.
Die erste Wahl zum deutschen Reichstag fand am 3. März 1871 statt. Von den 5.844 gültigen Stimmen in den Wahlbezirken der Kreise Eschwege, Witzenhausen und Schmalkalden entfielen 4.662 auf den Direktor der Landeskreditkasse in Kassel, Dr. Richard Harnier (18.6.1820 - 17.10.1885). Harnier hatte schon zuvor dem konstituierenden Reichstag und dem Reichstag des Norddeutschen Bundes angehört und war Mitglied der Nationalliberalen Partei. Er vertrat den hiesigen Wahlkreis auch nach den folgenden drei Reichstagswahlen bis 1881. Mit der Wahl des Rechtsanwalts Carl Frieß am 27.10.1881 wurde der Wahlkreis erneut von einem liberalen Kandidaten vertreten. Wahlkommissar für den 4. Wahlkreis war der Eschweger Landrat Groß. Bei der nächsten Reichstagswahl am 28. Oktober 1884 unterlag Frieß dem konservativen Gutsbesitzer Hermann von Christen (5.3.1841-26.9.1919) aus Werleshausen, der den Wahlkreis bis 1910 in fünf Legislaturperioden vertrat und nur bei der Wahl von 1893 sich dem Kandidaten der antisemitischen Deutschsozialen Partei Hans Leuß geschlagen geben musste.
Erst ab etwa 1880 wurde in Hessen die Position des Landrats der gleichnamigen preußischen Institution angeglichen. Der Landrat war nun nicht nur Leiter der allgemeinen Landesverwaltung im Kreisgebiet, sondern als Vorsitzender des Kreistags und des Kreisausschusses zugleich Leiter der Kreiskommunalverwaltung. Gleichzeitig wurde ein Kreisausschuss gebildet, der aus sechs Mitgliedern bestand, die Beschlüsse des Kreistages vorbereitete und sie ausführte. Dabei waren die Aufgaben um die Aufsicht über das Versicherungswesen, Steuerveranlagung, Energieversorgung und Fortbildungsschulen erweitert worden.
Kreis Eschwege
Anfang 1861 wurde der Eschweger Landrat meistens vom Kreissekretär Nordmann vertreten. Im August 1861 wurde der bisherige Landrat in Ziegenhain Carl August Friedrich Groß (19.10.1812 - 3.2.1892) wieder nach Eschwege versetzt, wo er bis zu seinem Ruhestand 1885 eine lange Amtszeit verblieb, auch über die Eingliederung Hessens an Preußen 1866 hinweg. Seine Ernennung in preußischer Zeit erfolgte am 28. März 1868. Zu seinem 50-jährigen Dienstjubiläum am 29. April 1885 wurde für den "verehrten Jubelgreis" sogar ein Gedicht in der Zeitung veröffentlicht. Nach seinem Ruhestand zog Groß in das Haus An den Anlagen 2, wo er am 3. Februar 1892 verstarb. Das "Eschweger Tageblatt" würdigte ihn mit einem Nachruf, die Kreisverwaltung mit einer großen Todesanzeige.
Am 22. April 1874 traten die nachfolgend genannten Mitglieder der Kreisstände zum Kreistag zusammen:
Nachfolger von Landrat Groß wurde Emil Grimm aus Marburg (geb. 30.11.1853) zunächst kommissarisch ab Dezember 1885, fest dann erst ab 4. August 1886. Er hatte dieses Amt bis Ende August 1893 inne und ging dann als Regierungsrat zur Königlichen Regierung in Trier. Schon am 1. September erfolgte die Abmeldung dorthin.
Am 5. Dezember 1885 fand die erste Kreistagswahl nach der neuen Kreisordnung statt. Die Stadt Eschwege konnte danach vier Abgeordnete bestimmen; es waren dies Bürgermeister Friedrich Ernst Gebhard, Kaufmann Ernst Friedrich Heinemann, Justizrat Friedrich Ebel und Lederfabrikant Carl Döhle. Die Landgemeinden entsandten acht Abgeordnete: Oekonom Christoph Munk in Datterode, Oekonom Wilhelm Thon in Albungen sowie die Bürgermeister Adam Dietzel aus Weißenborn, Jakob Schönewolf aus Germerode, Eduard Wilhelm Kühnemuth aus Frankershausen, Carl Krause aus Neuerode, Adam Schäfer aus Burghofen und Johannes Roßbach aus Nesselröden. Auch die "größeren Grundbesitzer und Gewerbetreibenden" entsandten acht Abgeordnete: Oberamtmann Heinrich Vaupel aus Niederhone (als Vertreter des Fiskus), Obervorsteher von Schutzbar genannt Milchling zu Hohenhaus, Jagdjunker a.D. Moritz von Eschwege zu Reichensachsen, Rittergutsbesitzer Carl Xaver von Scharfenberg zu Kalkhof bei Wanfried, Gutsbesitzer Carl Heckmann zu Mönchhof, Oekonom Theodor Bierschenk aus Wichmannshausen, Oekonom und Mühlenbesitzer Wilhelm Vaupel aus Eltmannshausen und Weinhändler Peter Hupfeld aus Weidenhausen. In den Kreistag kamen noch die beiden Fabrikanten Peter Israel aus Wanfried und Mühlenbesitzer Theodor Bierschenk aus Waldkappel. Der Kreistag wählte am 13. März 1886 folgende Mitglieder in den Kreisausschuss: Jagdjunker a.D. Moritz von Eschwege, Reichensachsen; Oekonom Wilhelm Vaupel, Eltmannshausen; Kaufmann Ernst Friedrich Heinemann, Eschwege; Fabrikant Peter Israel, Wanfried; Oekonom Theodor Bierschenk, Wichmannshausen; Bürgermeister Carl Krause, Neuerode.
Am 15. November 1888 bestimmte die Stadt Eschwege den neuen Bürgermeister Heinrich Vocke und den Lederfabrikanten Hermann Weymar für die beiden frei gewordenen Sitze. Am 29. November wurden auch die Ergänzungswahlen für die Großgrundbesitzer und Landgemeinden gewählt; es waren dies Gutsbesitzer Carl Heckmann zu Mönchhof, Jagdjunker a.D. Moritz von Eschwege zu Reichensachsen und Rittergutsbesitzer Rexerodt zu Röhrda sowie die bereits früher benannten Bürgermeister von Frankershausen, Germerode und Nesselröden; neu hinzu kam der Gutsbesitzer Martin Mench aus Reichensachsen. Für den verstorbenen ehemaligen Eschweger Bürgermeister Gebhard rückte am 3. Februar 1890 der Lederfabrikant Ernst August Döhle nach.
Der Regierungs-Assessor Alexander von Keudell (16.8.1861-24.6.1939) übernahm das Amt zunächst ab September 1893 kommissarisch. Auf Aufforderung des Regierungspräsidenten machte der Kreistag am 11. Januar 1894 von seinem Vorschlagsrecht Gebrauch und brachte v. Keudell für das Amt in Vorschlag, woraufhin die Amtseinführung am 1. März 1894 erfolgte. Alexander von Keudell entstammte einem alteingessenen Adelsgeschlecht aus Schwebda und hatte am 23. Juni 1888 Luise Henschel, die Tochter des Lokomotivfabrikanten Oskar Henschel in Kassel geheiratet. Zu dem bestehenden Einfluss der Familie in der Region kam hierdurch ein weiterer Machtfaktor hinzu, der sich nicht zuletzt im Bau des Schlosses Wolfsbrunnen (1904-1906) offenbarte. Keudell gilt als besonderer Förderer der Landwirtschaft, aber auch des Straßen- und Eisenbahnbaus. Von 1895-1930 war er Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisvereins, wurde 1905 Mitglied der Landwirtschaftskammer und 1917 deren Präsident. Politisch orientierte er sich an der Deutschkonservativen Partei und kandidierte für diese im Preußischen Landtag. In seine Amtszeit fällt der Erwerb des Landgrafenschlosses vom Staat an die Kreisverwaltung im Jahr 1906.
Nach den Kreistagswahlen kam der neue Kreistag am 26. November 1904 zu seiner ersten Sitzung unter Vorsitz des Landrats zusammen. Ihm gehörten weiterhin an:
Dem neu gewählten Kreistag gehörten am 16. Februar 1910 die Gutsbesitzer Thon aus Albungen und Steinmetz aus Herleshausen sowie Bürgermeister Meister, Fabrikant Schilbe und Rentner Schäfer nicht mehr an. Stattdessen werden genannt: aus Eschwege Gutsbesitzer Fritz Gebhard, Rentner Julius Döhle und Kaufmann Otto Junghans, aus Waldkappel Kaufmann Braun und aus Reichensachsen Gutsbesitzer Beyer. Im Kreistag von 1913 fehlten der Ökonomierat Rexerodt, Fabrikant Bartholomäus und Kaufmann Braun; neu waren der Gutsbesitzer Dr. Weigel von Frankershausen, der Fabrikant Georg Brill aus Eschwege und Bürgermeister Küschall aus Waldkappel.
Alexander von Keudell kündigte nach den politischen Umwälzungen 1918/1919 in der Kreistagssitzung vom 3. April 1919 seinen Rücktritt an, nachdem er noch einige Monate "in treuer Pflichterfüllung auf seinem Posten ausgeharrt" hatte. Die erste Sitzung des neuen Kreistags fand noch unter seiner Leitung statt. Der Kreistag bestand an diesem Tag aus folgenden 19 Mitgliedern, die letztmalig die alten Machtverhältnisse repräsentieren:
Kreis Witzenhausen
Adam Heinrich Uloth wurde am 7.11.1867 zum Abgeordneten der 2. Kammer für den Landkreis Kassel gewählt. Nachfolger Uloths wurde am 27. März 1868 der bisherige Landrat von Wolfhagen, Thomas Boch (23.6.1810-20.8.1875), der von 1838-1843 Kreissekretär in Eschwege gewesen war. Dort hatte er am 26. November 1840 Caroline Friederike, die Tochter des Orgelbauers Eobanus Friedrich Krebaum geheiratet. Thomas Boch war eines der am härtesten betroffenen Opfer der politischen Umwälzungen von 1850/1851 gewesen und hatte danach über zehn Jahre lang ohne Einkommen bei der Familie seiner Frau gelebt. Boch zog Ende April 1868 von Wolfhagen nach Witzenhausen und erhielt 1.200 Taler Jahresgehalt. Er starb am 20. August 1875 in Witzenhausen an einem Schlaganfall.
Nachdem die Geschäfte kurzzeitig von dem Kreissekretär Sandrock geleitet worden waren, wurde die Stelle des Landrats am 23. Oktober 1875 dem bisherigen Landrat von Frankenberg, Christian Ludwig Friedrich Ernst Bernstein (12.1.1818-20.5.1886), übertragen, der seinen Dienst am 15. November antrat. Er war in seiner Amtszeit häufig krank bzw. in Kur. Vor seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienst Ende März 1884 wurde ihm der Titel "Geheimer Regierungsrath" verliehen.
Ihm folgte mit Ernennung am 10. September 1884 Bernhard von Schenck nach, der bereits seit dem 27. März 1884 zunächst kommissarisch tätig gewesen war. Seine Amtszeit ist durch viele Urlaube und Vertretungen gekennzeichnet, zumal er gleichzeitig Mitglied im Provinziallandtag war. Im Verwaltungsbericht von 1887 trifft er die Feststellung: "Die allgemeine finanzielle Lage des Kreis-Communalverbandes ist eine recht günstige." Der Kreis zählte damals 29.348 Einwohner, davon 305 Juden, 276 Katholiken und 163 Religionslose. Sämtliche 84 Schulstellen waren besetzt, 5.642 Schüler besuchten die Schulen des Kreises.
Die Zusammensetzung des Kreistages am 1. März 1886 ist beispielhaft für die Verteilung von Mitsprache im Rahmen des Dreiklassenwahlrechtes. Dem Kreistag gehörten 19 Abgeordnete an, dazu kam als Vorsitzender Landrat v. Schenck. Sechs Vertreter aus der Reihe der Höchstbesteuerten waren sämtlich Gutsbesitzer, davon die meisten adliger Herkunft: Graf Karl von Berlepsch auf Schloss Berlepsch, Geheimer Regierungsrat William Mordian Arthur von Bischoffshausen zu Kassel, Forstmeister Emil von Buttlar-Ziegenberg zu Kassel, Landes-Direktor Eduard von Hundelshausen zu Kassel, Ökonomierat Andreae zu Büxleben und Gutsbesitzer Löbbecke zu Kassel. Es fällt auf, dass die meisten der Genannten gar nicht im Kreis Witzenhausen wohnten, dort aber große Güter besaßen. Als zweite Interessengruppe waren die Bürgermeister mit 10 Sitzen gut vertreten: v. Lorentz aus Witzenhausen, Oeste aus Allendorf, Lange aus Sooden, Rüppel aus Großalmerode, Klebe aus Walburg, Bertling aus Ellingerode, Brübach aus Oberrieden, Demme aus Berge, Gunkel aus Wickenrode und Hose aus Hausen. Sie werden vermutlich auch die Interessen der "kleinen Leute" auf den Dörfern vertreten haben. Die Gruppe der Beamten und Handwerker war mit nur drei Sitzen repräsentiert: Oberförster Ide aus Witzenhausen, Gastwirt und Bierbrauer Müller von dort und Metzger Schmidt aus Allendorf.
Im Kreisausschuss, dessen Protokolle ab 2. April 1886 erhalten sind, saßen zu Beginn (unter Vorsitz des Landrats v. Schenck): Graf Karl von Berlepsch, bis März 1887; Gutsbesitzer Löbbecke bis November 1889, danach ausgeschieden wegen Verkauf seines Gutes; ferner die vier Bürgermeister v. Lorentz aus Witzenhausen (bis Anfang 1905), Möller aus Hess. Lichtenau (bis zum Tod am 3. März 1889), Lange aus Sooden (bis 1901) und Gunkel aus Wickenrode (bis Ende 1891). Von April 1887 bis Ende 1903 gehörte der Geheime Regierungsrat William von Bischoffshausen dem Kreisausschuss an, von 1889-1901 der Oberförster und zeitweilige Bürgermeister Jung aus Harmuthsachsen, Bürgermeister Löber aus Hess. Lichtenau von 1890-1899 und Freiherr Erich von Bodenhausen von 1892-1914.
Von Schenck wurde am 7. August 1895 mit der kommissarischen Verwaltung des Landkreises Hanau beauftragt, kurz darauf auch mit der Stelle des landesherrlichen Kommissars beim dortigen israelitischen Vorsteheramt. Die Versetzung nach Hanau erfolgte aber offenbar erst im Februar des folgenden Jahres. In von Schencks Amtszeit, in den Jahren 1889-1891, erfolgte der Neubau eines Verwaltungsgebäudes für den Kreis nördlich der Altstadt nach Plänen des sehr bekannten und bedeutenden Baumeisters Franz Schwechten (12.8.1841-11.8.1924). Es entsprach den damaligen Anforderungen und enthielt einen Saal für den Kreisausschuss, Büroräume für die Mitarbeiter und nicht zuletzt die Dienstwohnung für den Landrat. Der repräsentative Bau wurde im September 1891 eingeweiht.
Mit Heinrich (Heino) Edwin Mordian von Bischoffshausen (26.11.1855-25.2.1933) gelangte, nahezu zeitgleich wie Alexander v. Keudell in Eschwege, auch in Witzenhausen ein Angehöriger des örtlichen Adels auf den Posten des Landrats. Damit war hier wie dort eine konservativ ausgerichtete Politik verbunden. Er erhielt die Stelle zunächst kommissarisch ab 9. September 1895, definitiv dann am 23. Mai 1896. Wie seinem Kollegen in Eschwege lag auch ihm die landwirtschaftliche Entwicklung am Herzen. Die Viehzählung vom 1. Dezember 1897 ergab für den Kreis Witzenhausen einen Bestand von 1.510 Pferden, 8.816 Stück Rindvieh, 15.759 Schafen, 12.777 Schweinen und 6.509 Ziegen. Nahezu 1.000 Menschen waren in der Tabakindustrie beschäftigt, und es herrschte ein Mangel an Arbeitskräften, so dass z. B. im Jahr 1900 115 Arbeiter aus Polen eingesetzt waren. Der Landkreis Witzenhausen bestand um 1900 aus 4 Städten, 56 Landgemeinden und 23 Gutsbezirken. 1900 waren 17 Landgemeinden ans Fernsprechnetz angeschlossen, Ende 1905 schon 37. Die Einwohnerzahl überstieg um 1900 die Grenze von 30.000.
War das Dienstfahrzeug des Landrats 1911 noch eine zweispännige Kutsche, so hatte er bis 1915 dann doch einen eigenen Kraftwagen angeschafft, den er auch dienstlich benutzte. Im August 1917 gab er seinen Dienst auf und ging nach Ratibor.
Die Kreise Eschwege und Witzenhausen zur Zeit der Weimarer Republik und des "Dritten Reiches" 1918-1945
Kreis Eschwege
Die ersten Wahlen zum Kreistag im Kreis Eschwege nach dem 1. Weltkrieg ergaben eine sozialdemokratische Mehrheit von 13 Abgeordneten gegenüber 10 von den bürgerlichen Parteien. Der neu gewählte Kreistag trat am 2. Juni erstmals noch unter Leitung von Keudells zusammen, bei seiner nächsten Sitzung am 14. Juli unter Leitung von Dr. Bödiker.
Den politischen Wechsel kann man gut an der Zusammensetzung des neuen Kreistags, der am 29. September 1919 zusammentrat, erkennen. Hier sind auch die politischen Zugehörigkeiten vermerkt; dem Parlament gehörten zwölf Mehrheits-Sozialdemokraten, ein Unabhängiger Sozialdemokrat, fünf Deutschnationale, vier Demokraten und ein bürgerlicher ohne Zuordnung an:
In der Sitzung am 2. Oktober 1919 wurden die Mitglieder verschiedener Kommissionen gewählt. Regierungsassessor Dr. Rudolf Bödiker (geb. 25.3.1887), der inzwischen die Verwaltungsgeschäfte leitete, wurde, nachdem er schon seit Anfang 1919 dem Landrat "zur Hilfeleistung" beigegeben worden war, am 1.8.1919 kommissarischer Landrat in Eschwege, wechselte aber schon Ende Juli 1920 zum Landratsamt in St. Goar und dann 1923 nach Stettin. Noch am 16. Februar 1920 hatte sich der Kreistag für seinen Verbleib ausgesprochen. Am 18. Juni 1920 wurden als Mitglieder des Kreisausschusses vereidigt: Bürgermeister Dr. Fritz Stolzenberg (war schon vereidigt), Rechtsanwalt Georg Rühmekorb, Landwirt Eduard Stemm, Kaufmann Friedrich Hoßbach, Kohlenhändler Adolf Gimpel und Schmiedemeister Heinrich Müller.
Der Kampf um die Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln gehörte zu den wichtigsten Aufgaben Bödikers in dieser Zeit. Nach seinem Weggang beschäftigte sich der Kreistag ein Jahr lang mit der Nachfolgeregelung. Der SPD-Kandidat Johannes Struve aus Kassel wurde dabei durch die rechten und linken Parteien im Kreistag blockiert, so dass er verzichtete. In dieser Zeit amtierte der Eschweger Bürgermeister Dr. Fritz Stolzenberg (27.1.1879-21.4.1934) in stellvertretender Funktion, bevor im Februar 1921 der bisherige Stadtrat Hermann Langer aus Kassel, zunächst wieder kommissarisch, den Posten übernahm, obwohl sich der Kreistag im August 1921 nach wie vor uneinig war. Am 20. Februar 1921 war ein neuer Kreistag gewählt worden. Die 23 Sitze verteilten sich wie folgt: SPD 10, die konservative "Kreisarbeitsgemeinschaft" 8, DDP 2, USPD 2 und KP 1.
Folgende Abgeordnete saßen nun im Kreistag:
Hermann Langer (geb. 24.3.1867) in Langensalza als Sohn eines Schuhmachers, zog am 1. März 1921 von Kassel nach Eschwege und leitete die Sitzung des neugewählten Kreistags am 19. März In der Sitzung vom 22. Juni, bei der auch das im Schloss befindliche Heimatmuseum besucht wurde, kam keine Einigung über Langers Wahl zustande. Dies erfolgte erst in der Sitzung am 20. August mit den Stimmen der SPD und DDP, gegen die Linken und Konservativen. Die von Langer geäußerten Statements bei Eröffnung der Sitzung wurden von Keudell als politische Propaganda kritisiert. Am 30. September 1921 erhielt Langer nunmehr seine feste Anstellung. Wie sein Amtskollege in Witzenhausen gehörte auch er der Sozialdemokratischen Partei an. Wie sein Amtsvorgänger, so musste auch er vor allem gegen die Wirtschaftskrise ankämpfen. Mit seinen Äußerungen betreffend die Versorgung mit Kartoffeln rief er im Oktober 1923 den Widerspruch des Kreisbauernverbandes hervor. Bei der Reichstagswahl am 4. Mai 1924 erhielt der Völkisch-Soziale Block (Vorläufer der NSDAP) im Kreis Eschwege auf Anhieb 2.586 Stimmen und erreichte damit den dritten Platz hinter DNVP und SPD. Am 29. November 1925 wurde ein neuer Kreistag gewählt, dem nun ein Abgeordneter mehr angehörte. Die SPD erhielt 11 Sitze, die konservative "Kreisarbeitsgemeinschaft" 7, die Wirtschaftliche Vereinigung (DDP) 3, die KP 2 und der Meißner-Verband 1.
Folgende Abgeordnete gehörten dem neuen Kreistag an:
Zu Langers 60. Geburtstag am 24. März 1927 attestierte man ihm trotz aller Differenzen, mit seiner sachlichen Arbeit, die immer das Gesamtwohl des Kreises zum Ziel hatte, auch bei den politisch anders Denkenden Vertrauen gefunden zu haben. In seiner Amtszeit setzte er Schwerpunkte bei der Förderung des Schulwesens und des Wohnungs- und Straßenbaus; auch die Verschönerung des Schlosses mit dem Einbau des Dietemannes 1927 und dem Bau des Schlossbrunnens 1930 fiel in seine Zeit.
Die Wahl am 17. November 1929 bestätigte die SPD mit 11 Sitzen, während die sich nun "Landvolkliste" nennenden Konservativen in drei regionalen Listen auf 8 Sitze zunahmen; die liberale Bürgerliste erreichte 3, die KP 2 Sitze. Die Kreistagsabgeordneten der letzten Wahlperiode vor der NS-Zeit waren:
Zum 1. April 1932 trat Langer infolge Erreichung der Altersgrenze in den Ruhestand und verzog mit seiner Familie nach Eisenach.
Da sein Vorgänger schon Mitte Februar 1932 Urlaub genommen hatte, wurden die Geschäfte seitdem von Hans Otto Glahn (1.4.1895-August 1979), Landrat in Usingen, wahrgenommen, der ebenso der SPD angehörte. Mit den Stimmen der SPD wurde er in der Kreistagssitzung am 21. Mai 1932 gewählt. Obwohl er nach kurzer Zeit seine parteipolitischen Bindungen beendete, wurde er - zeitgleich mit den Maßnahmen in Preußen nach dem "Preußenschlag" am 20. Juli - Ende Juli 1932 seines Amtes enthoben und in den Wartestand versetzt. Er verließ Eschwege nach nur fünf Monaten am 31. Juli 1932 ohne polizeiliche Abmeldung nach Göttingen. Er war dann für kurze Zeit Regierungsrat in Köslin, wurde aber bei der Machtergreifung entlassen. Von 1947-1949 war er umstrittener Oberstadtdirektor in Göttingen.
Auf ihn folgte Dr. Philipp Deichmann (24.12.1889-21.5.1962), zunächst kommissarisch, am 4. August 1932. Nachdem die KPD und das konservative Bündnis seine Wahl zunächst blockiert hatten, wurde er schließlich am 10. Dezember 1932 mit Unterstützung der liberalen Bürgerliste in seinem Amt bestätigt und Anfang Januar 1933 von der Preußischen Regierung ernannt. Bei seinem Dienstantritt deutete er an, dass die desolate Finanzlage des Kreises für ihn das größte zu lösende Problem sei.
Bereits am 1. März 1933 wurde der Kreistagsabgeordnete Karl Küllmer aus Reichensachsen, der der KP angehörte, in sogenannte Schutzhaft genommen und bis zum 17. März festgehalten. Das KP-Mitglied Wilhelm Steinkrug wurde drei Tage festgesetzt, vom 10.-13. März, dann nochmals am 20. / 21. März, Wilhelm Schellhase aus Röhrda vom 24.-27. März.
Zur Kreistagswahl am 12. März 1933 stellten sich vier Listen zur Wahl: NSDAP, SPD, KP sowie die Liste "Bauer und Bürger". Die NSDAP erhielt 13 Sitze, darunter der spätere Kreisleiter Weiß und, als Nachfolger seines Vaters, Rudolf von Keudell aus Schwebda. Die SPD erhielt 8 Sitze, die KP 2 und die Bürgerliste 1 Sitz. Am 29. März gab Landrat Deichmann bekannt, dass fünf Abgeordnete der SPD ihre Ämter niedergelegt hatten.
Als am 8. April der neue Kreistag "feierlich eröffnet" wurde, war außer 12 Abgeordneten der NSDAP nur noch der Vertreter der Liste "Bauer und Bürger" erschienen. Das Tageblatt berichtete: "Die Fraktion der N.S.D.A.P. wurde von der SA mit Fahnen und unter schneidiger Marschmusik zum Landratsamt geleitet. Von dem Schloß flatterten die Fahnen, im Sitzungssaal selbst hatten hinter dem Tisch des Landrats drei Gruppen mit Hakenkreuzfahnen Aufstellung genommen. Von den Wänden her grüßten die großen Bilder des Reichspräsidenten v. Hindenburg und des Reichskanzlers Adolf Hitler. Die Plätze nahm fast allein die nationalsozialistische Fraktion ein, die mit 13 Abgeordneten die absolute Mehrheit des 24 Abgeordnete umfassenden Kreistages hat. Anwesend waren neben 12 nationalsozialistischen Abgeordneten nur noch der eine Abgeordnete der Liste Bauer und Bürger. Von den acht sozialdemokratischen Abgeordneten, von denen inzwischen fünf ihr Amt niedergelegt haben, war niemand erschienen, ebenso fehlten die Kommunisten, auf die zwei Sitze entfallen waren. Der Vorsitzende Landrat Dr. Deichmann eröffnete die Sitzung und führte u. a. aus, daß die nationale Wiedergeburt Deutschlands auch im Kreistag seinen(!) Ausdruck gefunden habe." Eduard Weiß äußerte sich zur Zeit der Weimarer Republik mit den Worten, dass marxistische Mißwirtschaft in den letzten 14 Jahren der Grund für die jetzige große Not sei und dass es ein marxistischer Landrat nicht geschafft habe, die Finanzen zu ordnen. Sodann wurden die Kommissionen neu gewählt und ausschließlich mit Parteigenossen besetzt.
Deichmann kooperierte sofort mit den neuen Machthabern; so forderte er die Mitarbeiter des Landratsamtes zur geschlossenen Teilnahme am Fackelzug am 21. März 1933 anlässlich der "nationalen Wiedergeburt des Deutschen Reiches" auf. Ab dem 30. März prangte die neue Bezeichnung des Schlossplatzes als "Adolf-Hitler-Platz" am Südflügel des Schlosses. Am 1. April 1933 trat Deichmann der NSDAP bei. Am 20. Juli 1933 wurde der Hitlergruß in der Kreisverwaltung obligatorisch.
Am 19. Dezember 1935 gaben die Mitglieder des Kreisausschusses ihre Erklärungen zur bisherigen Tätigkeit ab. Zu diesem Zeitpunkt waren dies: Rudolf von Keudell, August Hohmann, Eduard Weiß, H. Schindewolf und Albert Prach.
Die Bewältigung der Finanzkrise und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit bestimmten die nur vier Jahre dauernde Amtszeit Deichmanns. Zu seiner Zeit erfolgte die Eingemeindung von Niederhone nach Eschwege und die Vereinigung der beiden Orte Wipperode und Bernsdorf unter dem neuen Namen Vierbach am 1. April 1936. Als Deichmann Ende Oktober 1936 nach Trier versetzt wurde, bescheinigte man ihm eine enge Zusammenarbeit mit der NSDAP und ihren Dienststellen. Bei der Abschiedsfeier am 5. November 1936 erhielt er ein Bild im Wert von 225 RM geschenkt, das durch eine Umlage bei allen Gemeinden des Kreises finanziert wurde. Deichmann blieb bis zum Kriegsende Landrat in Trier und war von 1949-1958 in der Landesvermögensverwaltung Nordrhein-Westfalen in Koblenz tätig, wo er 1962 verstarb.
Sein Nachfolger wurde Dr. Walter Schultz (27.11.1874-8.8.1953), zunächst kommissarisch, bis am 6. Januar 1937 seine offizielle Einführung stattfand. Hier wird er als einer "der ältesten und bewährtesten Kämpfer des Führers im Gau Kurhessen" bezeichnet. Er war schon 1925 in die Partei eingetreten und 1927-1928 Gauleiter für Hessen-Nassau Nord gewesen, danach Landrat von Kassel-Land. Erst Anfang März 1937 zog er von Kassel nach Eschwege. Der aus nur noch sechs Personen bestehende Kreisausschuss wählte ihn am 13. März 1937 einstimmig. Der Kreisausschuss bestand aus dem Kreisleiter der NSDAP Eduard Weiß, dem Eschweger Bürgermeister Dr. Alex Beuermann, dem Fabrikanten Karl Artur Israel aus Wanfried, dem Kreisbauernführer Fritz Walter aus Wanfried, dem Landwirt Rudolf von Keudell aus Schwebda und dem Erbhofbauern August Hohmann aus Lüderbach. Schultz wurde bei Kriegsende seines Amtes enthoben und zog im April 1948 nach Oberhone, dann nach Kassel.
Kreis Witzenhausen
Zum Jahresende 1917 wurde Landrat Dr. Hermann Wolf aus Sulingen definitiv angestellt, nachdem er schon Ende August als Nachfolger feststand und am 1. Oktober 1917 seinen Dienst hier angetreten hatte. Der Kreisausschuss bestand zu Wolfs Amtszeit aus dem Freiherrn von Buttlar, Kammerherrn Erich von Bodenhausen, Forstmeister Wetz, Landwirt Brübach und den beiden Bürgermeistern Müller und Weichel.
Am 23. März 1919 musste der Landrat bekanntgeben, dass das Dienstsiegel des Landratsamtes gestohlen worden war, so dass man ein neues beschaffen musste. Schon im April 1919 musste er seinen Dienst wegen Krankheit aufgeben und erhielt sechs Monate Urlaub. Die Zeitung meldete: "Landrat Dr. Wolff ist bis auf weiteres krankheitshalber beurlaubt. Man nimmt an, daß er in sein Amt nicht wieder zurückkehren wird." Der Kreistag setzte sich aus 11 Sozialdemokraten, 5 Demokraten und 4 Deutschnationalen zusammen, die im Juni 1919 die sechs Mitglieder des Kreisausschusses wählten. Es waren dies die Bürgermeister Müller, Wickfeldt und Kregelius, der Privatmann Engelmann, Landwirt Wilhelm und Former Vonhof.
Freiherr von Verschuer fungierte nun als stellvertretender Landrat und musste eine große Demonstration wegen der Versorgungslage am 17. Juni beschwichtigen. Während seiner Abwesenheit im Juli 1919 musste der Witzenhäuser Bürgermeister Oskar Wickfeldt die Geschäfte des Landrats übernehmen. In seiner Sitzung am 8. August 1919 sprach sich der Kreistag mit 11 Stimmen für Georg Thöne (5.1.1867-4.5.1945), Parteisekretär der SPD, Mitglied der Nationalversammlung und des Provinziallandtags, als Landrat aus, 9 Stimmen erhielt Bürgermeister Wickfeldt. Bis zum Jahresende 1919 wurde jedoch der Gerichtsreferendar Georg Eschstruth (geb. 2.8.1889) mit der vertretungsweisen Verwaltung des Landratsamtes in Witzenhausen beauftragt. Er verfasste am 8. August 1919 einen Aufruf an die Bevölkerung des Kreises. Gleichzeitig wurde der bisherige Landrat Dr. Wolf zum Regierungsrat ernannt und nach Arnsberg, kurz darauf nach Köln überwiesen. Die Zeitung merkte an: "Der Gesundheitszustand des pflichttreuen Beamten hatte denn auch so gelitten, daß Herr Dr. Wolf sich seit etwa einem halben Jahr vom Dienst befreien lassen musste."
Am 4. September sprach sich Eschstruth entschieden gegen die in letzter Zeit zu Tage tretende Judenhetze aus. Am 22. und 27. September musste er sich mit den Problemen der Zwangsbewirtschaftung für Milch auseinandersetzen. In der Sitzung vom 10. November 1919 sprach sich der Kreistag erneut für Georg Thöne als Landrat aus, diesmal mit der großen Mehrheit von 15 gegen fünf Stimmen. Thöne leitete die Sitzung des Kreisausschusses am 3. Januar 1920 als kommissarischer Landrat, aber erst im Mai 1920 wurde er zum Landrat in Witzenhausen ernannt. Zu Beginn seiner Amtszeit war die Versorgung der Bevölkerung, so die Festlegung der Lebensmittelpreise, ein vordringliches Ziel. Am 4. Oktober 1920 appellierte Thöne an die Landwirte wegen der Kartoffelversorgung.
Die Wahlen zum Kreistag am 20. Februar 1921 brachten einen Sieg der SPD (7.142 Stimmen) über die konservative "Kreisarbeitsgemeinschaft" (5.243 Stimmen). Es folgten der Deutsche Beamtenbund (914), die Gastwirte (646), die Demokratische Partei (545), die Liste Rühling (328), die Christliche Gewerkschaft (185) und die USPD (147). Im neu gebildeten Kreisausschuss saßen nun die Bürgermeister Wickfeldt und Wilhelm, Ingenieur Möller, Rittergutsbesitzer Kröschell, Bergmann Ebert und der Stadtverordnete Quadt aus Witzenhausen. Im Oktober 1922 saßen im Kreistag:
Der Ablauf der Kreistagssitzung am 12. Juni 1922 fällt durch recht große Einigkeit und Sachlichkeit auf. Dasselbe gilt für die Sitzung am 30. Oktober 1922. Auch die Beschlüsse betreffend Gebührenerhöhungen wegen der rasant galoppierenden Inflation sowie der Besetzung von Ausschüssen gingen am 15. Juni 1923 ohne große Diskussionen über die Bühne. Im August 1923 konnte durch persönliches Eingreifen des Landrats ein Waggon mit Futtermehl auf dem Bahnhof Eichenberg aus den Händen von Wucherern beschlagnahmt werden. Thönes Name findet sich auf den im Oktober 1923 vom Kreisausschuss herausgegebenen Notgeldscheinen mit Werten von einer bis 50 Mrd. Mark.
Bei der Reichstagswahl am 4. Mai 1924 erreichte der erstmals auftretende Völkisch-Soziale Block (Vorläufer der NSDAP) auf Anhieb 1.504 Stimmen im Kreis Witzenhausen und lag damit an fünfter Stelle hinter SPD, DNVP, DVP und KP. Bei der Kreistagssitzung am 23. Mai 1924 bescheinigte Bürgermeister a.D. Oskar Wickfeldt dem Landrat, "er habe es mit großer Geschicklichkeit verstanden, uns durch die Inflationszeit hindurch zu bringen." Der Bericht über die Sitzung am 5. Dezember 1924 lässt keine großen parteipolitischen Auseinandersetzungen erkennen. Erst am 14. Mai 1925 fand wieder eine Sitzung des Kreistags statt, die einzige in diesem Jahr, was auch bemängelt wurde.
Die für den 25. Oktober 1925 geplanten Wahlen wurden auf dem 29. November verschoben. Mit der Wahl zum Kreistag gehörten diesem nun an:
Am 27. Februar 1926 wurde in die Geschäftsräume des Landratsamtes eingebrochen, es wurden aber nur geringe Mengen an Bargeld gefunden. In der Kreistagssitzung am 27. September 1926 wurde die Bitte an die Reichs- und Staatsregierung gerichtet, die geplante Kanalisation der Werra nun endlich voranzutreiben. Zum 60. Geburtstag des Landrats schrieb die Zeitung: "Am 5. Januar feierte Landrat Thöne seinen 60. Geburtstag, der in den beteiligten Kreisen durch eine kleine Feier begangen wurde. Unter den zahlreichen Glückwünschen befanden sich auch solche von den Landesbehörden." Über die Kreistagssitzung am 8. Februar 1927 berichtete die Heimatzeitung ausnahmsweise sehr ausführlich; es ging hauptsächlich um den Etat für den Landwegebau, der auf 120.000 RM festgesetzt wurde. Bei der nächsten Sitzung am 31. Mai beschloss man den Kreishaushalt für 1927 mit einem Umfang von 554.700 RM. Im Jahr 1928 trat der Kreistag erstmals am 20. Februar zusammen und beschloss u. a. einen Wegebauetat von 140.000 RM.
Im April 1928 wurde Landrat Georg Thöne zum Präsidenten der Landesversicherungsanstalt Hessen-Nassau gewählt. Die Heimatzeitung verband diese Nachricht mit einem Rückblick auf die Tätigkeit Thönes in den vergangenen acht Jahren: "Ein Rückblick auf die Tätigkeit Landrat Thönes zeigt, dass er seine Tätigkeit durchaus ernst und gewissenhaft genommen und manches Erfreuliche erreicht hat. Diese Endübersicht ist besonders befriedigend, weil man damals bei seinem Antritt des Postens dem neuen Landrat nicht überall mit allzuviel Vertrauen entgegenkam. Dabei darf vor allem nicht verkannt werden, daß die Verhältnisse der Nachkriegszeit die Arbeiten besonders erschwerten. Wenn er jetzt aus dem Amte scheidet, das er treu und mit Einsetzung seiner ganzen Persönlichkeit verwaltet hat, so geschieht es nicht, ohne daß ihm aus allen Kreisen herzliche Wünsche gewidmet sind."
Am 4. Juni 1928 beschloss der Kreistag u. a. den Haushalt für das laufende Jahr in Höhe von 609.000 RM, davon fast die Hälfte für die Wohlfahrtspflege. Im Juli 1928 bat Thöne um Entlassung aus dem Amt und wurde am 14. Juli von seinen Mitarbeitern verabschiedet. Am 20. Juli nahm er letztmalig zu seiner Verabschiedung an einer Kreistagssitzung teil, die aber schon von Kreisinspektor Althans geleitet wurde. Hier wurden Thönes Verdienste nochmals von mehreren Anwesenden gewürdigt. Das neue Amt bei der Landesversicherungsanstalt hatte er bis 1933 inne. In der NS-Zeit verlor Thöne alle seine Ämter und Auszeichnungen. Er starb kurz vor dem Ende des Weltkrieges (am 4.5.1945) in Kassel.
Jean Gröniger, bisher Lehrer in Niedervellmar und Kreistagsabgeordneter der SPD im Kreis Kassel-Land, wurde Anfang August 1928 vom Preußischen Innenministerium kommissarisch zum Landrat ernannt. Am 20. August 1928 leitete er die Sitzung des Kreisausschusses. In seine Amtszeit fällt die Eingemeindung des Dorfes Bischhausen in die Stadt Witzenhausen am 30. September 1928, ebenso der verordnete Zusammenschluss von Bad Sooden-Allendorf am 1. Juli 1929. Am 29. Oktober 1928 debattierte der Kreistag über die Neubesetzung der Landratsstelle, wobei sich schließlich die SPD und KP mit 12 zu 10 Stimmen durchsetzten und sich für Gröniger aussprachen. Am 8. Februar 1929 erhielt Landrat Gröniger vom Regierungspräsidenten Dr. Friedensburg seine Ernennung; außerdem legte der Kreistag u. a. die Ausgaben für den Straßenbau 1929 auf 180.000 RM fest. Am 22. April 1929 beschloss der Kreistag den Haushalt für das laufende Jahr in Höhe von 705.110 RM. Grönigers Rede zum 10. Jahrestag der Weimarer Verfassung am 11. August 1929 lässt seinen sozialdemokratischen Standpunkt klar erkennen.
Bei den Kreistagswahlen am 17. November 1929 erhielten die SPD 9 Sitze, die "Arbeitsgemeinschaft für Stadt und Land" 8, die KP 2 und je 1 Sitz die Reichspartei des deutschen Mittelstandes, die Kriegsopfer und die Liste Bad Sooden-Allendorf.
Die Gewählten waren:
Die politischen Veränderungen in der preußischen Regierung Ende Juli 1932 (der sogenannte "Preußenschlag") schlugen auch auf die Verhältnisse in den Provinzen durch; SPD-Mitglieder wurden aus ihren politischen Ämtern verdrängt. Landrat Grönigers letzte Sitzungsleitung ist für den 2. August 1932 dokumentiert; am 10. August vertrat ihn Bürgermeister Wilhelm. Am 22. August 1932 wurde er mit sofortiger Wirkung in den einstweiligen Ruhestand versetzt und der Wolfhagener Landrat v. Uslar mit der kommissarischen Verwaltung des Kreises beauftragt.
Ab 1. Oktober 1932 folgte auf ihn Dr. Ernst Beckmann (21.9.1893-27.8.1957) aus Marienberg, wo er Landrat des Oberwesterwaldkreises gewesen war, zunächst kommissarisch, ab Januar 1933 dann endgültig. Er war Mitglied der Deutschen Volkspartei gewesen und trat 1933 der NSDAP bei. Am 6. Januar 1933 wurde er zum Landrat gewählt und waltete seines Amtes im Sinne des NS-Staates. Bei der Kreistagswahl am 12. März 1933 erhielt die NDSAP nach der ersten Auszählung 12 Sitze, die SPD 6, die Nationale Arbeitsgemeinschaft 2, die KP und der Christlichsoziale Volksdienst je 1 Sitz.
Der gewählte Kreistag bestand aus:
Dr. Walter Gerber war zunächst ab Juli 1938 vertretungsweise tätig und wurde erst im April 1940 endgültig zum Landrat ernannt. Er blieb im Amt bis zum Ende der NS-Zeit 1945. In seiner Funktion nahm er am 21. November 1938 den Bericht von Bürgermeister Kolckhorst über die Ausschreitungen am 8. /9.11. entgegen. Gerbers aktive Rolle bei der Verfolgung und Ausbeutung der jüdischen Bevölkerung in Witzenhausen lässt sich in mehreren Fällen gut belegen. In der ersten Sitzung der Spruchkammer Witzenhausen beantragte der öffentliche Ankläger zwei Jahre Zwangsarbeit und Einziehung des Vermögens, das Urteil lautete hingegen auf zwei Jahre auf Bewährung, eine Geldbuße von 5.000 RM und Einstufung in die Gruppe der Minderbelasteten. Dies ist somit ein weiteres Beispiel für den milden Umgang mit den Hauptverantwortlichen des NS-Regimes. Gerber war eifriger Verfechter einer Generalamnestie, trat 1949 dem "Schutzverband der Beamten" bei und bewegte sich in Kreisen der LDP (später FDP), einem Sammelbecken ehemaliger unbelehrbarer Parteigenossen.
Die kurhessische Verwaltungsreform von 1821 und die Gründung der Landkreise Eschwege und Witzenhausen
Von der Kreisgründung 1821 bis zur bürgerlichen Revolution 1848
Kurfürst Wilhelm II. (1777-1848) hatte nach dem Tode seines Vaters Wilhelm I. (1742-1821) am 27. Februar die Herrschaft im Kurfürstentum Hessen übernommen und setzte sogleich eine Reorganisation des Militärs (wobei das Fallen des obligaten Haarzopfes ein markantes Detail darstellte) und eine neue Organisation der Staatsverwaltung im sogenannten Organisationsedikt vom 29. Juni 1821 um. An diesem Tag erließ er eine Verordnung, "die Umbildung der bisherigen Staatsverwaltung betreffend". In der Präambel heißt es:
"In der Ueberzeugung, daß bei der von Uns beabsichtigten Beförderung der wahren Wohlfahrt Unseres Landes alle Unsere verschiedenen Staatsbehörden, nach dem vollen Maase ihrer Kräfte Uns zu unterstützen, erst als dann vermögen werden, wenn der Wirkungskreis einer jeden Stelle völlig deren Bestimmung entsprechend gebildet, der Geschäftsgang einfach und für jeden Verwaltungszweig gleichförmig, auch die Leitung aus einem, die Uebersicht des Ganzen gewährenden, Centralpunkte möglich gemacht seyn wird, haben Wir eine neue Organisation der Staatsverwaltung beschlossen, und verordnen zu dem Ende wie folgt."
Es wurden vier Provinzen gebildet: Niederhessen nebst der Grafschaft Schaumburg, Oberhessen mit der Herrschaft Schmalkalden und Hanau. Die Provinz Niederhessen wurde in zehn Kreise neu eingeteilt. Eine Verordnung vom 30. August 1821 legte die neue Gebiets-Einteilung fest. Von Bedeutung ist die zukünftige Trennung von Justiz und Verwaltung. Die Kreise waren in sogenannte Justizämter eingeteilt.
Der Kreis Witzenhausen wurde aus den Ämtern Witzenhausen und Großalmerode, der Stadt Witzenhausen mit dem Amt Ludwigstein sowie den Ämtern Lichtenau und Allendorf gebildet und zählte damals 25.057 Einwohner. Der Kreis Eschwege wurde aus dem bisherigen Kurfürstlichen Amt Eschwege, dem Fürstlich Rotenburgischen Amt Eschwege sowie aus den Ämtern Bischhausen, Bilstein, Germerode, Wanfried und Netra gebildet und zählte 34.551 Einwohner. Beide Kreise zusammen hatten somit 59.608 Einwohner. Im gesamten Kurfürstentum Hessen lebten damals 578.501 Menschen, davon 23.296 in der Residenzstadt Kassel.
Im Organisationsedikt vom 29. Juni 1821 wurde auch die Personalausstattung der neuen Behörden festgelegt. Wörtlich heißt es dazu: "Die Geschäfte der Verwaltung des Innern in jedem Kreise werden durch einen Kreisrath besorgt, welcher hauptsächlich der Regierung, zugleich aber auch den neben denselben fortbestehenden höheren Behörden des Innern untergeordnet ist. Ihm wird ein Sekretär, welcher nöthigenfalls dessen Stelle vertritt, nebst einem oder zwei Schreibern und einem Landbereiter, beigegeben, auch wird hinsichtlich der Militär- Angelegenheiten durch das General-Kriegs-Departement für die etwa weiter erforderliche Beihülfe gesorgt."
Dem Kreisrat fiel eine Fülle von Aufgaben zu. Dazu gehörten: die Erstellung und Fortführung einer statistischen Beschreibung, die Wahrung der Hoheits- und Landesgrenzen, die Sicherheits- und Ordnungspolizei, die Armen- und Sittenpolizei, Straßenpolizei und Straßenbau, Gesundheitspolizei, Schul- und Erziehungswesen, Förderung von Landwirtschaft, Gewerbe und Handel, Lenkung und Beaufsichtigung der Gemeinde-Verwaltungen, Aufsicht über milde Stiftungen, Miltärangelegenheiten wie Rekrutierung und Einquartierung, Überwachung der "besonderen Verhältnisse der Israeliten" sowie "alle übrigen vorkommenden Geschäfte der allgemeinen Landesverwaltung". Nach Erlass der kurhessischen Gemeindeordnung vom 23. Oktober 1834 reduzierte sich dies auf eine bloße Aufsicht über die neu geschaffenen gemeindlichen Organe der Selbstverwaltung. Dem Kreisrat standen zunächst nur ein Sekretär als Vertreter, zwei Schreiber und ein Kreisbereiter zur Seite, der sozusagen im Außendienst tätig war.
Die Kreisräte wurden nach Veröffentlichung am 29. September 1821 ernannt und dürften ihren Dienst kurz darauf angetreten haben.
Erster Amtsinhaber in Eschwege wurde Friedrich Meisterlin (25.021780-29.061847), vorher Amtmann in Veckerhagen; er wechselte schon Anfang 1823 in derselben Funktion nach Hofgeismar, wurde Ende April 1824 zum Finanzkammerrat in Kassel ernannt und stieg im September 1835 zum Direktor der Ober-Finanzkammer auf. Die Ernennung des bisherigen Amts-Aktuars Cranz aus Bischhausen zum Kreissekretär in Eschwege erfolgte am 14. November 1821. Am 30. Januar 1822 erfolgte die Ernennung des bisher im 3. Linien-Infanterie-Regiment gestandenen Bataillonsschreibers Kehr zum Kreisbereiter. Am 3. April 1822 wurde der Candidat der Rechte Dirks zum Kreisamts-Praktikanten ernannt. Am 24. September 1823 zeichnete in Vertretung der Kreissekretär Cranz. Bei der Geburt von dessen Sohn am 9. März 1824 fungierte der Kammerrath Friedrich Meisterlin als Pate. Cranz wurde am 22. Mai 1824 zum Kreisrat in Homberg befördert.
Meisterlins Nachfolger Kreisrat Johann Christian Schmitten starb am 2. September 1829 in Eschwege im Alter von 54 Jahren 9 Monaten und 2 Tagen. Seine neun Kinder drückten in einem Nachruf im Wochenblatt für die Provinz Niederhessen ihre tief empfundene Trauer aus, zumal der Tod der Mutter auch noch nicht lange zurücklag.
Der Nachfolger Friedrich Gottlieb Rohde (14.12.1777-27.11.1863) trat sein Amt wohl schon 1829 an und hatte vorher das gleiche Amt in Melsungen inne; 1835 ging er in dieser Funktion nach Marburg bis zu seiner Pensionierung 1848. Im Juni und Juli 1835 wurde der Landrat durch den Kreissekretär Renner vertreten. Dieser wurde Ende März 1837 nach Schmalkalden versetzt. Erst nach einem Jahr, im April 1838, wurde die Stelle erneut ausgeschrieben und am Jahresende mit Thomas Boch aus Hanau neu besetzt.
Am 23. Oktober 1834 wurde eine neue Gemeindeordnung für das Kurfürstentum verfasst, womit den Gemeinden mehr Selbständigkeit zugestanden wurde. Die darin vorgeschriebenen Wahlen der Gemeindebehörden fanden meist erst 1835 statt. Mit Bezug auf die Rangordnung vom 26. November 1834 verordnete Kurprinz Friedrich Wilhelm Anfang Dezember 1834, dass die Kreisräte künftig die Bezeichnung "Landräthe" führen sollten.
Elard Wilhelm von Ende (7.3.1800 Netra - 19.9.1843 Eschwege) zeichnete am 22. Juli 1835 mit "v. A.", erhielt seine Bestellung zum Landrat aber erst im November 1835. Er war schon seit 1831 in Eschwege als Justizbeamter tätig gewesen und blieb Landrat bis zu seinem Tode im Jahr 1843. Er wohnte zunächst am Marktplatz, später Hinter den Scheuern. Ab Ende 1842 war er bereits aus gesundheitlichen Gründen verhindert und wurde von Kreissekretär Boch vertreten. Ende Juni 1843 ging der Kreissekretär Thomas Boch nach Hofgeismar und der dortige Kreissekretär Carl Wilhelm wechselte nach Eschwege, um die Aufgaben des erkrankten Landrats mit wahrzunehmen. Nach dessen Tod übernahm er eine Zeit lang dessen Geschäfte; am 19. Dezember 1843 zeichnete er z. B. für den Landrat verantwortlich.
Der Bau-Eleve Carl Ruhl wurde Ende März 1841 zum Bau-Commissar für den Kreis Eschwege bestellt. Am 15. Mai 1844 wurde der bisherige Landrat von Hofgeismar, Georg Philipp Giesler (geb. 22.5.1779 Melsungen), im Alter von 65 Jahren nach Eschwege versetzt. Kreissekretär Rohde unterzeichnete die Verfügungen der Behörde aber noch am 5. Juni 1844, und spätestens ab August versah Giesler die Amtsgeschäfte. Er ließ sich im Februar, März und April 1845 durch Rohde vertreten. Mit Verfügung vom 15. März 1845 wurde Rohde zur Regierung in Kassel versetzt; auf ihn folgte Anfang Mai Otto Süs, bisher Kreisamts-Praktikant in Rinteln. In der Folgezeit vertrat er den Landrat sehr häufig, bis dieser am 15. Mai 1847 auf eigenes Ansuchen in den Ruhestand versetzt wurde. Danach unterzeichnete Süs als "Kreisamts-Verweser"; er wurde Anfang 1849 zum zweiten Verwaltungsbeamten in Kassel befördert.
Mit Beginn des Jahres 1848 wurde der bisherige Regierungssekretär Carl August Friedrich Groß (19.10.1812 Zierenberg- 3.2.1892 Eschwege) zum Landrat des Kreises Eschwege bestellt.
In Witzenhausen beginnt die Reihe mit Wilhelm Karl Philipp Bockwitz (12.11.1784 - 23.9.1857). Er war vorher Amtmann in Volkmarsen gewesen, verließ Witzenhausen 1832 und war später Landrat und Regierungsrat in Kassel. Mit Verfügung vom 1. Dezember 1821 wurde der bisherige freiwillige Jäger Johann Ludwig Merrem von Hanau zum Kreissekretär in Witzenhausen ernannt. Am 30. Januar 1822 erfolgte die Ernennung des bisherigen Landbereiters Salzmann zu Großalmerode zum Kreisbereiter.
Am 23. Februar 1822 wurde Kreisrat Bockwitz erstmals wegen der anstehenden Militäraushebungen mit einer amtlichen Bekanntmachung tätig. Am 7. April 1822 rief er die nicht erschienenen Militärpflichtigen zur Meldung auf, und am folgenden Tag gab er den Fund einer weiblichen Leiche in der Werra bei Kleinvach bekannt. Anfang Mai 1832 wurde Bockwitz die Stelle des Kreisrats in Kassel übertragen.
Auf ihn folgte Karl Michael Heuser (8.6.1788 Niederaula - 17.6.1846 Witzenhausen), der zuvor Kreisrat in Wolfhagen gewesen war. Der Kreissekretär Ferdinand König wurde Ende März 1845 von Witzenhausen nach Kassel versetzt. Auf ihn folgte Anfang Juni Ludwig Carl von Oeynhausen aus Hünfeld, der bis auf weiteres die Stelle vertrat. Im November 1847 wurde er als Assessor zur Regierung in Kassel versetzt.
1848 und die Folgen: Demokratisches Zwischenspiel
Im Zusammenhang mit der Märzrevolution 1848 wurde auch die kurhessische Verwaltung umgestaltet. Durch Gesetz vom 31. Oktober 1848 und Verfügung vom 22. Dezember 1848 trat an die Stelle des Kreisamts ein Verwaltungsamt. Die Verwaltungsämter Eschwege und Witzenhausen bildeten nun einen Verwaltungsbezirk mit dem Sitz in Eschwege. Die Neuordnung wurde schon nach zweieinhalb Jahren per Verordnung vom 7. Juli 1851 revidiert. Das Kreisamt wurde als Landratsamt wiederhergestellt und übernahm die Aufgaben des Kreisamts und der Polizeikommissionen. Die Veränderungen schlagen sich auch in der Stellenbesetzung nieder. Zum Referenten des Bezirks Eschwege wurde Anfang 1849 der Regierungsrat Adrian von Specht ernannt. Kurz darauf folgten die Ernennungen von Bickell zum Repositar und Probator sowie zu Kanzlisten die bisherigen Regierungskanzlisten Simon aus Fulda und Ital aus Kassel. Landrat Groß wurde Anfang 1849 zum ersten, der Kreisamts-Praktikant Ignatz Wilhelm Stöhr aus Fulda zum zweiten Verwaltungsbeamten bestellt.
Laut Ausschreiben des Innenministeriums vom 29. Januar 1849 wurden die Verwaltungsämter unter "thunlichstem Anschlusse an die seitherige Kreiseintheilung" gebildet. Das Verwaltungsamt Eschwege umfasste die Ämter Eschwege I und II, Abterode, Bischhausen, Netra und Wanfried; zum Verwaltungsamt Witzenhausen zählten die Ämter Witzenhausen, Allendorf, Großalmerode und Lichtenau. Beide bildeten zusammen den Bezirk Eschwege. Der Bezirksrat für den oberen Verwaltungsbezirk Eschwege wählte am 9. Februar 1849 zu Mitgliedern des Bezirks-Ausschusses: Amtmann Wilke zu Netra, Gutsbesitzer Pfeiffer zu Ermschwerd, Fabrikant Mangold zu Witzenhausen, Advokat Block zu Allendorf, Gutsbesitzer Euler zu Bischhausen und Fabrikant Gottlieb zu Waldkappel. Der aus sechs Mitgliedern bestehende Bezirksrat war beratend für den Landrat tätig und bestand bis zu Beginn der Preußischen Zeit 1867. Ab 7. April 1849 erschien an jedem Sonnabend für den oberen Verwaltungsbezirk Eschwege an Stelle des Wochenblattes für die Provinz Niederhessen als offizielles Blatt das "Wochenblatt für den Verwaltungs-Bezirk Eschwege", unter Aufsicht und Leitung des Bezirks-Vorstandes. Die Bekanntmachungen wurden vom Bezirksdirektor Otto Heinrich Julius Leopold Volmar unterzeichnet, nicht mehr vom Landrat.
In der Nacht vom 31. Januar auf den 1. Februar 1849 wurde in das Kreisamt in Eschwege eingebrochen und der "kreisamtliche Depositenkasten", der stark mit Eisen und Schlössern bewehrt war, samt seinem Inhalt von 113 Thalern 22 Silbergroschen und 1 Heller gestohlen.
Landrat Carl Wilhelm Bickell (18.12.1796 - 30.11.1864) wurde am 15. März 1848 zum Landrat in Witzenhausen berufen, nachdem er vorher Kreissekretär in Marburg gewesen war. Zur selben Zeit kam Eduard von Baumbach, vorher in Melsungen, als Kreissekretär nach Witzenhausen. Als "Dienstfahrzeug" dienten dem Landrat offenbar zwei Pferde; im Juni 1851 wollte er zwei alte verkaufen und zwei neue anschaffen.
Für das Kurfürstliche Verwaltungsamt unterzeichnet am 7. / 9. Mai 1849 v. Bischoffshausen.
Im Zuge der Verwaltungsreform 1848 wurden Anfang 1849 der Landrat Carl Wilhelm Bickell als Landrat zum ersten und der Kreissekretär Eduard von Baumbach zum zweiten Verwaltungsbeamten bestellt. Ende 1849 wurde für den oberen Verwaltungsbezirk Eschwege eine Spar- und Vorschusskasse gegründet, deren Wirksamkeit mit dem 1. Januar 1850 beginnen sollte.
Nach Auflösung der Ständeversammlung im August 1850 verhängte Kurfürst Friedrich Wilhelm am 7. September 1850 den Kriegszustand über das Kurfürstentum Hessen, um den drohenden "anarchischen Zuständen" zu begegnen, die nicht zuletzt durch "die fort und fort sich steigernde verbrecherische Frechheit der Tagespresse" geschürt würden. Dies führte auch in unserer Region zu Veränderungen. Der Eschweger Bezirksdirektor Volmar wurde im Oktober 1850 zum Geheimen Rath und Vorstand des Finanzministeriums ernannt; letztere Aufgabe gab zur selben Zeit der Staatsminister Hassenpflug wieder ab. Für den Bezirksvorstand unterschrieb nun von Specht. Um Ruhe und Ordnung in seinem Lande sicher zu stellen, rief der Kurfürst am 28. Oktober 1850 Bundestruppen zu Hilfe. Am 4. November 1850 tagte der Bezirksrat des oberen Verwaltungsbezirks Eschwege mit einer langen Tagesordnung, die keinen Einfluss der aktuellen Ereignisse erkennen lässt. Zum Jahresende sah sich der "Civil-Commissar des deutschen Bundes für die kurhessischen Angelegenheiten", von Leiningen, veranlasst, den Eschweger Bezirksdirektor von Specht darauf hinzuweisen, welche Zeitungen inzwischen verboten waren; angeblich war deren Verbreitung im Raum Eschwege "nicht vollständig gehindert worden".
Im April 1851 wurde der Erste Verwaltungsbeamte Carl August Friedrich Groß nach Rotenburg versetzt, während seine Stelle der Erste Verwaltungsbeamte Otto Klingelhöfer, bisher in Ziegenhain, einnahm. Am 1. August 1851 machte die jüdische Gemeinde Eschwege bekannt, dass das Gemeindehaus in der Berggasse ab 1. Oktober "durch das Eingehen der Bezirksdirectionen" wieder zur Verfügung stehe; offenbar war es von der Bezirksverwaltung angemietet worden.
Auf Beschluss des Innenministeriums vom 13. September 1851 wurden die Bezirkswochenblätter wieder durch Provinzial-Wochenblätter ersetzt, welche mit dem 20. September 1851 ihren Anfang nahmen. Es erschienen ab nun jeweils ein Wochenblatt für die Landkreise Eschwege und Witzenhausen. Gleichzeitig wurde der Regierungsrat und bisherige Vorsitzende des Bezirksrates Jacob Wilhelm Adrian von Specht zum Landrat in Eschwege ernannt. Landrat Carl Wilhelm Bickell wurde von Witzenhausen nach Wolfhagen versetzt; an seine Stelle trat der Regierungs-Assessor Ludwig Carl von Oeynhausen aus Hanau, der 1845-1847 hier schon als Kreissekretär tätig gewesen war.
1851-1866
Damit waren die beiden Landkreise wieder verwaltungsmäßig getrennt. Die Bezirksräte bestanden weiter, nun aber auf beide Kreise verteilt; für den Kreis Eschwege wurden im November 1851 neue Mitglieder gewählt. Im April 1852 wurde die Stelle des Kreissekretärs in Witzenhausen mit Wilhelm von Bischoffshausen zunächst provisorisch besetzt.
Im Februar 1853 wurde der Eschweger Landrat von Specht zum Regierungs-Commissar für die Grafschaft Schaumburg ernannt, im März jedoch schon zum Brunnendirektor in Bad Nenndorf berufen. Die Vertretung übernahm zunächst Kreissekretär Nordmann, bis im November 1853 der Regierungsrat Carl Friedrich von Stiernberg (22.7.1806 Hanau - 7.9.1891 Kassel) zum Landrat für den Kreis Eschwege bestimmt wurde. Im Herbst 1854 wurden die Bezirksräte auf drei Jahre neu gewählt, und zwar getrennt für beide Kreise. Im Mai 1855 wurden für die bevorstehende Landtagswahl Kommissare für die Bezirke festgelegt, wobei für die Kreise Eschwege und Witzenhausen gemeinsam der Eschweger Landrat v. Stiernberg zuständig war.
Im Juni 1855 wurde der Regierungs-Assessor Eduard von Göddaeus aus Kassel zum Landrat für den Kreis Witzenhausen bestellt. Im März 1856 wurde er zum Legationsrat und vortragenden Rat im Ministerium des Kurfürstlichen Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten ernannt. Zu seinem Nachfolger wurde im Mai der Regierungsrat Adam Heinrich Wilhelm Uloth (geb. 1.3.1804), von 1846-1850 Oberbürgermeister in Marburg und danach Landrat in Kirchhain, bestimmt, nachdem er bereits seit Jahresanfang 1856 hier tätig war; er erhielt ein Jahresgehalt von 1.100 Reichstalern.
Ende August 1856 wurde der Justizbeamte Henkel in Bischhausen zum Stellvertreter des Landrats in Eschwege für den Amtsbezirk Bischhausen "in Noth- und Eilfällen" bestellt. Der Witzenhäuser Kreissekretär Wilhelm v. Bischoffshausen ging Ende November 1856 nach Rotenburg; für ihn kam der bisherige Praktikant Richard Wilhelm Philipp Schulz aus Fulda. Zum Jahresende 1856 wurde der Justizbeamte Hoefle zu Netra zum Stellvertreter des Landrats in Not- und Eilfällen für das Justizamt Netra bestellt.
Die Kreise Eschwege und Witzenhausen im Kaiserreich (1866-1918)
Nach dem Anschluss Kurhessens an Preußen wurde aus dem bisherigen Bezirksrat der Kreistag, zu dem Vertreter der Städte und Gemeinden, der Stände und Großgrundbesitzer gehörten. Er konnte über Finanzen, Baumaßnahmen und Mitwirkung bei der Kommunalaufsicht Beschlüsse fassen. Die Kreisverfassung im Gebiet des Regierungsbezirks Kassel wurde per Verordnung vom 9. September 1867 festgelegt. Jeder Kreis bildete einen kreisständischen Verband, deren Organ die Kreisstände darstellten. Die Kreisstände versammelten sich auf Kreistagen und waren berufen, die Funktionen der bisherigen Bezirksräte im ehemaligen Kurfürstentum Hessen auszuüben, vor allem im Hinblick auf die Mitaufsicht über die Kommunalverwaltung der einzelnen Gemeinden. Die Kreisversammlung wurde gebildet aus Abgeordneten der Städte und Landgemeinden sowie von Grundbesitzern mit einem Grundsteuer-Reinertrag über 1.000 Talern. Der Landrat beruft den Kreistag, führt den Vorsitz und leitet die Verhandlung. Die Beschlüsse der Kreisversammlung hat er auszuführen. Die kommunalständische Verfassung im Gebiet des Regierungsbezirks Kassel wurde durch Verordnung vom 20. September 1867 geregelt.
Die erste Wahl zum deutschen Reichstag fand am 3. März 1871 statt. Von den 5.844 gültigen Stimmen in den Wahlbezirken der Kreise Eschwege, Witzenhausen und Schmalkalden entfielen 4.662 auf den Direktor der Landeskreditkasse in Kassel, Dr. Richard Harnier (18.6.1820 - 17.10.1885). Harnier hatte schon zuvor dem konstituierenden Reichstag und dem Reichstag des Norddeutschen Bundes angehört und war Mitglied der Nationalliberalen Partei. Er vertrat den hiesigen Wahlkreis auch nach den folgenden drei Reichstagswahlen bis 1881. Mit der Wahl des Rechtsanwalts Carl Frieß am 27.10.1881 wurde der Wahlkreis erneut von einem liberalen Kandidaten vertreten. Wahlkommissar für den 4. Wahlkreis war der Eschweger Landrat Groß. Bei der nächsten Reichstagswahl am 28. Oktober 1884 unterlag Frieß dem konservativen Gutsbesitzer Hermann von Christen (5.3.1841-26.9.1919) aus Werleshausen, der den Wahlkreis bis 1910 in fünf Legislaturperioden vertrat und nur bei der Wahl von 1893 sich dem Kandidaten der antisemitischen Deutschsozialen Partei Hans Leuß geschlagen geben musste.
Erst ab etwa 1880 wurde in Hessen die Position des Landrats der gleichnamigen preußischen Institution angeglichen. Der Landrat war nun nicht nur Leiter der allgemeinen Landesverwaltung im Kreisgebiet, sondern als Vorsitzender des Kreistags und des Kreisausschusses zugleich Leiter der Kreiskommunalverwaltung. Gleichzeitig wurde ein Kreisausschuss gebildet, der aus sechs Mitgliedern bestand, die Beschlüsse des Kreistages vorbereitete und sie ausführte. Dabei waren die Aufgaben um die Aufsicht über das Versicherungswesen, Steuerveranlagung, Energieversorgung und Fortbildungsschulen erweitert worden.
Kreis Eschwege
Anfang 1861 wurde der Eschweger Landrat meistens vom Kreissekretär Nordmann vertreten. Im August 1861 wurde der bisherige Landrat in Ziegenhain Carl August Friedrich Groß (19.10.1812 - 3.2.1892) wieder nach Eschwege versetzt, wo er bis zu seinem Ruhestand 1885 eine lange Amtszeit verblieb, auch über die Eingliederung Hessens an Preußen 1866 hinweg. Seine Ernennung in preußischer Zeit erfolgte am 28. März 1868. Zu seinem 50-jährigen Dienstjubiläum am 29. April 1885 wurde für den "verehrten Jubelgreis" sogar ein Gedicht in der Zeitung veröffentlicht. Nach seinem Ruhestand zog Groß in das Haus An den Anlagen 2, wo er am 3. Februar 1892 verstarb. Das "Eschweger Tageblatt" würdigte ihn mit einem Nachruf, die Kreisverwaltung mit einer großen Todesanzeige.
Am 22. April 1874 traten die nachfolgend genannten Mitglieder der Kreisstände zum Kreistag zusammen:
- Moritz von Eschwege, Rittergutsbesitzer zu Reichensachsen
- Rudolf von Keudell, Rittergutsbesitzer zu Schwebda
- Eduard von Hundelshausen, Rittmeister a.D. zu Friemen
- von Boyneburgk, Rittergutsbesitzer zu Wichmannshausen
- von Kutzleben, Rittergutsbesitzer zu Willershausen
- Domainen-Rentmeister Friedrich Heinrich Bell aus Eschwege
- Lederfabrikant Georg Christoph Döhle aus Eschwege
- Kaufmann Ernst Friedrich Heinemann aus Eschwege
- Bürgermeister Rauschenberg aus Aue
- Vize-Bürgermeister Strauß aus Grebendorf
- Bürgermeister Menthe aus Eltmannshausen
- Bürgermeister Schönewolf aus Germerode
- Bürgermeister Brehm aus Abterode
Nachfolger von Landrat Groß wurde Emil Grimm aus Marburg (geb. 30.11.1853) zunächst kommissarisch ab Dezember 1885, fest dann erst ab 4. August 1886. Er hatte dieses Amt bis Ende August 1893 inne und ging dann als Regierungsrat zur Königlichen Regierung in Trier. Schon am 1. September erfolgte die Abmeldung dorthin.
Am 5. Dezember 1885 fand die erste Kreistagswahl nach der neuen Kreisordnung statt. Die Stadt Eschwege konnte danach vier Abgeordnete bestimmen; es waren dies Bürgermeister Friedrich Ernst Gebhard, Kaufmann Ernst Friedrich Heinemann, Justizrat Friedrich Ebel und Lederfabrikant Carl Döhle. Die Landgemeinden entsandten acht Abgeordnete: Oekonom Christoph Munk in Datterode, Oekonom Wilhelm Thon in Albungen sowie die Bürgermeister Adam Dietzel aus Weißenborn, Jakob Schönewolf aus Germerode, Eduard Wilhelm Kühnemuth aus Frankershausen, Carl Krause aus Neuerode, Adam Schäfer aus Burghofen und Johannes Roßbach aus Nesselröden. Auch die "größeren Grundbesitzer und Gewerbetreibenden" entsandten acht Abgeordnete: Oberamtmann Heinrich Vaupel aus Niederhone (als Vertreter des Fiskus), Obervorsteher von Schutzbar genannt Milchling zu Hohenhaus, Jagdjunker a.D. Moritz von Eschwege zu Reichensachsen, Rittergutsbesitzer Carl Xaver von Scharfenberg zu Kalkhof bei Wanfried, Gutsbesitzer Carl Heckmann zu Mönchhof, Oekonom Theodor Bierschenk aus Wichmannshausen, Oekonom und Mühlenbesitzer Wilhelm Vaupel aus Eltmannshausen und Weinhändler Peter Hupfeld aus Weidenhausen. In den Kreistag kamen noch die beiden Fabrikanten Peter Israel aus Wanfried und Mühlenbesitzer Theodor Bierschenk aus Waldkappel. Der Kreistag wählte am 13. März 1886 folgende Mitglieder in den Kreisausschuss: Jagdjunker a.D. Moritz von Eschwege, Reichensachsen; Oekonom Wilhelm Vaupel, Eltmannshausen; Kaufmann Ernst Friedrich Heinemann, Eschwege; Fabrikant Peter Israel, Wanfried; Oekonom Theodor Bierschenk, Wichmannshausen; Bürgermeister Carl Krause, Neuerode.
Am 15. November 1888 bestimmte die Stadt Eschwege den neuen Bürgermeister Heinrich Vocke und den Lederfabrikanten Hermann Weymar für die beiden frei gewordenen Sitze. Am 29. November wurden auch die Ergänzungswahlen für die Großgrundbesitzer und Landgemeinden gewählt; es waren dies Gutsbesitzer Carl Heckmann zu Mönchhof, Jagdjunker a.D. Moritz von Eschwege zu Reichensachsen und Rittergutsbesitzer Rexerodt zu Röhrda sowie die bereits früher benannten Bürgermeister von Frankershausen, Germerode und Nesselröden; neu hinzu kam der Gutsbesitzer Martin Mench aus Reichensachsen. Für den verstorbenen ehemaligen Eschweger Bürgermeister Gebhard rückte am 3. Februar 1890 der Lederfabrikant Ernst August Döhle nach.
Der Regierungs-Assessor Alexander von Keudell (16.8.1861-24.6.1939) übernahm das Amt zunächst ab September 1893 kommissarisch. Auf Aufforderung des Regierungspräsidenten machte der Kreistag am 11. Januar 1894 von seinem Vorschlagsrecht Gebrauch und brachte v. Keudell für das Amt in Vorschlag, woraufhin die Amtseinführung am 1. März 1894 erfolgte. Alexander von Keudell entstammte einem alteingessenen Adelsgeschlecht aus Schwebda und hatte am 23. Juni 1888 Luise Henschel, die Tochter des Lokomotivfabrikanten Oskar Henschel in Kassel geheiratet. Zu dem bestehenden Einfluss der Familie in der Region kam hierdurch ein weiterer Machtfaktor hinzu, der sich nicht zuletzt im Bau des Schlosses Wolfsbrunnen (1904-1906) offenbarte. Keudell gilt als besonderer Förderer der Landwirtschaft, aber auch des Straßen- und Eisenbahnbaus. Von 1895-1930 war er Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisvereins, wurde 1905 Mitglied der Landwirtschaftskammer und 1917 deren Präsident. Politisch orientierte er sich an der Deutschkonservativen Partei und kandidierte für diese im Preußischen Landtag. In seine Amtszeit fällt der Erwerb des Landgrafenschlosses vom Staat an die Kreisverwaltung im Jahr 1906.
Nach den Kreistagswahlen kam der neue Kreistag am 26. November 1904 zu seiner ersten Sitzung unter Vorsitz des Landrats zusammen. Ihm gehörten weiterhin an:
- Bürgermeister Heinrich Vocke aus Eschwege als Kreisdeputierter
- Königlicher Kammerherr Carl Xaver von Scharfenberg zu Wanfried
- Rittergutsbesitzer Otto Freiherr von und zu Gilsa zu Völkershausen
- Oekonomierat Karl Rexerodt zu Kassel
- Rittergutsbesitzer Georg Wilhelm Heinrich Thon zu Albungen
- Fabrikant Ernst Bartholomäus aus Eschwege
- Sanitätsrat Dr. Gustav Brill aus Eschwege
- Fabrikant Ernst August Döhle aus Eschwege
- Justizrat Albert Meinshausen aus Eschwege
- Fabrikant Arthur Israel aus Wanfried
- Gutsbesitzer Steinmetz aus Herleshausen
- sowie die Bürgermeister
- Meister aus Waldkappel
- Hesse aus Aue
- Siemon aus Burghofen
- Kühnemuth aus Frankershausen
- Schönewolf aus Germerode
- Krause aus Neuerode und
- Mohr aus Hoheneiche.
Dem neu gewählten Kreistag gehörten am 16. Februar 1910 die Gutsbesitzer Thon aus Albungen und Steinmetz aus Herleshausen sowie Bürgermeister Meister, Fabrikant Schilbe und Rentner Schäfer nicht mehr an. Stattdessen werden genannt: aus Eschwege Gutsbesitzer Fritz Gebhard, Rentner Julius Döhle und Kaufmann Otto Junghans, aus Waldkappel Kaufmann Braun und aus Reichensachsen Gutsbesitzer Beyer. Im Kreistag von 1913 fehlten der Ökonomierat Rexerodt, Fabrikant Bartholomäus und Kaufmann Braun; neu waren der Gutsbesitzer Dr. Weigel von Frankershausen, der Fabrikant Georg Brill aus Eschwege und Bürgermeister Küschall aus Waldkappel.
Alexander von Keudell kündigte nach den politischen Umwälzungen 1918/1919 in der Kreistagssitzung vom 3. April 1919 seinen Rücktritt an, nachdem er noch einige Monate "in treuer Pflichterfüllung auf seinem Posten ausgeharrt" hatte. Die erste Sitzung des neuen Kreistags fand noch unter seiner Leitung statt. Der Kreistag bestand an diesem Tag aus folgenden 19 Mitgliedern, die letztmalig die alten Machtverhältnisse repräsentieren:
- Bürgermeister Dr. Fritz Stolzenberg, Eschwege, zugleich Kreisdeputierter
- Freiherr Otto von und zu Gilsa, Völkershausen
- Rittergutsbesitzer von Eschwege, Reichensachsen
- Oberamtmann Gebhard, Eschwege
- Fabrikant Ackermann, Eschwege
- Fabrikant Bartholomäus, Eschwege
- Fabrikant Döhle, Eschwege
- Fabrikant Hochhuth, Eschwege
- Fabrikant Weber, Eschwege
- Kaufmann Braun, Waldkappel
- Bürgermeister Keßler, Wanfried
- Bürgermeister Hesse, Aue
- Bürgermeister Carl Krause, Neuerode
- Bürgermeister Hoßbach, Rittmannshausen
- Bürgermeister Kersten, Schemmern
- Bürgermeister Schönewolf, Germerode
- Bürgermeister Zimmermann, Frankenhain
- Landwirt Beyer, Reichensachsen
- Landwirt Steinmetz, Herleshausen
Kreis Witzenhausen
Adam Heinrich Uloth wurde am 7.11.1867 zum Abgeordneten der 2. Kammer für den Landkreis Kassel gewählt. Nachfolger Uloths wurde am 27. März 1868 der bisherige Landrat von Wolfhagen, Thomas Boch (23.6.1810-20.8.1875), der von 1838-1843 Kreissekretär in Eschwege gewesen war. Dort hatte er am 26. November 1840 Caroline Friederike, die Tochter des Orgelbauers Eobanus Friedrich Krebaum geheiratet. Thomas Boch war eines der am härtesten betroffenen Opfer der politischen Umwälzungen von 1850/1851 gewesen und hatte danach über zehn Jahre lang ohne Einkommen bei der Familie seiner Frau gelebt. Boch zog Ende April 1868 von Wolfhagen nach Witzenhausen und erhielt 1.200 Taler Jahresgehalt. Er starb am 20. August 1875 in Witzenhausen an einem Schlaganfall.
Nachdem die Geschäfte kurzzeitig von dem Kreissekretär Sandrock geleitet worden waren, wurde die Stelle des Landrats am 23. Oktober 1875 dem bisherigen Landrat von Frankenberg, Christian Ludwig Friedrich Ernst Bernstein (12.1.1818-20.5.1886), übertragen, der seinen Dienst am 15. November antrat. Er war in seiner Amtszeit häufig krank bzw. in Kur. Vor seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienst Ende März 1884 wurde ihm der Titel "Geheimer Regierungsrath" verliehen.
Ihm folgte mit Ernennung am 10. September 1884 Bernhard von Schenck nach, der bereits seit dem 27. März 1884 zunächst kommissarisch tätig gewesen war. Seine Amtszeit ist durch viele Urlaube und Vertretungen gekennzeichnet, zumal er gleichzeitig Mitglied im Provinziallandtag war. Im Verwaltungsbericht von 1887 trifft er die Feststellung: "Die allgemeine finanzielle Lage des Kreis-Communalverbandes ist eine recht günstige." Der Kreis zählte damals 29.348 Einwohner, davon 305 Juden, 276 Katholiken und 163 Religionslose. Sämtliche 84 Schulstellen waren besetzt, 5.642 Schüler besuchten die Schulen des Kreises.
Die Zusammensetzung des Kreistages am 1. März 1886 ist beispielhaft für die Verteilung von Mitsprache im Rahmen des Dreiklassenwahlrechtes. Dem Kreistag gehörten 19 Abgeordnete an, dazu kam als Vorsitzender Landrat v. Schenck. Sechs Vertreter aus der Reihe der Höchstbesteuerten waren sämtlich Gutsbesitzer, davon die meisten adliger Herkunft: Graf Karl von Berlepsch auf Schloss Berlepsch, Geheimer Regierungsrat William Mordian Arthur von Bischoffshausen zu Kassel, Forstmeister Emil von Buttlar-Ziegenberg zu Kassel, Landes-Direktor Eduard von Hundelshausen zu Kassel, Ökonomierat Andreae zu Büxleben und Gutsbesitzer Löbbecke zu Kassel. Es fällt auf, dass die meisten der Genannten gar nicht im Kreis Witzenhausen wohnten, dort aber große Güter besaßen. Als zweite Interessengruppe waren die Bürgermeister mit 10 Sitzen gut vertreten: v. Lorentz aus Witzenhausen, Oeste aus Allendorf, Lange aus Sooden, Rüppel aus Großalmerode, Klebe aus Walburg, Bertling aus Ellingerode, Brübach aus Oberrieden, Demme aus Berge, Gunkel aus Wickenrode und Hose aus Hausen. Sie werden vermutlich auch die Interessen der "kleinen Leute" auf den Dörfern vertreten haben. Die Gruppe der Beamten und Handwerker war mit nur drei Sitzen repräsentiert: Oberförster Ide aus Witzenhausen, Gastwirt und Bierbrauer Müller von dort und Metzger Schmidt aus Allendorf.
Im Kreisausschuss, dessen Protokolle ab 2. April 1886 erhalten sind, saßen zu Beginn (unter Vorsitz des Landrats v. Schenck): Graf Karl von Berlepsch, bis März 1887; Gutsbesitzer Löbbecke bis November 1889, danach ausgeschieden wegen Verkauf seines Gutes; ferner die vier Bürgermeister v. Lorentz aus Witzenhausen (bis Anfang 1905), Möller aus Hess. Lichtenau (bis zum Tod am 3. März 1889), Lange aus Sooden (bis 1901) und Gunkel aus Wickenrode (bis Ende 1891). Von April 1887 bis Ende 1903 gehörte der Geheime Regierungsrat William von Bischoffshausen dem Kreisausschuss an, von 1889-1901 der Oberförster und zeitweilige Bürgermeister Jung aus Harmuthsachsen, Bürgermeister Löber aus Hess. Lichtenau von 1890-1899 und Freiherr Erich von Bodenhausen von 1892-1914.
Von Schenck wurde am 7. August 1895 mit der kommissarischen Verwaltung des Landkreises Hanau beauftragt, kurz darauf auch mit der Stelle des landesherrlichen Kommissars beim dortigen israelitischen Vorsteheramt. Die Versetzung nach Hanau erfolgte aber offenbar erst im Februar des folgenden Jahres. In von Schencks Amtszeit, in den Jahren 1889-1891, erfolgte der Neubau eines Verwaltungsgebäudes für den Kreis nördlich der Altstadt nach Plänen des sehr bekannten und bedeutenden Baumeisters Franz Schwechten (12.8.1841-11.8.1924). Es entsprach den damaligen Anforderungen und enthielt einen Saal für den Kreisausschuss, Büroräume für die Mitarbeiter und nicht zuletzt die Dienstwohnung für den Landrat. Der repräsentative Bau wurde im September 1891 eingeweiht.
Mit Heinrich (Heino) Edwin Mordian von Bischoffshausen (26.11.1855-25.2.1933) gelangte, nahezu zeitgleich wie Alexander v. Keudell in Eschwege, auch in Witzenhausen ein Angehöriger des örtlichen Adels auf den Posten des Landrats. Damit war hier wie dort eine konservativ ausgerichtete Politik verbunden. Er erhielt die Stelle zunächst kommissarisch ab 9. September 1895, definitiv dann am 23. Mai 1896. Wie seinem Kollegen in Eschwege lag auch ihm die landwirtschaftliche Entwicklung am Herzen. Die Viehzählung vom 1. Dezember 1897 ergab für den Kreis Witzenhausen einen Bestand von 1.510 Pferden, 8.816 Stück Rindvieh, 15.759 Schafen, 12.777 Schweinen und 6.509 Ziegen. Nahezu 1.000 Menschen waren in der Tabakindustrie beschäftigt, und es herrschte ein Mangel an Arbeitskräften, so dass z. B. im Jahr 1900 115 Arbeiter aus Polen eingesetzt waren. Der Landkreis Witzenhausen bestand um 1900 aus 4 Städten, 56 Landgemeinden und 23 Gutsbezirken. 1900 waren 17 Landgemeinden ans Fernsprechnetz angeschlossen, Ende 1905 schon 37. Die Einwohnerzahl überstieg um 1900 die Grenze von 30.000.
War das Dienstfahrzeug des Landrats 1911 noch eine zweispännige Kutsche, so hatte er bis 1915 dann doch einen eigenen Kraftwagen angeschafft, den er auch dienstlich benutzte. Im August 1917 gab er seinen Dienst auf und ging nach Ratibor.
Die Kreise Eschwege und Witzenhausen zur Zeit der Weimarer Republik und des "Dritten Reiches" 1918-1945
Kreis Eschwege
Die ersten Wahlen zum Kreistag im Kreis Eschwege nach dem 1. Weltkrieg ergaben eine sozialdemokratische Mehrheit von 13 Abgeordneten gegenüber 10 von den bürgerlichen Parteien. Der neu gewählte Kreistag trat am 2. Juni erstmals noch unter Leitung von Keudells zusammen, bei seiner nächsten Sitzung am 14. Juli unter Leitung von Dr. Bödiker.
Den politischen Wechsel kann man gut an der Zusammensetzung des neuen Kreistags, der am 29. September 1919 zusammentrat, erkennen. Hier sind auch die politischen Zugehörigkeiten vermerkt; dem Parlament gehörten zwölf Mehrheits-Sozialdemokraten, ein Unabhängiger Sozialdemokrat, fünf Deutschnationale, vier Demokraten und ein bürgerlicher ohne Zuordnung an:
- Kaufmann Friedrich Hoßbach, Eschwege (MSPD)
- Gastwirt Martin Henning, Eschwege (MSDP)
- Stadtverordneten-Vorsteher Müller, Wanfried (MSDP)
- Monteur Wilhelm Eimer, Waldkappel (MSPD)
- Maler August Herzog, Frieda (MSDP)
- Steinsetzer Wilhelm Bauhan, Germerode (MSDP)
- Kohlenhändler Adolf Gimpel, Niederhone (MSDP)
- Maurer Georg Mäurer, Oberdünzebach (MSDP)
- Maurer Georg Wenzel, Schwebda (MSDP)
- Aufseher Ferdinand Martin, Grebendorf (MSDP)
- Maurer Johannes Krapf, Röhrda (MSDP)
- Lotte Tolle, Eschwege (MSDP)
- Maurer Karl Küllmer, Reichensachsen (USPD)
- Rechtsanwalt Rühmekorb, Eschwege (DN)
- Landwirt Ernst Beyer, Reichensachsen (DN)
- Landwirt Peter Schönewolf, Germerode (DN)
- Landrat a.D. Alexander von Keudell, Schwebda (DN)
- Landwirt Adam Hoßbach, Rittmannshausen (DN)
- Bürgermeister Dr. Fritz Stolzenberg, Eschwege (Dem.)
- Landwirt Eduard Stemm, Abterode (Dem.)
- Straßenmeister Wilhelm Flender, Oetmannshausen (Dem.)
- Hauptlehrer Karl Wittich, Herleshausen (Dem.)
- Fabrikant Ernst Weymar, Eschwege (Bürger)
In der Sitzung am 2. Oktober 1919 wurden die Mitglieder verschiedener Kommissionen gewählt. Regierungsassessor Dr. Rudolf Bödiker (geb. 25.3.1887), der inzwischen die Verwaltungsgeschäfte leitete, wurde, nachdem er schon seit Anfang 1919 dem Landrat "zur Hilfeleistung" beigegeben worden war, am 1.8.1919 kommissarischer Landrat in Eschwege, wechselte aber schon Ende Juli 1920 zum Landratsamt in St. Goar und dann 1923 nach Stettin. Noch am 16. Februar 1920 hatte sich der Kreistag für seinen Verbleib ausgesprochen. Am 18. Juni 1920 wurden als Mitglieder des Kreisausschusses vereidigt: Bürgermeister Dr. Fritz Stolzenberg (war schon vereidigt), Rechtsanwalt Georg Rühmekorb, Landwirt Eduard Stemm, Kaufmann Friedrich Hoßbach, Kohlenhändler Adolf Gimpel und Schmiedemeister Heinrich Müller.
Der Kampf um die Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln gehörte zu den wichtigsten Aufgaben Bödikers in dieser Zeit. Nach seinem Weggang beschäftigte sich der Kreistag ein Jahr lang mit der Nachfolgeregelung. Der SPD-Kandidat Johannes Struve aus Kassel wurde dabei durch die rechten und linken Parteien im Kreistag blockiert, so dass er verzichtete. In dieser Zeit amtierte der Eschweger Bürgermeister Dr. Fritz Stolzenberg (27.1.1879-21.4.1934) in stellvertretender Funktion, bevor im Februar 1921 der bisherige Stadtrat Hermann Langer aus Kassel, zunächst wieder kommissarisch, den Posten übernahm, obwohl sich der Kreistag im August 1921 nach wie vor uneinig war. Am 20. Februar 1921 war ein neuer Kreistag gewählt worden. Die 23 Sitze verteilten sich wie folgt: SPD 10, die konservative "Kreisarbeitsgemeinschaft" 8, DDP 2, USPD 2 und KP 1.
Folgende Abgeordnete saßen nun im Kreistag:
- August Herzog, Maler, Frieda (SPD)
- Wilhelm Eimer, Isolierer, Waldkappel (SPD)
- Heinrich Müller, Schmiedemeister, Wanfried (SPD)
- Friedrich Hoßbach, Kaufmann, Eschwege (SPD)
- Adolf Gimpel, Landwirt, Niederhone (SPD)
- Georg Mäurer, Maurer, Oberdünzebach (SPD)
- Wilhelm Schellhase, Geschäftsführer, Röhrda (SPD)
- Heinrich Siegel, Bürgermeister, Reichensachsen (SPD)
- Johannes Becker II, Arbeiter, Bischhausen (SPD)
- Heinrich Thon, Arbeiter, Wommen (SPD)
- Karl Küllmer, Gewerkschafts-Angestellter, Reichensachsen (USPD)
- Gustav Köhler, Kriegsbeschädigter, Eschwege (USPD)
- Wilhelm Steinkrug, Schuhmacher, Eschwege (KP)
- Karl Mench, Landwirt, Reichensachen (Kreis-AG)
- Otto Greineisen, Schlossermeister, Eschwege (Kreis-AG)
- Dr. Adolf Schäfer, Winterschuldirektor, Eschwege (Kreis-AG)
- Karl Hohmann, Eisenbahn-Werkmeister, Eschwege (Kreis-AG)
- Alexander von Keudell, Landrat a.D., Schwebda (Kreis-AG)
- Wilhelm Hesse, Maurermeister, Eschwege (Kreis-AG)
- Georg Rühmekorb, Rechtsanwalt, Eschwege (Kreis-AG)
- Justus Weber, Landwirt, Renda (Kreis-AG)
- Dr. Fritz Stolzenberg, Bürgermeister, Eschwege (DDP)
- Franz von Lühmann, Apotheker, Wanfried (DDP)
Hermann Langer (geb. 24.3.1867) in Langensalza als Sohn eines Schuhmachers, zog am 1. März 1921 von Kassel nach Eschwege und leitete die Sitzung des neugewählten Kreistags am 19. März In der Sitzung vom 22. Juni, bei der auch das im Schloss befindliche Heimatmuseum besucht wurde, kam keine Einigung über Langers Wahl zustande. Dies erfolgte erst in der Sitzung am 20. August mit den Stimmen der SPD und DDP, gegen die Linken und Konservativen. Die von Langer geäußerten Statements bei Eröffnung der Sitzung wurden von Keudell als politische Propaganda kritisiert. Am 30. September 1921 erhielt Langer nunmehr seine feste Anstellung. Wie sein Amtskollege in Witzenhausen gehörte auch er der Sozialdemokratischen Partei an. Wie sein Amtsvorgänger, so musste auch er vor allem gegen die Wirtschaftskrise ankämpfen. Mit seinen Äußerungen betreffend die Versorgung mit Kartoffeln rief er im Oktober 1923 den Widerspruch des Kreisbauernverbandes hervor. Bei der Reichstagswahl am 4. Mai 1924 erhielt der Völkisch-Soziale Block (Vorläufer der NSDAP) im Kreis Eschwege auf Anhieb 2.586 Stimmen und erreichte damit den dritten Platz hinter DNVP und SPD. Am 29. November 1925 wurde ein neuer Kreistag gewählt, dem nun ein Abgeordneter mehr angehörte. Die SPD erhielt 11 Sitze, die konservative "Kreisarbeitsgemeinschaft" 7, die Wirtschaftliche Vereinigung (DDP) 3, die KP 2 und der Meißner-Verband 1.
Folgende Abgeordnete gehörten dem neuen Kreistag an:
- Hans Becker, Bürgermeister, Bischhausen (SPD)
- Hans Braunholz, Geschäftsführer, Eschwege (SPD)
- Wilhelm Bredemeier, Werkmeister, Wanfried (SPD)
- Wilhelm Eimer, Monteur, Waldkappel (SPD)
- August Engel, Weber, Eschwege (SPD)
- Karl Herzog, städtischer Arbeiter, Eschwege (SPD)
- August Herzog, Maler, Frieda (SPD)
- Karl Küllmer, Gewerkschafts-Sekretär, Reichensachsen (SPD)
- Otto Martin, Bauunternehmer, Grebendorf (SPD)
- Wilhelm Schellhase, Geschäftsführer, Röhrda (SPD)
- Heinrich Siegel, Bürgermeister, Reichensachsen (SPD)
- Karl Küllmer, Schlosser, Reichensachsen (KP)
- Wilhelm Steinkrug, Schuhmacher, Eschwege (KP)
- Karl Kratzenberg, Landwirt und Postagent, Bischhausen (Kreis-AG)
- Alexander von Keudell, Landrat a.D., Schwebda (Kreis-AG)
- Karl Mench, Landwirt, Reichensachsen (Kreis-AG)
- Heinrich Opfer, Landwirt und Bürgermeister, Netra (Kreis-AG)
- Georg Pfuhl, Lehrer, Weidenhausen (Kreis-AG)
- Dr. Adolf Schäfer, Direktor der Landwirtschaftsschule, Eschwege (Kreis-AG)
- Karl Weyrich, Bürgermeister, Wanfried (Kreis-AG)
- Otto Greineisen, Schlossermeister, Eschwege (DDP)
- Dr. Fritz Stolzenberg, Bürgermeister, Eschwege (DDP)
- Otto Vollprecht, Buchhändler, Eschwege (DDP)
- Joseph Schwenger, Gutsbesitzer, Mönchhof (Meißner-Verband)
Zu Langers 60. Geburtstag am 24. März 1927 attestierte man ihm trotz aller Differenzen, mit seiner sachlichen Arbeit, die immer das Gesamtwohl des Kreises zum Ziel hatte, auch bei den politisch anders Denkenden Vertrauen gefunden zu haben. In seiner Amtszeit setzte er Schwerpunkte bei der Förderung des Schulwesens und des Wohnungs- und Straßenbaus; auch die Verschönerung des Schlosses mit dem Einbau des Dietemannes 1927 und dem Bau des Schlossbrunnens 1930 fiel in seine Zeit.
Die Wahl am 17. November 1929 bestätigte die SPD mit 11 Sitzen, während die sich nun "Landvolkliste" nennenden Konservativen in drei regionalen Listen auf 8 Sitze zunahmen; die liberale Bürgerliste erreichte 3, die KP 2 Sitze. Die Kreistagsabgeordneten der letzten Wahlperiode vor der NS-Zeit waren:
- Karl Küllmer, Gewerkschafts-Sekretär, Reichensachsen (SPD)
- Karl Herzog, Arbeiter, dann Angestellter, Eschwege (SPD)
- August Herzog, Streckenwärter, Frieda (SPD)
- Georg Müller, Invalide, Eschwege (SPD)
- Heinrich Fischer, Lithograph, Wanfried (SPD)
- Wilhelm Ludolph, Hilfsschullehrer, Eschwege (SPD)
- Johannes Becker, Bürgermeister, Bischhausen (SPD)
- Wilhelm Schellhase, Geschäftsführer, Röhrda (SPD)
- Heinrich Hoffesommer, Steinsetzer, Hitzerode (SPD)
- Adam Ruhland II, Schmied, Weißenborn (SPD)
- Heinrich Füllgrabe, Bürgermeister, Aue (SPD)
- Wilhelm Steinkrug, Schuhmacher, Eschwege (KP)
- Karl Küllmer, Schlosser, Reichensachsen (KP)
- Alexander von Keudell, Schloss Wolfsbrunnen (DNVP)
- Karl Hose II, Zimmermann, Altenburschla (DNVP)
- Karl Walter, Landwirt, Reichensachsen (DNVP)
- Heinrich Albrecht, Landwirt, Germerode (DNVP)
- August Diegel, Landwirt und Bürgermeister, Gehau (DNVP)
- Heinrich Opfer, Schreinermeister und Bürgermeister, Netra (DNVP)
- Karl Fehr, Bürgermeister, Herleshausen (DNVP)
- Karl Weyrich, Bürgermeister, Wanfried (DNVP)
- Otto Greineisen, Schlossermeister, Eschwege (DVP)
- Dr. Fritz Stolzenberg, Bürgermeister, Eschwege (DDP)
- Edmund Plaut, Fabrikant, Eschwege (DDP)
Zum 1. April 1932 trat Langer infolge Erreichung der Altersgrenze in den Ruhestand und verzog mit seiner Familie nach Eisenach.
Da sein Vorgänger schon Mitte Februar 1932 Urlaub genommen hatte, wurden die Geschäfte seitdem von Hans Otto Glahn (1.4.1895-August 1979), Landrat in Usingen, wahrgenommen, der ebenso der SPD angehörte. Mit den Stimmen der SPD wurde er in der Kreistagssitzung am 21. Mai 1932 gewählt. Obwohl er nach kurzer Zeit seine parteipolitischen Bindungen beendete, wurde er - zeitgleich mit den Maßnahmen in Preußen nach dem "Preußenschlag" am 20. Juli - Ende Juli 1932 seines Amtes enthoben und in den Wartestand versetzt. Er verließ Eschwege nach nur fünf Monaten am 31. Juli 1932 ohne polizeiliche Abmeldung nach Göttingen. Er war dann für kurze Zeit Regierungsrat in Köslin, wurde aber bei der Machtergreifung entlassen. Von 1947-1949 war er umstrittener Oberstadtdirektor in Göttingen.
Auf ihn folgte Dr. Philipp Deichmann (24.12.1889-21.5.1962), zunächst kommissarisch, am 4. August 1932. Nachdem die KPD und das konservative Bündnis seine Wahl zunächst blockiert hatten, wurde er schließlich am 10. Dezember 1932 mit Unterstützung der liberalen Bürgerliste in seinem Amt bestätigt und Anfang Januar 1933 von der Preußischen Regierung ernannt. Bei seinem Dienstantritt deutete er an, dass die desolate Finanzlage des Kreises für ihn das größte zu lösende Problem sei.
Bereits am 1. März 1933 wurde der Kreistagsabgeordnete Karl Küllmer aus Reichensachsen, der der KP angehörte, in sogenannte Schutzhaft genommen und bis zum 17. März festgehalten. Das KP-Mitglied Wilhelm Steinkrug wurde drei Tage festgesetzt, vom 10.-13. März, dann nochmals am 20. / 21. März, Wilhelm Schellhase aus Röhrda vom 24.-27. März.
Zur Kreistagswahl am 12. März 1933 stellten sich vier Listen zur Wahl: NSDAP, SPD, KP sowie die Liste "Bauer und Bürger". Die NSDAP erhielt 13 Sitze, darunter der spätere Kreisleiter Weiß und, als Nachfolger seines Vaters, Rudolf von Keudell aus Schwebda. Die SPD erhielt 8 Sitze, die KP 2 und die Bürgerliste 1 Sitz. Am 29. März gab Landrat Deichmann bekannt, dass fünf Abgeordnete der SPD ihre Ämter niedergelegt hatten.
Als am 8. April der neue Kreistag "feierlich eröffnet" wurde, war außer 12 Abgeordneten der NSDAP nur noch der Vertreter der Liste "Bauer und Bürger" erschienen. Das Tageblatt berichtete: "Die Fraktion der N.S.D.A.P. wurde von der SA mit Fahnen und unter schneidiger Marschmusik zum Landratsamt geleitet. Von dem Schloß flatterten die Fahnen, im Sitzungssaal selbst hatten hinter dem Tisch des Landrats drei Gruppen mit Hakenkreuzfahnen Aufstellung genommen. Von den Wänden her grüßten die großen Bilder des Reichspräsidenten v. Hindenburg und des Reichskanzlers Adolf Hitler. Die Plätze nahm fast allein die nationalsozialistische Fraktion ein, die mit 13 Abgeordneten die absolute Mehrheit des 24 Abgeordnete umfassenden Kreistages hat. Anwesend waren neben 12 nationalsozialistischen Abgeordneten nur noch der eine Abgeordnete der Liste Bauer und Bürger. Von den acht sozialdemokratischen Abgeordneten, von denen inzwischen fünf ihr Amt niedergelegt haben, war niemand erschienen, ebenso fehlten die Kommunisten, auf die zwei Sitze entfallen waren. Der Vorsitzende Landrat Dr. Deichmann eröffnete die Sitzung und führte u. a. aus, daß die nationale Wiedergeburt Deutschlands auch im Kreistag seinen(!) Ausdruck gefunden habe." Eduard Weiß äußerte sich zur Zeit der Weimarer Republik mit den Worten, dass marxistische Mißwirtschaft in den letzten 14 Jahren der Grund für die jetzige große Not sei und dass es ein marxistischer Landrat nicht geschafft habe, die Finanzen zu ordnen. Sodann wurden die Kommissionen neu gewählt und ausschließlich mit Parteigenossen besetzt.
Deichmann kooperierte sofort mit den neuen Machthabern; so forderte er die Mitarbeiter des Landratsamtes zur geschlossenen Teilnahme am Fackelzug am 21. März 1933 anlässlich der "nationalen Wiedergeburt des Deutschen Reiches" auf. Ab dem 30. März prangte die neue Bezeichnung des Schlossplatzes als "Adolf-Hitler-Platz" am Südflügel des Schlosses. Am 1. April 1933 trat Deichmann der NSDAP bei. Am 20. Juli 1933 wurde der Hitlergruß in der Kreisverwaltung obligatorisch.
Am 19. Dezember 1935 gaben die Mitglieder des Kreisausschusses ihre Erklärungen zur bisherigen Tätigkeit ab. Zu diesem Zeitpunkt waren dies: Rudolf von Keudell, August Hohmann, Eduard Weiß, H. Schindewolf und Albert Prach.
Die Bewältigung der Finanzkrise und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit bestimmten die nur vier Jahre dauernde Amtszeit Deichmanns. Zu seiner Zeit erfolgte die Eingemeindung von Niederhone nach Eschwege und die Vereinigung der beiden Orte Wipperode und Bernsdorf unter dem neuen Namen Vierbach am 1. April 1936. Als Deichmann Ende Oktober 1936 nach Trier versetzt wurde, bescheinigte man ihm eine enge Zusammenarbeit mit der NSDAP und ihren Dienststellen. Bei der Abschiedsfeier am 5. November 1936 erhielt er ein Bild im Wert von 225 RM geschenkt, das durch eine Umlage bei allen Gemeinden des Kreises finanziert wurde. Deichmann blieb bis zum Kriegsende Landrat in Trier und war von 1949-1958 in der Landesvermögensverwaltung Nordrhein-Westfalen in Koblenz tätig, wo er 1962 verstarb.
Sein Nachfolger wurde Dr. Walter Schultz (27.11.1874-8.8.1953), zunächst kommissarisch, bis am 6. Januar 1937 seine offizielle Einführung stattfand. Hier wird er als einer "der ältesten und bewährtesten Kämpfer des Führers im Gau Kurhessen" bezeichnet. Er war schon 1925 in die Partei eingetreten und 1927-1928 Gauleiter für Hessen-Nassau Nord gewesen, danach Landrat von Kassel-Land. Erst Anfang März 1937 zog er von Kassel nach Eschwege. Der aus nur noch sechs Personen bestehende Kreisausschuss wählte ihn am 13. März 1937 einstimmig. Der Kreisausschuss bestand aus dem Kreisleiter der NSDAP Eduard Weiß, dem Eschweger Bürgermeister Dr. Alex Beuermann, dem Fabrikanten Karl Artur Israel aus Wanfried, dem Kreisbauernführer Fritz Walter aus Wanfried, dem Landwirt Rudolf von Keudell aus Schwebda und dem Erbhofbauern August Hohmann aus Lüderbach. Schultz wurde bei Kriegsende seines Amtes enthoben und zog im April 1948 nach Oberhone, dann nach Kassel.
Kreis Witzenhausen
Zum Jahresende 1917 wurde Landrat Dr. Hermann Wolf aus Sulingen definitiv angestellt, nachdem er schon Ende August als Nachfolger feststand und am 1. Oktober 1917 seinen Dienst hier angetreten hatte. Der Kreisausschuss bestand zu Wolfs Amtszeit aus dem Freiherrn von Buttlar, Kammerherrn Erich von Bodenhausen, Forstmeister Wetz, Landwirt Brübach und den beiden Bürgermeistern Müller und Weichel.
Am 23. März 1919 musste der Landrat bekanntgeben, dass das Dienstsiegel des Landratsamtes gestohlen worden war, so dass man ein neues beschaffen musste. Schon im April 1919 musste er seinen Dienst wegen Krankheit aufgeben und erhielt sechs Monate Urlaub. Die Zeitung meldete: "Landrat Dr. Wolff ist bis auf weiteres krankheitshalber beurlaubt. Man nimmt an, daß er in sein Amt nicht wieder zurückkehren wird." Der Kreistag setzte sich aus 11 Sozialdemokraten, 5 Demokraten und 4 Deutschnationalen zusammen, die im Juni 1919 die sechs Mitglieder des Kreisausschusses wählten. Es waren dies die Bürgermeister Müller, Wickfeldt und Kregelius, der Privatmann Engelmann, Landwirt Wilhelm und Former Vonhof.
Freiherr von Verschuer fungierte nun als stellvertretender Landrat und musste eine große Demonstration wegen der Versorgungslage am 17. Juni beschwichtigen. Während seiner Abwesenheit im Juli 1919 musste der Witzenhäuser Bürgermeister Oskar Wickfeldt die Geschäfte des Landrats übernehmen. In seiner Sitzung am 8. August 1919 sprach sich der Kreistag mit 11 Stimmen für Georg Thöne (5.1.1867-4.5.1945), Parteisekretär der SPD, Mitglied der Nationalversammlung und des Provinziallandtags, als Landrat aus, 9 Stimmen erhielt Bürgermeister Wickfeldt. Bis zum Jahresende 1919 wurde jedoch der Gerichtsreferendar Georg Eschstruth (geb. 2.8.1889) mit der vertretungsweisen Verwaltung des Landratsamtes in Witzenhausen beauftragt. Er verfasste am 8. August 1919 einen Aufruf an die Bevölkerung des Kreises. Gleichzeitig wurde der bisherige Landrat Dr. Wolf zum Regierungsrat ernannt und nach Arnsberg, kurz darauf nach Köln überwiesen. Die Zeitung merkte an: "Der Gesundheitszustand des pflichttreuen Beamten hatte denn auch so gelitten, daß Herr Dr. Wolf sich seit etwa einem halben Jahr vom Dienst befreien lassen musste."
Am 4. September sprach sich Eschstruth entschieden gegen die in letzter Zeit zu Tage tretende Judenhetze aus. Am 22. und 27. September musste er sich mit den Problemen der Zwangsbewirtschaftung für Milch auseinandersetzen. In der Sitzung vom 10. November 1919 sprach sich der Kreistag erneut für Georg Thöne als Landrat aus, diesmal mit der großen Mehrheit von 15 gegen fünf Stimmen. Thöne leitete die Sitzung des Kreisausschusses am 3. Januar 1920 als kommissarischer Landrat, aber erst im Mai 1920 wurde er zum Landrat in Witzenhausen ernannt. Zu Beginn seiner Amtszeit war die Versorgung der Bevölkerung, so die Festlegung der Lebensmittelpreise, ein vordringliches Ziel. Am 4. Oktober 1920 appellierte Thöne an die Landwirte wegen der Kartoffelversorgung.
Die Wahlen zum Kreistag am 20. Februar 1921 brachten einen Sieg der SPD (7.142 Stimmen) über die konservative "Kreisarbeitsgemeinschaft" (5.243 Stimmen). Es folgten der Deutsche Beamtenbund (914), die Gastwirte (646), die Demokratische Partei (545), die Liste Rühling (328), die Christliche Gewerkschaft (185) und die USPD (147). Im neu gebildeten Kreisausschuss saßen nun die Bürgermeister Wickfeldt und Wilhelm, Ingenieur Möller, Rittergutsbesitzer Kröschell, Bergmann Ebert und der Stadtverordnete Quadt aus Witzenhausen. Im Oktober 1922 saßen im Kreistag:
- Kreissekretär Althans
- Katasterkontrolleur Hahn
- die Bürgermeister Wickfeldt (a.D.), Wilhelm und Kipp
- Buchdruckereibesitzer Vogt
- Kaufmann Wachsmuth
- Landwirt Böttner
- Bergmann Ebert
- Küfermeister Hebaum
- Fabrikarbeiter Mühlhausen
- Schneiderin Heinevetter
- Kriegsbeschädigter Nakonz
- Heizer Quadt
- Gastwirt Scharf
- Zigarrenmacher Schimpf
- Former Vonhof
- Maurer Zahnwetzer
Der Ablauf der Kreistagssitzung am 12. Juni 1922 fällt durch recht große Einigkeit und Sachlichkeit auf. Dasselbe gilt für die Sitzung am 30. Oktober 1922. Auch die Beschlüsse betreffend Gebührenerhöhungen wegen der rasant galoppierenden Inflation sowie der Besetzung von Ausschüssen gingen am 15. Juni 1923 ohne große Diskussionen über die Bühne. Im August 1923 konnte durch persönliches Eingreifen des Landrats ein Waggon mit Futtermehl auf dem Bahnhof Eichenberg aus den Händen von Wucherern beschlagnahmt werden. Thönes Name findet sich auf den im Oktober 1923 vom Kreisausschuss herausgegebenen Notgeldscheinen mit Werten von einer bis 50 Mrd. Mark.
Bei der Reichstagswahl am 4. Mai 1924 erreichte der erstmals auftretende Völkisch-Soziale Block (Vorläufer der NSDAP) auf Anhieb 1.504 Stimmen im Kreis Witzenhausen und lag damit an fünfter Stelle hinter SPD, DNVP, DVP und KP. Bei der Kreistagssitzung am 23. Mai 1924 bescheinigte Bürgermeister a.D. Oskar Wickfeldt dem Landrat, "er habe es mit großer Geschicklichkeit verstanden, uns durch die Inflationszeit hindurch zu bringen." Der Bericht über die Sitzung am 5. Dezember 1924 lässt keine großen parteipolitischen Auseinandersetzungen erkennen. Erst am 14. Mai 1925 fand wieder eine Sitzung des Kreistags statt, die einzige in diesem Jahr, was auch bemängelt wurde.
Die für den 25. Oktober 1925 geplanten Wahlen wurden auf dem 29. November verschoben. Mit der Wahl zum Kreistag gehörten diesem nun an:
- Graf Karl von Berlepsch, Rittergutsbesitzer zu Berlepsch (Bürgerliste)
- Kreissekretär Alexander Althans, Witzenhausen (SPD)
- Bürgermeister i.R. Oskar Wickfeldt, Witzenhausen (Bürger)
- Bürgermeister Georg Domke, Witzenhausen (Bürger)
- Bürgermeister Heinrich Wilhelm, Laudenbach (SPD)
- Bürgermeister Reinhart Zeeden, Bad Sooden (Liste Sooden)
- Fabrikant Heinrich Albert Meyer, Witzenhausen (Bürger)
- Rendant Martin Zahnwetzer, Lichtenau (SPD)
- Bergmann Heinrich Bernhardt, Velmeden (SPD)
- Landwirt Hermann Böttner, Orferode (Bürger)
- Schlosser Georg Brandt, Wickenrode (KP)
- Kaufmann Adolf Dömich, Allendorf (Bürger)
- Lagerverwalter Georg Ebert II, Wickenrode (SPD)
- Küfermeister Heinrich Hebaum, Allendorf (Bürger)
- Weißbinder Georg Jung, Lichtenau (KP)
- Fabrikarbeiter Friedrich Mühlhausen, Roßbach (SPD)
- Land- und Gastwirt Eduard Piskantor, Großalmerode (Bürger)
- Maurerpolier Heinrich Pflüger II, Hundelshausen (SPD)
- Ziegelei-Verwalter Louis Quadt, Witzenhausen (SPD)
- Zigarrenmacher Heinrich Schimpf, Allendorf (SPD)
- Former August Vonhof, Großalmerode (SPD)
Am 27. Februar 1926 wurde in die Geschäftsräume des Landratsamtes eingebrochen, es wurden aber nur geringe Mengen an Bargeld gefunden. In der Kreistagssitzung am 27. September 1926 wurde die Bitte an die Reichs- und Staatsregierung gerichtet, die geplante Kanalisation der Werra nun endlich voranzutreiben. Zum 60. Geburtstag des Landrats schrieb die Zeitung: "Am 5. Januar feierte Landrat Thöne seinen 60. Geburtstag, der in den beteiligten Kreisen durch eine kleine Feier begangen wurde. Unter den zahlreichen Glückwünschen befanden sich auch solche von den Landesbehörden." Über die Kreistagssitzung am 8. Februar 1927 berichtete die Heimatzeitung ausnahmsweise sehr ausführlich; es ging hauptsächlich um den Etat für den Landwegebau, der auf 120.000 RM festgesetzt wurde. Bei der nächsten Sitzung am 31. Mai beschloss man den Kreishaushalt für 1927 mit einem Umfang von 554.700 RM. Im Jahr 1928 trat der Kreistag erstmals am 20. Februar zusammen und beschloss u. a. einen Wegebauetat von 140.000 RM.
Im April 1928 wurde Landrat Georg Thöne zum Präsidenten der Landesversicherungsanstalt Hessen-Nassau gewählt. Die Heimatzeitung verband diese Nachricht mit einem Rückblick auf die Tätigkeit Thönes in den vergangenen acht Jahren: "Ein Rückblick auf die Tätigkeit Landrat Thönes zeigt, dass er seine Tätigkeit durchaus ernst und gewissenhaft genommen und manches Erfreuliche erreicht hat. Diese Endübersicht ist besonders befriedigend, weil man damals bei seinem Antritt des Postens dem neuen Landrat nicht überall mit allzuviel Vertrauen entgegenkam. Dabei darf vor allem nicht verkannt werden, daß die Verhältnisse der Nachkriegszeit die Arbeiten besonders erschwerten. Wenn er jetzt aus dem Amte scheidet, das er treu und mit Einsetzung seiner ganzen Persönlichkeit verwaltet hat, so geschieht es nicht, ohne daß ihm aus allen Kreisen herzliche Wünsche gewidmet sind."
Am 4. Juni 1928 beschloss der Kreistag u. a. den Haushalt für das laufende Jahr in Höhe von 609.000 RM, davon fast die Hälfte für die Wohlfahrtspflege. Im Juli 1928 bat Thöne um Entlassung aus dem Amt und wurde am 14. Juli von seinen Mitarbeitern verabschiedet. Am 20. Juli nahm er letztmalig zu seiner Verabschiedung an einer Kreistagssitzung teil, die aber schon von Kreisinspektor Althans geleitet wurde. Hier wurden Thönes Verdienste nochmals von mehreren Anwesenden gewürdigt. Das neue Amt bei der Landesversicherungsanstalt hatte er bis 1933 inne. In der NS-Zeit verlor Thöne alle seine Ämter und Auszeichnungen. Er starb kurz vor dem Ende des Weltkrieges (am 4.5.1945) in Kassel.
Jean Gröniger, bisher Lehrer in Niedervellmar und Kreistagsabgeordneter der SPD im Kreis Kassel-Land, wurde Anfang August 1928 vom Preußischen Innenministerium kommissarisch zum Landrat ernannt. Am 20. August 1928 leitete er die Sitzung des Kreisausschusses. In seine Amtszeit fällt die Eingemeindung des Dorfes Bischhausen in die Stadt Witzenhausen am 30. September 1928, ebenso der verordnete Zusammenschluss von Bad Sooden-Allendorf am 1. Juli 1929. Am 29. Oktober 1928 debattierte der Kreistag über die Neubesetzung der Landratsstelle, wobei sich schließlich die SPD und KP mit 12 zu 10 Stimmen durchsetzten und sich für Gröniger aussprachen. Am 8. Februar 1929 erhielt Landrat Gröniger vom Regierungspräsidenten Dr. Friedensburg seine Ernennung; außerdem legte der Kreistag u. a. die Ausgaben für den Straßenbau 1929 auf 180.000 RM fest. Am 22. April 1929 beschloss der Kreistag den Haushalt für das laufende Jahr in Höhe von 705.110 RM. Grönigers Rede zum 10. Jahrestag der Weimarer Verfassung am 11. August 1929 lässt seinen sozialdemokratischen Standpunkt klar erkennen.
Bei den Kreistagswahlen am 17. November 1929 erhielten die SPD 9 Sitze, die "Arbeitsgemeinschaft für Stadt und Land" 8, die KP 2 und je 1 Sitz die Reichspartei des deutschen Mittelstandes, die Kriegsopfer und die Liste Bad Sooden-Allendorf.
Die Gewählten waren:
- Bürgermeister Heinrich Wilhelm, Laudenbach (SPD)
- Metallarbeiter Konrad Bischoff, Witzenhausen (SPD)
- Lehrer Ludwig Rüdiger, Quentel (SPD)
- Zigarrenmacher Heinrich Schimpf, Bad Sooden-Allendorf (SPD)
- Lagerhalter Georg Ebert II, Wickenrode (SPD)
- Tonhauer Karl Traube, Großalmerode (SPD)
- Lagerhalter Friedrich Toby, Witzenhausen (SPD)
- Anstreicher Karl Lenz, Hess. Lichtenau (SPD)
- Maurerpolier Heinrich Pflüger II, Hundelshausen (SPD)
- Landwirt und Bürgermeister Hermann Böttner, Orferode (AG)
- Buchdruckereibesitzer Adolf Vogt, Hess. Lichtenau (AG)
- Bürgermeister Georg Domke, Witzenhausen (AG)
- Landwirt Eduard Gröling, Wendershausen (AG)
- Bäckermeister Friedrich Wilhelm Kleinsorge, Witzenhausen (AG)
- Direktor Hermann Hofmeister, Rommerode (AG)
- Landwirt Heinrich Möller II, Retterode (AG)
- Rentmeister Wilhelm Freye, Witzenhausen (AG)
- Weißbinder Georg Jung, Hess. Lichtenau (KP)
- Arbeiter Paul Joerg, Witzenhausen (KP)
- Bauunternehmer Fritz Röder, Hess. Lichtenau (Reichspartei)
- Kriegsbeschädigter Karl Nakonz, Ermschwerd (Kriegsopfer)
- Kurdirektor Otto Wiebeck, Bad Sooden-Allendorf (Liste BSA)
Die politischen Veränderungen in der preußischen Regierung Ende Juli 1932 (der sogenannte "Preußenschlag") schlugen auch auf die Verhältnisse in den Provinzen durch; SPD-Mitglieder wurden aus ihren politischen Ämtern verdrängt. Landrat Grönigers letzte Sitzungsleitung ist für den 2. August 1932 dokumentiert; am 10. August vertrat ihn Bürgermeister Wilhelm. Am 22. August 1932 wurde er mit sofortiger Wirkung in den einstweiligen Ruhestand versetzt und der Wolfhagener Landrat v. Uslar mit der kommissarischen Verwaltung des Kreises beauftragt.
Ab 1. Oktober 1932 folgte auf ihn Dr. Ernst Beckmann (21.9.1893-27.8.1957) aus Marienberg, wo er Landrat des Oberwesterwaldkreises gewesen war, zunächst kommissarisch, ab Januar 1933 dann endgültig. Er war Mitglied der Deutschen Volkspartei gewesen und trat 1933 der NSDAP bei. Am 6. Januar 1933 wurde er zum Landrat gewählt und waltete seines Amtes im Sinne des NS-Staates. Bei der Kreistagswahl am 12. März 1933 erhielt die NDSAP nach der ersten Auszählung 12 Sitze, die SPD 6, die Nationale Arbeitsgemeinschaft 2, die KP und der Christlichsoziale Volksdienst je 1 Sitz.
Der gewählte Kreistag bestand aus:
- Landwirt Wilhelm Otten, Kleinvach (NSDAP)
- Maurermeister Gustav Bernhardt, Großalmerode (NSDAP)
- Arbeiter Johannes Berus, Witzenhausen (NSDAP)
- Landwirt Otto Hildebrandt, Oberrieden (NSDAP)
- Metzgermeister Hartmann, Bad Sooden-Allendorf (NSDAP)
- Landbundgeschäftsführer Karl Wahmke, Witzenhausen (NSDAP)
- Justizinspektor Heinrich Knoth, Hess. Lichtenau (NSDAP)
- Küfer Julius Goebel, Großalmerode (NSDAP)
- Arbeiter Elias Peter, Wickenrode (NSDAP)
- Hotelbesitzer Fritz von Velsen, Bad Sooden-Allendorf (NSDAP)
- Landwirt Hermann Neumeier, Laudenbach (NSDAP)
- Kaufmann Konrad Hildebrandt, Witzenhausen (NSDAP)
- Bürgermeister Heinrich Wilhelm, Laudenbach (SPD)
- Tabakwarenhändler Konrad Bischoff, Witzenhausen (SPD)
- Lagerhalter Friedrich Toby, Witzenhausen (SPD)
- Anstreicher Karl Lenz, Hess. Lichtenau (SPD)
- Tonputzer Karl Traube, Großalmerode (SPD)
- Lagerhalter Georg Ebert II, Wickenrode (SPD)
- Malermeister Georg Jung, Hess. Lichtenau (KP)
- Kaufmann Konrad Prediger, Großalmerode (Christlich-Sozialer Volksdienst)
- Landwirt Hermann Böttner, Orferode (Nationale AG)
- Kaufmann Chr. Hartmann, Bad Sooden-Allendorf (Nationale AG)
Dr. Walter Gerber war zunächst ab Juli 1938 vertretungsweise tätig und wurde erst im April 1940 endgültig zum Landrat ernannt. Er blieb im Amt bis zum Ende der NS-Zeit 1945. In seiner Funktion nahm er am 21. November 1938 den Bericht von Bürgermeister Kolckhorst über die Ausschreitungen am 8. /9.11. entgegen. Gerbers aktive Rolle bei der Verfolgung und Ausbeutung der jüdischen Bevölkerung in Witzenhausen lässt sich in mehreren Fällen gut belegen. In der ersten Sitzung der Spruchkammer Witzenhausen beantragte der öffentliche Ankläger zwei Jahre Zwangsarbeit und Einziehung des Vermögens, das Urteil lautete hingegen auf zwei Jahre auf Bewährung, eine Geldbuße von 5.000 RM und Einstufung in die Gruppe der Minderbelasteten. Dies ist somit ein weiteres Beispiel für den milden Umgang mit den Hauptverantwortlichen des NS-Regimes. Gerber war eifriger Verfechter einer Generalamnestie, trat 1949 dem "Schutzverband der Beamten" bei und bewegte sich in Kreisen der LDP (später FDP), einem Sammelbecken ehemaliger unbelehrbarer Parteigenossen.